Die Wilde Jagd

Ausstellungstext

Das Wilde Heer, die Wilde Fahrt, Odensjakt (-> „Odins Jagd“), Oskorei, Askereia, Åsgårdsrei (-> „der asgardische Zug“ / „Fahrt nach Asgard“), Wüetisheer, Gratzug, the Wild Hunt, Mesnie Hellequin, chasse fantastique, chasse aérienne, chasse sauvage, Chasse-galerie, caccia selvaggia, caccia morta usw… usf…

In nahezu jeder Sprache hat die unheimliche sagenumwobene Truppe aus (Halb-)Göttern, Geistern, Hexen, Magiern, Unholden, Untoten, Monstern und anderen, die in den dunkelsten Nächten des Jahres, unter anderem in den „Raunächten“ zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag (-> 6. Januar) unter fürchterlichem Getöse, Geschrei und Gebrüll am Firmament über die Welten und Wälder rast, saust und tobt einen eigenen Namen. Odin, der Erlkönig, Frau Holle, Perchta, Orion, Herne der Jäger, Arawn, Perchta, Diana, Hanns von Hackelnberg… je nach Kulturkreis, Weltgegend und Religion variiert der/die Anführer*in.

Bildquelle: © Deutsches Fleischermuseum Böblingen

Die Jagd, das Tun und Handeln der Weidleute (-> Jäger*innen), ist eines der ältesten Handwerke der Menschheit. Mythenumwobener und traditionsreicher ist fast kein anderes menschliches Treiben. Jede Zeit und Gesellschaft fügt dem Thema „Jagd“ ihre eigenen neuen Mythen und mehr oder weniger zutreffende Vorstellungen sowie Traditionen und Regeln hinzu. Das Deutsche Fleischermuseum ist ein Ort für die Kulturgeschichte und Kunst eines Handwerks. Menschheitsgeschichtlich waren wir zuerst Jäger*innen und dann Metzger*innen. Erst mit der Sesshaftwerdung in den frühen agrarischen Gesellschaften konnte das Fleischerhandwerk entstehen. In beiden Fällen geht es um Fleischgewinnung und -verarbeitung. Nomadisch lebenden Menschen standen als Nahrungsressource überwiegend gejagtes Wildfleisch und Pflanzen zur Verfügung. Ausreichend Fleisch aus Weide- und Stallhaltung sowie Viehzucht gab es für die sesshaft Gewordenen.

Mit Karin Brosa, Josephine Bonnet und Luca Siermann sind drei zeitgenössische künstlerische Positionen für ein halbes Jahr zu einer gemeinsamen Ausstellung im schrägsten Haus der Stadt eingezogen. Subjektiv, intensiv und spannend setzen sie sich in Fotografie, Malerei, Graphik und Installation mit der Jagd und den Jagenden sowie ihren Mythen, Regeln und Traditionen auseinander. Wie „wild“ es dabei zugeht? Das wird sich zeigen…

* Der Begriff „Wilde Jagd“ wurde in der deutschen Sprache auf Grundlage von Jacob Grimms „Deutscher Mythologie“ (1835) geprägt.

Bitte diesen Beitrag beachten: https://www.swr.de/swr2/kunst-und-ausstellung/oelschinken-und-blattschuss-die-jagd-in-der-kunst-deutsches-fleischermuseum-boeblingen-100.html

*

Mehr über die Wilde Jagd auf KRAUTJUNKER: https://krautjunker.com/2022/12/27/die-rauhnachte-oder-warum-man-zwischen-weihnachten-und-drei-konige-nicht-jagen-sollte/

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

https://fleischermuseum.boeblingen.de/start.html

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Spannendes Thema! Die Wilde Jagd, bei uns im Allgäu Muëtesheer genannt, nimmt breiten Raum im Sagenschatz meiner Heimat ein. Als ganz junger Jäger habe ich einmal bei einem aufziehenden Gewitter oben am Grat erlebt, wie diese Sage womöglich entstanden ist. Steht in meinem ersten Buch (https://wykradt.com/2020/10/05/was-war-denn-ums-leben-ohne-jagen/) – ich zitiere:

    „(…)Der Himmel hatte sich vom lastenden Bleigrau zu dem Violett gewandelt, wie es der Pfarrer in der Karwoche als Messgewand trägt, und von dahin zum karfreitäglichen Schwarz. Wind war aufgekommen, Brise zuerst, dann stärker werdend, bis an den Sturm. Ich saß auf meiner Kanzel und gab mich dem Schauspiel hin: hoch oben über den Wolken zuckte es schon loh, bald war das ganze Firmament über dem schwarzen Schleier hell erleuchtet, und dann fuhr der erste Strahl gleissend herab. Vier oder fünf Lichtäste waren in den Wolken zusammengetroffen und sausten im lichten Keil weit hinaus in die Täler. Stumm zählte ich bis zur Sieben, dann kam der Schlag dazu. Kaum verhallt, warf der Himmel den nächsten Blitz hinterdrein und so ging es Strahl um Krach und Schlag um Strahl. Aufs Mitzählen hatte ich längst vergessen, ich sah auch so, dass das Wetter schnurgerad auf mich zuhielt. Kurz kam mir noch der Gedanke, dass Nomen des Ortes auch Omen sein könnte, und dass ein Blitzloch beim Gewitter nicht ganz so sicher sei wie Abrahams Schoß. Doch bevor ich diesem Gedanken recht Form und Folge geben hätte können, wurde es still, kam die Stille, die das Große Fechten am Himmel kündet. Und in dieser Stille sah ich die Jagd.

    Überall da, wo man es in ganz früher Zeit „Germanisch“ hieß, geht die Sage von den Unsteten und Unwegsamen, die mit Odin reiten und reiten und immer so fort, ohne Anhalt und Ziel, immerwährend in Folge von Lust und Fluch. Wird ihnen auch Beute, so wird nie Erfüllung daraus, und halten sie Rast, so ruhen sie nimmer.
    Odin, Wotan, Muotis – viele Namen hat der Einäugige, der sie leitet. Muetes Heer heißt man die Jagd bei uns im Gäu, und wirklich und wahrlich ritten die Ruhlosen vor mir über die Schneid: falb und fahl die Rösser, geduckt darauf die Schemen. In fliegende Fetzen gehüllt nahmen sie den Grat als wär’s eine Hecke oder ein Graben. Hugin flog vorneweg und Munin, hinterdrein deren Brüder und Schwestern, und hoch in den Lüften war ein Schreien zu hören, ein Rufen und Tönen von Hörnern. Einige wenige waren es erst, Spitze der Schar, dann mehr und mehr in breiter Front kamen die Nebelfetzen über den Berg geritten, glitten hinter mir in die Finsternis und ins Tal hinaus, weiter nach Osten hin.

    An diesem Abend im Blitzloch habe ich aber nicht nur gelernt, dass die Sage von Muetes’ Heer wilder Jagd ihren wahren Kern hat. Denn als Fahrt vorüber war und das Gewitter noch einmal mit verstärkter Kraft losbrach, sich in Minuten verbrauchte und verflog, als dann, nach starkem und kühlendem Schauer die Wolken aufrissen und die Sonne immer noch kraftvoll genug war um wärmende Strahlen in den triefenden Wald zu werfen, da stand in jedem Tobel, in jeder Scharte, in jeder Falte ein altes Weib und rührte im Kessel Fledermaushaar, Hundszahn, Otternzunge, Stacheligel, Eidechspfot’ und Eulenflügel zusammen, dass hoch stieg der Dampf säulenweis’ in den Abendhimmel hinein. Und war es auch im Jahre MCMXC: ich bin sicher, dass unten in den Höfen und Häusern manch einer in den Berg schaute und still das Kreuz schlug, weil wieder die Wetterhexen waren am Werk, am unheiligen.

    Ich sah und schaute und staunte, weil sich die Sagenwelt meiner Kindheit, die Schauergeschichten am Kinderbett, die Schlaf raubten und Schwertraum brachten, die aber dennoch immer und immer wieder erbettelt wurden von den Schwestern, weil dieses Geheimnis sich mir gezeigt hatte. Und haben Geheimnis und Heimat die selbe Wortmutter im Heim, und war mir Heimat dank dem Geheimnis, dessen teilhaftig ich nun war werter und wärmer. Und in all dieser romantischen Schwärmerei glotzte mich schräg aus dem Jungwuchs ein Bock an. (…)“

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s