Das von Rolf D. Baldus herausgegebene Buch Großwildjagd im alten Afrika schildert Episoden aus der letzten Epoche der Kolonialzeit und den ersten Jahren afrikanischer Unabhängigkeit. Beschrieben werden Verhältnisse zwischen Europäern und Afrikanern, Methoden des Naturschutzes oder der Jagd, die inzwischen fast ein Lebensalter zurückliegen. Die kolonialen Machtverhältnisse waren nichts, was der Farmersohn Brian Nicholson in seiner Jugend in Frage stellte.
Abb.: Brian Nicholson: Rasur auf Safari.
Es gab auch Jahre später in der Wildschutzbehörde keine Afrikaner in leitenden beruflichen Positionen. Trotz offensichtlicher gesellschaftlicher Schranken, pflegte Nicholson warmherzige Beziehungen zu seinen schwarzen Mitarbeitern. „Wenn man jemanden findet, mit dem man draußen im Busch zusammenarbeiten kann, dem man vertrauen kann, dann kann man gar nicht anders als Freunde zu werden.“
Abb.: Brian Nicholson mit Scout unterwegs in einem Sandfluss.
Nicholson war ein Praktiker und Profi, der Naturschutzpolitik umsetzte und dafür unter anderem auch viele Problemlöwen und Schadelefanten erlegen musste. Elefanten, Nilpferde, Löwen und Leoparden töteten und verletzten im Selous alljährlich viele Menschen und verursachten existenzbedrohende landwirtschaftliche Schäden bei den lokalen Kleinbauern. Entschädigungen wurden nicht ausgeschüttet. Durch die Jagd auf Tiere, die für die Landbevölkerung zum Problem wurden, half er nicht nur der einfachen Bevölkerung, die an der Seite gefährlichen Großwildes lebte, sondern schuf auch die Voraussetzungen dafür, dass die übrigen Tiere akzeptiert wurden. Für uns, die wir satt und sicher im zivilisierten Mitteleuropa leben, ist die Wildnis ein Ideal, für arme Menschen in der Dritten Welt ein Entwicklungshindernis und eine Bedrohung.
Abb.: Der 16-jährige Brian Nicholson mit seinem ersten Löwen.
Zusammen mit anderen Idealistischen Afrika-Liebhabern schuf Brian Nicholson das als wilde Herz von Afrika bezeichnete Selous in seiner heutigen Form. Es ist nicht nur das älteste Schutzgebiet Afrikas, sondern mit rund 50.000 km² auch das größte der Welt. Die Finanzierung der abgelegenen Urlandschaft erfolgt über Jagdtourismus, da es touristisch nicht rentabel erschlossen werden kann. In den Anmerkungen unter der Leseprobe gibt es hierzu weitere Informationen.
von Brian Nicholson
Im April 1951 ich zu Fuß unterwegs nach Gumbiro, etwas nördlich von Songea und ungefähr vierhundert Kilometer westlich von Liwale gelegen. Die Meldungen über einen dortigen Löwen klangen fast hysterisch. Wiederholt hatte ich vom District Commissioner in Songea durch meinen Boten Telegramme bekommen, denen zufolge der Löwe bereits 100 Menschen getötet hatte. Alle Versuche, ihn zu erlegen oder zu fangen waren erfolglos. Der Beamte forderte mich nun auf, mich persönlich der Angelegenheit zu widmen. Der Südost-Monsunregen hatte inzwischen seinen Höhepunkt erreicht, sogar die Hauptstraße von Lindi nach Songea war wegen des endlosen Schlamms und weggespülter Brücken gesperrt. Ich marschierte den Großteil des Weges auf direktem Weg Richtung Gumbiro, überwiegend durch unbewohntes Land am Nangunguru entlang und dann über den überfluteten Mbarangandu und den Kiloweru, einen Nebenfluss, der aus dem Südwesten kommt. Der Nangunguru-Rücken bildet, wie schon erwähnt, eine Hauptwasserscheide.
Eine Nacht lagerten wir an der Quelle des Mlembwe. In den vorangegangenen sechs Wochen hatte ich mehrfach von einem Löwen gehört, der am Unterlauf des Mlembwe vier Menschen getötet hatte. Die Dörfer, in denen die Übergriffe stattgefunden hatten, lagen fünfzig bis sechzig Kilometer flussabwärts, niemand von uns glaubte, dass wir in dieser entfernten und verlassenen Gegend nähere Bekanntschaft mit dem Menschenfresser machen könnten. Unser Lager hatten wir auf ebenem Boden in einem alten Miombowald mit hohem Grasunterwuchs aufgeschlagen. Ein ausgetretener Elefantenpfad folgte der Wasserscheide und führte durch unser Camp.
Abb.: Jagdcamp mit Brian Nicholson aus dieser Zeit.
Es war heiß und feucht, als ich mich in dieser Nacht schlafen legte. Ich lag unter meinem Moskitonetz und hatte die Vorder- und Rückwand sowie die beiden Seiten des Zeltes hochgerollt, um die Luftzirkulation zu steigern. Wenige Meter hinter meinem Zelt war eine rechteckige Küchenhütte aus Gras zum Schutz vor Regen gebaut worden. Drei Seiten waren geschlossen, eine war offen. In der Mitte lagen drei Steine um ein Feuer herum. Zwei Männer schliefen dort, einer auf jeder Seite. Etwa zwanzig Meter davor hatten die anderen Leute ihr Lager bezogen. Es bestand aus Zelten und einer Plane auf einer von Gras gesäuberten Stelle. Dort schliefen etwa 20 Träger und drei Wildhüter. Einige von ihnen lagen im Freien nahe eines großen Feuers, das niedergebrannt war und eine Schicht Glut gebildet hatte.
Spätnachmittags hatte es aufgehört zu regnen. Der Himmel war trübe, die Nacht dunkel und mondlos. Gegen 21 Uhr zog ich mich in mein Zelt zurück. Um zwei Uhr wurde ich von Schreien aus der Küche, sofort gefolgt von Geschrei im Lager der Träger, geweckt. Gleichzeitig vernahm ich, wie rechts an meinem Zelt irgendeine schwere Kreatur vorbeigaloppierte. Das Geräusch schwenkte zur Vorderseite, ich hörte einen Fall auf den Boden und dann Geräusche, als ob etwas zerrissen wurde. Wenn ich mich unter mein Mückennetz schlafen lege, habe ich immer eine starke Taschenlampe und für den Notfall mein geladenes Gewehr bei mir. Ich ergriff die Lampe, schlug das Netz hoch und schwang meine Beine herum, sodass ich auf der Bettkante saß. Als ich zur Vorderseite hinausleuchtete, sah ich zwei Löwen. Zwischen ihnen lag ein Mann. Die Katzen lagen auf ihren Bäuchen und rissen heftig an seinem Rumpf. Die Löwin erhob sich sofort, nahm den menschlichen Körper auf und verschwand im hohen Gras, gefolgt von dem anderen Löwen, einem nicht ganz ausgewachsenen männlichen Tier.
Der im Küchenzelt verbliebene Mann schrie fortlaufend: „simba! simba! simba!“, was von allen Trägern in chaotischem Lärm wiederholt wurde. Ich fuhr in meine kurze Hose und die Schuhe und lief aus dem Zelt. Sekunden später kam Mbukuri und murmelte immer wieder in angespanntem Flüsterton „simba“. Ich befahl ihm, ruhig zu sein und zu tun, was ich ihm sagte. Wir würden die Löwen mit der Taschenlampe in das hohe Gras verfolgen. Ich würde meine .470 und die Lampe tragen, bis wir sie gefunden hatten. Er sollte mir folgen, die Leuchte übernehmen und den Lichtstrahl über meine rechte Schulter am Gewehrlauf entlang auf die Löwen richten, wenn ich in einer guten Schussposition war. Er verstand, und wir liefen los.
Es war im Licht der Taschenlampe verhältnismäßig einfach, der Schleifspur zu folgen, denn der Bewuchs war nass und hoch. Jeden Nerv bis aufs Höchste angespannt, schlichen wir durch das Gras und hörten nach ungefähr hundert Metern die Löwen fressen. Ich rückte vorsichtig vor, kam um eine scharfe Biegung in der Schleifspur und da, drei, vier Meter vor mir, auf dem platt gedrückten Gras lagen die Raubkatzen auf ihren Bäuchen und rissen dem Mann das Fleisch von den Knochen. Die Löwin war mir am nächsten und kaute am linken Oberschenkel ihres Opfers. Das jüngere Tier hatte den Arm des Toten an der Schulter abgerissen und leckte das Blut von der Wunde. Als Mbukuri die Lampe übernahm, setzte sich die Löwin auf. Starr äugte sie mich an. Ich schoss ihr in die Brust und sie brach auf der Stelle zusammen. Beim Knall setzte sich das andere Tier, das uns bis dahin ignoriert hatte, auf und äugte uns ebenfalls an, dabei ragte der Arm des Mannes auf beiden Seiten aus seinem Maul heraus. Ich schoss aus dem linken Lauf in seine Brust und der Löwe fiel ebenfalls sofort zu Boden. Alles war vorüber, ein Mensch und zwei Löwen waren tot.
Abb.: Brian Nicholson mit den beiden Löwen, die einen seiner Träger getötet hatten. 1951
Nachdem ich die beiden Katzen aus der Nähe begutachtet hatte, bat ich Mbukuri, unsere Belegschaft zu beruhigen und vier Männer zu beauftragen, den toten Träger zum Lager zu bringen. Den Rest der Nacht blieben die Leute alle hellwach. Die Lagerfeuer brannten bis zum Tagesanbruch, die Stimmung war verständlicherweise sehr gedrückt. Sobald es hell genug war, machten Mbukuri und ich uns auf, um die Spuren der beiden Löwen zu untersuchen und uns ein Bild davon zu machen, was sich in der Nacht zugetragen hatte. Die beiden Katzen waren unseren Spuren auf dem Elefantenpfad ins Lager gefolgt und dann um mein Zelt herumgeschnürt. Wir fanden überall ihre Prantenabdrücke. An einer Seite des Zeltes war der Fang der Löwin nur wenige Zoll von meinem Kopf entfernt gewesen, lediglich das Moskitonetz trennte uns. Die beiden hatten sich dann zum Lagerplatz der Träger bewegt. Die Spuren zeigten, dass sie auch um deren Zelte und sogar zwischen den im Freien auf dem Boden schlafenden Leuten hindurchgeschlichen waren. Es schien, als hätten sie dort nichts gefunden, was sie zum Angriff verleitet hätte.
Dann liefen sie um mein Zelt herum zur Küche. Dabei ignorierten sie die offene Seite und kratzten einen Teil der Graswand auf, durch den die Löwin eindrang. Mit ihren Vorderläufen stand sie auf dem Mann, der hinter der Wand schlief, lehnte sich nach vorne an der Glut des Küchenfeuers vorbei und ergriff den anderen Mann am Kopf. Von dem Druck auf seiner Brust erwachte der Mann, auf dem sie stand, und hob instinktiv seine Arme, um das Gewicht abzuschütteln. Die Löwin knurrte wild, als sie am Hals berührt wurde. Dadurch wurde er nun völlig munter und schrie in Panik los. Das wiederum löste den Aufruhr im Lager aus und die beiden Löwen flüchteten mit ihrer Beute an meinem Zelt vorbei, wodurch ich geweckt wurde.
Ich glaube nicht, dass der Mann gelitten hat, sein Schädel war von dem einem Biss zerquetscht worden und sein Hirngewebe war am ganzen Kopf ausgetreten. Die Löwen waren offenbar hungrig. Sie schienen zwar etwas abgekommen, aber sonst völlig gesund. Und es waren tatsächlich die Menschenfresser vom Mlembwe. Es war nur unser Pech, dass sie ihr Revier offenbar gerade verlegt hatten. Ich nehme an, sie hatten die Dörfer am Mlembwe verlassen und waren über den Nangunguru-Grat gezogen, um im Ruhuhu-Tal auf der Südseite zu jagen, wo es mehrere Dörfer gab. Der Träger wurde am Morgen nach islamischem Ritual begraben, nachmittags zogen wir weiter, denn wir hatten noch fast 17 Tage Marsch bis Gumbiro vor uns, dem Hauptziel auf dieser Safari.
Abb.: Brian Nicholson bei seinem letzten Besuch im Selous. Kibambawe 1998.
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KRAUTJUNKER-Kommentar: Diese Leseprobe ist nur der kleine Anfangsteil des Kapitels im Buch.
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.
Titel: Großwildjagd im alten Afrika
Autor: Brian Nicholson
Hrsg.: Rolf D. Baldus
Verlag: Neumann Neudamm
Verlagswebsite: https://www.jana-jagd.de/detail/index/sArticle/7010
ISBN: 978-3788818432
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Buchbesprechung: http://www.outfox-world.de/Geniesserwelt/buch-tipp-grosswildjagd-im-alten-afrika.html
Website des Herausgebers Dr. Rolf D. Baldus: http://www.wildlife-baldus.com/grosswildjagd_im_alten_afrika.html
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„Spannend erzählte Jagd aus dem alten Afrika.“
Bernd Kamphuis; Chefredakteur der Jagdzeit International
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Über das Selous gibt es schon mehrere Beiträge auf KRAUTJUNKER aus einem anderen Buch von Rolf D. Baldus:
https://krautjunker.com/2018/01/24/wildes-herz-von-afrika-der-selous-traumhaftes-wildschutzgebiet/
https://krautjunker.com/2017/12/29/tod-am-rufiji/
https://krautjunker.com/2017/11/11/die-letzte-bastion-der-wildhunde/
https://krautjunker.com/2017/08/20/die-jagdwaffen-von-f-c-selous/
https://krautjunker.com/2017/07/09/menschenfresser-loewen-tote-die-zurueckkehren/
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