Hege im Ganzen

von Herbert Wessel

Wir Jäger sind ganz nah dran an der Natur, nehmen selbst wahr oder bekommen von älteren Jägern erzählt, wie der Niedergang der meisten klassischen Niederwildreviere in den letzten Jahrzehnten immer weiter fortgeschritten ist.

Ich sehe einen gewissen Fatalismus bei den Jägern, die Abwärtsspirale in der Biodiversität scheint unumkehrbar, man fühlt sich der laufenden Entwicklung ausgeliefert und nimmt die fortschreitende Verarmung unserer Lebensräume hin.

Scheinbar gibt es wirtschaftliche Zwänge, die keine andere Entwicklung zulassen. Die jungen Landwirte erfahren in ihrer Ausbildung wenig über alternative Wirtschaftsweisen. Die Agrarindustrie mit ihren Herbiziden und Insektiziden – in deutscher Sprache heißt das nichts anderes als Kräuter und Insekten tötende Substanzen – hat die Meinungsführerschaft in der konventionellen Aus- und Weiterbildung unserer Landwirte. Durch die schleichende Aushöhlung einer funktionierenden Marktwirtschaft im Lebensmittel-Einzelhandel werden die Erzeugerpreise der Landwirte immer weiter gedrückt und diese können sich in ihrer Mehrheit den aktuellen Marktmechanismen nicht entziehen. Viele geben ihre Betriebe auf. Große Kapitaleigentümer kaufen in Ostdeutschland riesige Ackerflächen und nutzen diese nach ihren Regeln der Ertragsmaximierung.

Bildquelle.: Foto von no one cares auf Unsplash

International gibt es viele Initiativen, die in dieser weltweiten Entwicklung eine große Gefahr sehen. Die konventionelle Landwirtschaft betreibt im globalen Maßstab einen Raubbau an unserem Boden, der auf längere Sicht die Welternährung gefährden könnte.
Die immer wieder beschworene zukünftige Welternährungskrise wird ihre Ursache möglicherweise nicht in der befürchteten Überbevölkerung haben, sondern in genau diesem Raubbau am Boden. Allan Savory, ein prominenter Befürworter einer regenerativen Landwirtschaft, zeigt verblüffend einfache Wege aus dieser Misere.

Seine Vorträge auf YouTube sind sehenswert.

Zu nennen ist neben vielen anderen Initiativen auch die Save Soil Bewegung aus Indien, die eine ähnliche Agenda verfolgt.

Dieses Thema ist so wichtig, dass es eine Ergebnis offene wissenschaftliche Betrachtung lohnen würde.

Scheinbar stünde es uns gut an, dass wir anfangen, uns über unseren eigenen Fatalismus Gedanken zu machen. Was kann jeder einzelne tun? Wir sollten uns informieren. Prinzip Sesamstraße: „Wieso, weshalb, warum?“ Das gewonnene Wissen könnte Grundlage unseres Handelns werden.
Wir Jäger sind zum allergrößten Teil Besitzer von Gärten. Dort können wir Biodiversität erlebbar machen, uns selbst mit dem Thema vertraut machen, unser Wissen weitergeben und daraus eine Mode machen. Wir können den Kindern davon erzählen, ihnen die Augen öffnen für die Schönheit eines Gartens, der ein intakter Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen ist. Schmetterlinge, wunderschöne Vögel an der Tränke, über den Rasen huschende Igel in Dunkelheit und heftigem Regen, Eichhörnchen mit erbeuteten Walnüsse, diese Eindrücke werden in großen wie in kleinen Menschen Spuren hinterlassen.

Viele Jäger sind auch Besitzer von landwirtschaftlichen Flächen. Den meisten ist gar nicht bewusst, dass z.B. Windschutzstreifen Bodenerosion verhindern und Fruchtbarkeit erhalten können. Allein fünf Prozent von einem Hektar, fünfhundert Quadratmeter, wären ein erster Schritt zu mehr Biodiversität, säen von Insektennahrung auf Vorgewenden und Wirtschaftswegen hätten merkliche Auswirkungen. Sinnvoll geplante Biotopverbesserungen können mit einem effizienten Maschineneinsatz im Ackerbau durchaus verträglich sein. Da braucht es gut durchdachte Lösungen, die auch die wirtschaftlichen Notwendigkeiten in der Landwirtschaft im Blick haben.

Das wäre ein erster wichtiger Schritt zu einer ganzheitlichen Hege des uns anvertrauten Wildes. Wir alle können sehen, dass zur Erhaltung der Wildbestände die Hege des entsprechende Lebensraums gehört, ohne wird es nicht gelingen. Das geht ohne weiteres, braucht keine einschneidenden Maßnahmen und könnte kurzfristig umgesetzt werden. Was noch wichtiger ist, wir können es selbst tun.

Wer weniger Gülle und Agrarchemie in unserer Landschaft möchte, kann sich für Bioprodukte entscheiden. Verbraucher und Landwirte tun sich immer öfter zusammen. Stichwort Solidarische Landwirtschaft. Dort z.B. tragen mehrere Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebes und bekommen dafür die Erzeugnisse. Es gibt eine immer größer werdende Bewegung, die sehr vielfältig ist und der Landwirtschaft Preisschwankungen und Folgen von Spekulationen und Marktverzerrungen im Lebensmittelhandel erspart.
Je mehr man sich mit diesem Themenbereich befasst, desto mehr staunt man, was es alles schon gibt und wo man überall mitmachen kann.

Bildquelle: Foto von Adrien Stachowiak auf Unsplash

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Dr. Herbert Wessel

Bildquelle: foto-hoelzen GmbH

In frühen Jahren führte ihn sein Weg als Schüler über die Naturbeobachtung mit 16 Jahren zu seiner Jagdpassion. Wie dieses geschah, bleibt für ihn im Dunkeln – mit seiner Familie hatte es jedenfalls wenig zu tun. Damals in den Siebzigerjahren nahm er die hässlichen Meliorationen, Begradigungen von Gewässern, das Ausräumen der Landschaft wahr und wollte nicht einsehen, dass diese Verarmung zwangsläufig und unumkehrbar war. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Herbert Wessel jagt in einer Gemeinschaftsjagd auf Niederwild. Er genießt das große Glück, in seinem Revier zu wohnen. So fällt er aus der Tür und ist schon auf der Jagd, sitzt verträumt an besonders schönen Stellen oder nutzt die Furchen der Pflüge, um in niedrigster Gangart auf Schussentfernung an das Rehwild zu kommen. Im Urlaub geht es bevorzugt in die Gartower Forsten. Dort läuft er kilometerweit barfuß die Sandwege entlang und tankt Kraft. Dann gilt es dem Hochwild. Manchmal ist das Jagen dort nicht so einfach, aber die Seeadler, Kolkraben und Kraniche, die Landschaft, die Luft allein, lohnen die Reise.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

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