Wer sich mit Kulinarik beschäftigt, stößt über kurz oder lang auf das charismatische Großmaul Anthony Bourdain.
Der französischstämmige Managersohn führte in New York jahrelang die legendäre Brasserie Les Halles. Dort wird französische Kleinbürgerküche zu bezahlbaren Preisen in so grandioser Qualität serviert, dass das Publikum aus allen Einkommensschichten besteht, von Normalverdienern bis hin zur High Society. Sein Buch Geständnisse eines Küchenchefs: Was Sie über Restaurants nie wissen wollten wurde ein Weltbestseller. Das breite Publikum der USA lernte ihn durch die Food Network Serie A Cook’s Tour kennen. Das darauf basierende Buch Ein Küchenchef reist um die Welt: Auf der Jagd nach dem vollkommenen Genuss, habe ich bestimmt schon ein dutzendmal an Freunde verschenkt. Seit vielen Jahren läuft seine Doku-Reihe Anthony Bourdain: No Reservations, welche in Deutschland unter dem Titel Anthony Bourdain – eine Frage des Geschmacks zu sehen ist.
Dieser weltläufige Chefkoch schrieb in dem euphorischen Vorwort der amerikanischen Erstausgabe zu Fergus Hendersons Buch Nose to tail, dem dieses Rezept entnommen wurde, folgendes: „Nachdem ich im St. John (Anmerkung: Das Londoner Restaurant von Fergus Henderson) das geröstete Knochenmark mit Petersiliensalat gegessen hatte, erkor ich es ein für alle Mal zur Henkersmahlzeit meiner Wahl, zum letzten Gericht, das ich verspeisen wollte, ehe sie den Saft aufdrehen.“
Das musste ich natürlich auch probieren. Da sich meine Frau weigerte, überredete ich mein Brüderlein zum Mitessen. Ebenso wie bei den Mutproben unserer Kindheit – Regenwurmessen, die Stinkie-Binkies von der anderen Straßenseite beleidigen oder von der Weserbrücke springen – musste ich nur „Sei einmal in deinem Leben cool“ sagen (ich hoffe Mama liest das jetzt nicht, sonst bekomme ich noch rückwirkend Stubenarrest). Wie auch immer, das geröstete Knochenmark mit Petersiliensalat ist wirklich köstlich. Hendersons Rezepte setzen eine gewisse Küchenpraxis voraus, weswegen hier die Temperaturangabe fehlt. Meinen neuen Backofen stellte ich auf 140 °C mit Unterhitze ein. Das kann von Gerät zu Gerät variieren. Selbst Lesemuffeln empfehle ich ein Blick in die Bedienungsanleitung des Backofens, sie werden erstaunliche Informationen finden. Und ich nehme immer etwas weniger Kapern. Ansonsten: Ein ganz einfaches, sehr preiswertes und wirklich legendäres Rezept.
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von Fergus Henderson
Rezept für vier Personen
12 Stücke Markknochen vom Kalb, 7–8 cm lang
Ein großer Straus glatte Petersilie,vom Stängel gezupft
2 Schalotten, geschält und sehr dünn geschnitten
1 knappe Handvoll Kapern (wenn möglich extrafein)
Zutaten für das Dressing
Saft von einer Zitrone
Olivenöl
Eine Prise Meersalz und schwarzer
Pfeffer
Eine ordentliche Portion Toastbrot
Dies ist das einzige Gericht auf der Speisekarte des «St. John», das sich nie ändert. Die Markknochen stammen vom Kalbsbein; bitten Sie Ihren Metzger, ein paar für Sie beiseitezulegen. Sie brauchen Teelöffel oder ein langes dünnes Utensil, um das Mark aus den Knochen zu kratzen.
Haben Sie früher auch Kellogg’s Sultana Bran zum Frühstück gegessen? Das Verhältnis von Sultaninen zu Weizenflakes war stets eine heikle Sache, und manchmal geriet man in Versuchung, noch Sultaninen hinzuzugeben, was unweigerlich dazu führte, dass man zu viele Sultaninen in der Schale hatte und die Freude über das gelegentliche weich-süße Kauerlebnis im Kontrast zu den knackigen Flakes verloren ging. Bei der Zugabe von Kapern und Ähnlichem tut man gut daran, sich an Sultana Bran zu erinnern.
Die Markknochen in eine feuerfeste Form legen und in den heißen Ofen stellen. Der Röstvorgang dauert ungefähr 20 Minuten, je nach Dicke der Knochen. Das Mark sollte weich und nachgiebig sein, aber nicht auslaufen, was passiert, wenn man es zu lange röstet (traditionell werden die Knochenenden bedeckt, um ein Auslaufen zu verhindern, aber ich mag es, wenn das Mark sich an den Rändern verfärbt und knusprig wird). Inzwischen die Petersilie leicht hacken, gerade so viel, dass sie gezähmt ist, dann mit den Schalotten und Kapern mischen und erst kurz vor dem Auftragen mit dem Dressing begießen.
Dieses Gericht sollte, wenn es die Küche verlässt, noch nicht so abgeschmeckt sein, dass ein Nachwürzen bei Tisch unnötig wird, denn das Nachwürzen in letzter Sekunde, vor allem wenn grobes Meersalz im Spiel ist, verleiht der Mahlzeit im Augenblick des Verzehrs Struktur und Würde. Ich kratze am liebsten das Mark aus dem Knochen direkt auf den Toast und würze mit grobem Meersalz. Eine Messerspitze Petersiliensalat obendrauf und hineingebissen. Hat jeder seinen Berg aus Toast, Knochen, Salat und Salz erst einmal vor sich, darf man ihn natürlich essen, wie man will.
Anmerkungen
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Verlag: Echtzeit Verlag; Auflage: 2 (1. September 2014)
Autor: Fergus Henderson
ISBN-13: 978-3905800777
Foodfoto: © Jason Lowe
Personenfotos: Wikipedia
Verlagslink: http://www.echtzeit.ch/buecher.php?id=246
Video: https://www.youtube.com/watch?v=CUZ0MCL8Oug
Rezension: https://krautjunker.com/2016/06/29/nose-to-tail/
Ein weiteres Rezept aus dem Buch: https://krautjunker.com/2016/07/02/wie-man-radieschen-isst-wenn-sie-saison-haben/
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