von Tankred Rinder
Mit der Beobachtung und der Nachbildung von zu seiner Zeit noch wenig beachteten Insektengruppen erschloss sich Oliver Edwards ein neues binderisches Feld: die semi-realistische Imitation. Fliegenbinden diente ihm jedoch immer dem Zweck, seine fischereilichen Erfolge am Wasser zu verbessern. So zeigte er sich nicht nur offen gegenüber neuem synthetischen Material, sondern zeigte auch die Bereitschaft, verschiedenste Taktiken anzuwenden, wenn es die Situation erforderte. Fliegenfischen mit dem Streamer, Czech Nymphing sowie klassische Nassfliegen-Anwendungen finden sich allesamt in seinem methodischen Repertoire. Als Autor bereichert er seit vielen Jahren die britische Fachpresse wie z.B. „Flyfishing & Flytying“. Den nachhaltigsten Beitrag zur Kultur des Fliegenfischens lieferte er mit seinem bahnbrechenden Werk „Flytyer‘s Masterclass“ („Meine Besten Fliegen“, Paul Parey Verlag). Weitere Informationen über den Beitrag zur Entwicklung des Fliegenfischens durch Oliver Edwards finden sich auf Seite 41 (Anmerkung: Dieses Buches: https://krautjunker.com/2017/07/12/nymphenfischen-geheimnisse-entlarvt/).
von Oliver Edwards
Ich war ein sechzehn Jahre alter Lehrling eines technischen Berufs, als ich zum ersten Mal eine Fliegenrute in die Hand nahm. Zuvor fischte ich bereits zehn Jahre lang mit meinem Vater auf Grund- und Weißfische. Irgendwie gingen Skues Bücher zu der Zeit an mir vorbei. Damals in den frühen 1950er Jahren waren Bambusruten und Seidenschnüre noch immer weit verbreitet und Nylon-Monofil begann sich erst langsam durchzusetzen – noch heute erinnere ich mich an „Gedrehte Seidewurmdarm- Vorfächer“. Die Fliegenwahl hier in Yorkshire war ebenfalls sehr beschränkt – ein North Country Spider wurde bei Nichterfolg ausgetauscht gegen einen anderen Spider. Wir fischten stets mit einem Team aus drei Fliegen: Top- und Mittelspringerfliege und einer Streckerfliege. Es war unsere Tradition, in diesem Fall seit mehr als 200 Jahren bewährt und nach wie vor höchst effektiv. Trockenfliegenfischen existierte an unseren oft turbulent fließenden Flüssen so gut wie überhaupt nicht. Wenn ich jetzt an diese Zeit zurückdenke, fällt mir ein einziger Angler ein, den ich mit der Trockenen fischen sah. Der Mangel an Popularität hing auch damit zusammen, wo man seine Fliegen kaufte. Das Sortiment in Geschäften, oft nur eine kleine Abteilung bei Gemischtwarenhändlern, bestand aus 20-30 Spider-Mustern mit vielleicht drei Trockenfliegen und keiner einzigen Nymphe. Nymphenfischen setzte sich nur sehr langsam an den nordenglischen Flüssen durch. Eines Tages stieß ich in der lokalen Bibliothek auf Sawyers Nymphs and the Trout und verschlang es in wenigen Tagen. Saywers Ansichten sprachen mich an und mir wurde klar, dass ich die Nymphen der an unseren Flüssen vorherrschenden Insekten nachahmen müsste. Genauso einleuchtend erschien es mir, mein eigenes Forschungsprojekt starten zu müssen, falls ich diese Insekten indentifizieren wollte. Bücher zu Entomologie, die sich konkret mit dem Insektenvorkommen an nordenglischen Flüssen beschäftigten, waren allesamt alt: circa aus dem 18. Und 19. und bestenfalls dem frühen 20. Jahrhundert. Zudem deckten fast alle ausschließlich das Nassfliegen- und Emergerfischen mit Spiders ab. In keinem einzigen mir bekannten Buch fand ich Information zu Fliegenmustern, die überzeugend die Kreaturen nachahmten, die ich bei meinen Forellen-Autopsien fand – winzige Nymphen und Larven. Eine Aktualisierung war dringend notwendig. Und nicht zuletzt war es unmöglich, Fliegenmuster aufzustöbern, die den natürlichen Vorbildern in Form, Größe und Farbe nahekamen. Es blieb mir keine andere Wahl, als diese Lebewesen selbst nachzubilden.
Abb.: Dem aufmerksamen Blick entgeht nichts: auf der der Oberfläche und unter Wasser
Natürlich stellte ich mir auch die Frage, ob Sawyer’s Techniken und seine Nymphen ähnlich wirkungsvoll an unseren heimischen Flüssen eingesetzt werden können. Mir schwante nämlich ein Problem: Sawyer fischte an einem permanent glasklaren, gemächlich fließenden Gewässer mit dichter Wasservegetation, glatter Oberfläche, relativ konstanter Strömung und konstanten Wasserständen, über dessem hellen Grund Fische leicht auszumachen waren. Im Kontrast dazu waren meine heimischen Yorkshire Dales-Flüsse steinig mit dunklem Boden, wilden Strömungen, rasanten tiefen Rinnen, flotten seichten Abschnitten, schwankenden Wasserständen und Fischen, die nicht zu sehen waren.
Abb.: Abwechslungsreiche Kost zeigt diese Mageninhaltsuntersuchung
Zu der Zeit war es ganz normal ein oder zwei fünfundzwanzig Zentimeter lange Forellen oder Äschen zum Verzehr mit nach Hause zu nehmen. Wie diese schmeckten, war für mich von zweitrangigem Interesse. Mich interessierte einzig ihr Mageninhalt. Ich war perplex. Manchmal fand ich eine Reihe unterschiedlicher Insekten, ein anderes Mal war der Magen voll mit einer einzigen Art. Wie ließ sich das erklären? Anfangs ließ ich mich noch von Entomologiebüchern etwas einschüchtern. Latein? Eine furchtbar komplizierte Sprache, für Wissenschaftler am Leben gehalten, nicht für technische Lehrlinge und andere nicht studierte Gesellschaftsgruppen. Ich war aber wißbegierig und es dauerte nicht lange, bis ich die verschiedensten Insektenformen und Gattungen gut zuordnen konnte. Das Fliegenbinden brachte ich mir genauso selbst bei. Ich war ein Freigeist, der sich durch nichts aufhalten ließ – frei von Einschränkungen wie „so MUSS es gemacht werden“. Mit echten Nymphen als Vorlage schien mein Ziel in greifbarer Nähe. Im Wesentlichen ging es mir darum, die Form des Insekts nachzubilden. Die Umrisse der Körper so genau wie möglich zu erfassen, schien mir das oberste Gebot. Ebenso wie Größe und Länge und nicht zuletzt die Proportionen der Körperabschnitte, die dem natürlichen Vorbild gleichen mussten. Und wie steht es um Beine, Schwanzfibern vielleicht sogar Antennen? Diese könnten vielleicht auch von Bedeutung sein. Also band ich einfach darauf los, ohne Anleitung, ohne Wissenschaft. Mit den Jahren verbesserten sich meine Bindekünste und somit das Aussehen meiner Nymphen. Das Beste daran war aber, dass der Erfolg meiner Kreationen nicht lange auf sich warten ließ und ich mehr und mehr Fische fangen konnte. In meinem Angelverein wurde man auf mich aufmerksam. Ältere und erfahrenere Kollegen begannen mich auszufragen. Einige hatten mich unter Verdacht, mit Lebendködern wie Maden und Würmern zu fischen. Sehr zum Leidwesen meiner Kollegen waren Nymphennachahmungen käuflich noch immer nicht erhältlich. Nicht nur hier in Yorkshire – so gut wie nirgendwo. Es gab keine Baetis-Nymphen – abgesehen von Sawyers PTN. Es gab keine Nymphenimitationen von Heptageniden, noch von Steinfliegen oder Köcherfliegenlarven und -puppen. Nichts – nada – null! Es gab nur diesen einen Typen namens Frank Sawyer, der Nymphen band und der lebte dreihundert Kilometer entfernt. Er hätte genauso gut am Mars leben können, so unerreichbar weit erschien uns das.
Es liegt auf der Hand, dass auch ich anfangs versuchte, Sawyer und seinen „Netheravon“- Stil, den Induced Take, zu kopieren. Doch leider nur mit mäßigem Erfolg. Wie auch? Ich konnte den Zielfisch ja nicht sehen. Das war sehr enttäuschend, wie ich eingestehen muss. Der große Sawyer fischte aber auch auf Distanz auf Fische, die er nicht sehen konnte. Diese Methode war viel zielführender, auch wenn der große Erfolg mit seiner Vorgangsweise ebenso ausblieb. Seine Distanztechnik setzte voraus, dass die letzten 60 – 90 cm des Vorfachs gefettet wurden, um die Nymphe im oberen Teil der Wasserfläche zu halten. An den turbulent fließenden Gewässern meiner Heimat war dieser Ansatz aber wenig effektiv. Das durch Fett auftreibende Vorfach konnte sich in den hin- und herwirbelnden Strömungen nicht lange halten. Sobald das Vorfach verschwand schlug ich an – zumeist vergebens. Nicht Bisse, sondern Wasserverwirbelungen zogen mein Vorfach unter die Oberfläche.
Als Reaktion darauf begann ich schon bald, nach anderen visuellen Ankerpunkten zu suchen – das Ende meiner Fliegenschnur, an der mein Vorfach befestigt war. Mir wurde bald klar, dass Schwimmmittel an diesem Ende des Vorfachs Abhilfe verschaffen könnten. Knoten und Schnurschlaufe wurden eingefettet und trieben von nun an gut sichtbar am Wasser. Kreideflusstechniken stießen nämlich an meinen Hausgewässern an ihre praktischen Grenzen. Bald erkannte ich auch, dass mein System noch besser funktionierte, wenn ich das Gegenteil von Frank Sawyer anwandte. Anstatt das Vorfach zu fetten, begann ich damit die komplette Vorfachlänge vom Schlaufenende bis zur Tippetspitze mit einer „Fullers Earth“-Mischung aus Lehm, Spülmittel und Glycerin zu entfetten. Diese Behandlung funktionierte wunderbar und das Vorfach drang sofort durch die Oberflächenspannung des Wassers und sank unmittelbar. Das gut gefettete Ende der Fliegenschnur trieb hoch am Wasser und blieb dadurch gut sichtbar. Bisse waren sehr einfach zu bemerken. Selbst kurze Augenblicke, an der die Schnur für einen Sekundenbruchteil an der Oberfläche zu verharren schien und nicht der gewöhnlichen Bahn des Abtreibens folgte. Mit ein wenig Übung entging mir kein Biss mehr.
Meine Vorfachmontage damals war einfach und ist es bis heute geblieben. Ein 7,5 ft (2,40 m) langes, konisch gezogenes Vorfach, an das ich mit einem Chirurgenknoten eine Tippetspitze von einem Meter Länge und einem Durchmesser von 0,16 mm befestige. Bei ganz niedrigen Wasserständen und besonders scheuen Fischen verlängere ich das Vorfach auf 9 ft (2,80 m) und befestige eine 1 Meter lange Tippetspitze mit einem Durchmesser von 0.14 mm. Die einzige moderne Anpassung, die ich an dieser Montage vorgenommen habe, ist der Einsatz von Mosers Minicon, geflochtenen Schnurschlaufen mit farbiger Spitze. Am kräftigeren Vorfachende (Butt) bringe ich einen Perfection Loop (Anglerschlaufe) an, womit ich Vorfach und Fliegenschnur verbinde. Ausnahmslos entfette ich das Vorfach gründlich bevor ich loslege und nachdem ich meine Finger gesäubert habe, bringe ich ausreichend Schwimmmittel an der Schnurschlaufe an. Diese einfache Montage hat zugleich den Vorteil, dass es sich ohne Aufwand zu einer Trockenfliegenmontage umwandeln lässt. Seit Jahren setze ich diese Zusammensetzung ein und trotz der vielen modernen Nymphentechniken – Polish, Czech und French Nymphing – beweist sie sich nach wie vor als höchst effektiv. Wenn das Wasser zu Saisonbeginn noch richtig kalt ist, sich die Fische typischerweise noch im tieferen Wasser aufhalten und ich brusttiefes Wasser befische, bringe ich gelegentlich einen 15 cm langen Seitenarm ungefähr 45 – 60 cm oberhalb der Tippetspitze an. Der zusätzliche Seitenarm oder Springer erlaubt es mir, eine schwerere Nymphe dort zu befestigen. Oder einfach eine allgemeine, unspezifische „Opfernymphe“, deren Aufgabe darin besteht, meine exakte Imitation auf Tiefgang zu bringen.
Abb.: Viele auch bei uns im Einsatz befindliche Nymphen entsprangen der Kreativität Oliver Edwards
Die Gewässer, die ich in erster Linie befische, verfügen typischerweise über ein kiesiges oder steiniges Substrat, durchmischt mit größerem Geröll und Steinen und gelegentlich ein wenig Krautbewuchs. Sobald sich das Wasser erwärmt, beginne ich damit, die schnelleren Flusspassagen mit einer Fließgeschwindigkeit zwischen 0,75 – 1,25 m/Sek zu durchsuchen. Aufgrund des schlanken Profils der Nymphen, die ich benutze, haben diese wie auch Sawyers PTN relativ wenig Gewicht. Selbst dann noch, wenn ich ein oder zwei winzige 1,5 mm breite Tungstenperlen unter dem Thorax versteckt einbinde. Somit eignen sich diese vornehmlich für zügiges, wenig tiefes Wasser. Im Wesentlichen bin ich auf der Ausschau nach den besten Standplätzen, an denen ich eine Forelle vermuten würde oder wo sich eine Äschenschule aufhalten könnte. In der wärmeren Jahreszeit sind das oft zügige, nicht zu tiefe Flussabschnitte mit Unterständen in der Nähe. Bevorzugt ziele ich Abschnitte mit einer welligen, kräuseligen Oberfläche mit Wasserständen zwischen waden- bis knietief an. Vor seichterem Wasser mache ich aber auch nicht Halt. Ich lege die Gewässerstrecken flott zurück, arbeite mich flussaufwärts und bringe rasch wiederholende Würfe mit kurzen Driften an allen mir verdächtig erscheinenden Stellen an. Die Würfe, die ich mache, sind nie länger als 8 – 12 m, oft viel kürzer und nur gelegentlich 14 – 15 m lang. Sofern möglich, versuche ich vielversprechende Stellen aus einem Winkel anzuwerfen, um mögliche Standplätze nicht mit meiner Fliegenschnur zu überwerfen. Auf mich zutreibende Schnur nehme ich in schnellerem Wasser mit Strips auf. In langsameren Flussabschitten lege ich die Schnur mittels Achterschlaufen in meiner Hand ab und hebe die Rute synchron zur Fließgeschwindigkeit an. Die Idee dahinter ist einfach: Man nimmt genug Schnur auf, um mit der Nymphe in Kontakt zu bleiben, ohne diese zusätzlich zur Fließgeschwindigkeit zu beschleunigen. Schnurbäuche werden sofort mit ein- oder mehrmaligem Mending ausgeglichen. Bei kurzen Würfen zwischen höchstens 5 – 7 Metern hebe ich, ohne Schnur einzuholen, einfach meine Rutenspitze an und achte darauf, so wenig Schnur wie möglich auf dem Wasser abzulegen. Die auf der Oberfläche treibende Fliegenschnur kann der Feind einer sauberen Drift sein und muss gut kontrolliert werden. Meine Ausrüstung besteht aus einer 4wt Rute in der Länge 9 – 10 ft (2,75 – 3,05 m) mit einer mittleren bis schnellen Aktion. Zur besseren Präzision meiner Würfe verwende ich bevorzugt eine Double Taper (DT) Schnur. Danach blende ich alle Gedanken aus und bleibe konzentriert, aber entspannt. In den Gebirgs- und Braunwasserflüssen meiner Heimat der Yorkshire Dales finden sich die selben Nymphengruppen, wie sie auch Frank Sawyer am Wiltshire Avon vorfand. Man könnte sie auch als die klassischen Vertreter bezeichnen – Large Dark Olive (Baetis rhodani), Medium Olive (B. vernus), Iron Blue (B. niger), Pale Watery (B. fuscatus) und Blue-Winged Olive ( Serratella ignita). An unseren schnell fließenden, steinigen Gewässern treffen wir jedoch auch auf andere Gruppen, die Sawyer am Kreidefluss Avon nie oder nur selten vorgefunden hatte. Steinklammerer – die Nymphen der Heptageniidae Familie (Heptagenia, Rhithrogena and Ecdyonurus). Zusätzlich kommt die Yellow May (Heptagenia sulphurea) in riesigem Ausmaß vor, die Large Brook Dun (Ecdyonurus torrentis) ist gut vertreten und die Autumn Dun (Ecdyonurus dispar) in akzeptablem Ausmaß. An manchen Flüssen stoßen wir auf Olive Uprights (Rhithrogena semicolorata) in wahrlich biblischer Intensität.
Alle diese Vertreter weisen sehr eindeutige Nymphenformen auf – mit breiten flachen Köpfen und Beinen wie ein russischer Gewichtsheber. Zu bestimmten Zeiten stehen diese bevorzugt auf dem Speiseplan, wie meine Fischobduktionen ergaben. Speziell die dralle Yellow May Nymphe. Mir wurde schnell klar, dass ich dieses Science-Fiction-artige Aussehen imitieren musste. Also machte ich mich auf die Suche nach einer Musteranleitung. Zu meiner Überraschung fand ich tatsächlich eine Vorlage für eine March Brown Nymphe – eine Rhitrogena Steinklammerer Nymphe – in A Dictionary of Trout Flies (A. Courtney Williams 1949). Diese Vorlage war aber ein Witz … Nicht viel mehr als eine grob gedubbte, etwas pummeliger gebundene Hare’s Ear Nymphe. Der sehr eindeutige und charakteristische Umriß durch den flachen, breitgedrückten Kopf wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Also machte ich mich weiter auf die Suche, konnte aber kein existierendes Nymphenmuster finden, welches nur annähernd den in meinen Gewässern vorherrschenden Nymphen entsprach. Die Einsicht machte sich breit, ich müsste mir selbst helfen und ein Design entwerfen.
Meine Auswahl an Nymphenmustern wuchs beständig und die Nachahmungen wurden von Mal zu Mal fängiger. Es dauerte nicht lange, bis mein Bindestil einige Fliegenfischer und –binder vergrämte. Mir wurde vorgeworfen, für Sammler zu binden und nicht für Fischer. Showbinden wurde mir vorgehalten und der Vorwurf wurde in den Raum gestellt, dass realistische Fliegen keine Fische fingen. Schwachsinn – damals wie heute! Meine Nymphen sind für die Fischerei gedacht und verglichen mit den natürlichen Vorbildern sind sie einzig eine Karikatur. Das einzige, worauf ich Wert lege, sind Form, Größe und Farbe … in genau dieser Reihenfolge. Um ehrlich zu sein, lege ich sogar auf Farbe wenig wert und so lange die Schattierung nur irgendwie hinkommt, gebe ich mich zufrieden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Forelle und Äsche nicht so genau auf Farbe achten. Anfangs benutzte ich, wie die meisten Fliegenbinder, Dubbing unterschiedlicher Herkunft. Doch wie Fliegenbinder der Vergangenheit strebte ich nach mehr Durchsichtigkeit meiner Fliegen. Somit experimentierte ich anfangs mit Gummibändern und Streifen von Luftballons … danach erst kamen Plastiktüten auf. Für den Anfang waren diese in Ordnung, auch wenn das Plastik zumeist zu dünn war und sich die gewünschte Körpersegmentierung nur schwer umsetzen ließ. Als ich dann bei Baumärkten auf dickeres Platisk gestoßen bin, schien meine Suche nach geeignetem Körpermaterial endlich vorbei. Das dickere Plastik konnte man herrlich in dünne Streifen – oder andere Formen – schneiden und einfach über einen bereits gedubbten Körper legen. Diese Technik erzielte genau den gewünschten Effekt der Körperdurchsichtigkeit meiner Nymphen. Dieses Material wurde bald zu einem Fixpunkt vieler meiner frühen Experimente. Einen meiner ersten Erfolge konnte ich mit einer von mir entworfenen Version eines Gammarus-Krebs erzielen. Eine naturgetreue Nachahmung der Olive (Baetidae) Nymphe stellte sich schon als schwieriger heraus. Das dicke, klare Plastik erschien mir nicht richtig. Ein täuschend ähnlicher, konisch zulaufender Körper mit deutlicher Segmentierung war einfach zu realisieren. Die Nymphe sah trotzdem nach durchsichtigem Plastik aus. Ich experimentiert mit farbigen Plastiktüten, doch deren Farbe war an der Oberfläche angebracht und sehr dicht und erzeugte nicht den erwünschten durchsichtigen Effekt. Dann versuchte ich, die Tüten selbst zu färben. Zwecklos, wie ich bald festellen musste. Wasserfeste Stifte probierte ich auch aus und das erzielte Resultat war befriedigend, wenn auch nicht berauschend. Markerstifte aus der Zeit waren noch immer enttäuschend und die Farbe wusch früher oder später aus.
Die Suche nach geeignetem Plastikkörpermaterial nahm endlich in den 1980er Jahren ein Ende als ich zur berühmten holländischen Fly-Fair eingeladen war. Ich erinnere mich nicht genau, welches Muster ich band. Plötzlich stand ein großer, bärtiger Mann mit Zigarre im Mund vor mir, drückte mir ein Päckchen in die Hand und murmelte nur: „Vergiß den Plastikkram – nimm das hier“, bevor er ebenso schnell wieder verschwand. Der Typ war der jetzt bereits verstorbene Hans P.C. DeGroot. Der mit Sicherheit prominenteste holländische Fliegenbinder, der später zu einem guten Freund wurde. Das mysteriöse Päckchen enthielt eine Auswahl recht dicker, transparenter Plastikstreifen in einer Auswahl an natürlichen Farben, inklusive sechs wundervollen Olivtönen. Flexibody hieß das Wundermaterial und meine Suche hatte ein Ende. Die Entdeckung dieses Materials bescherte meinen Bindekünsten und meinem Nymphen- und Larvendesign einen Quantensprung. Ich verwende kein anderes Plastikmaterial mehr und konnte noch keines entdecken, dass der Qualität von Flexibody nahe kommt.
Meine Nymphen zu beschweren, stellte sich auch als problematisch heraus. Anfangs war ich besessen davon, ausreichend Beschwerung in meine Muster einzubinden, um diese schnell an den Grund zu befördern. Also begann ich damit, den Auswuchs des Brustkörpers mit feinem Bleidraht bis zum Beginn des Unterleibs zu winden. Das Ergebnis war fürchterlich – fettleibige Olive Nymphen! Bleidraht war ungeeignet für diese schlanken Nymphen, beschloss ich. Nach und nach wurde mir bewusst, dass ich wochenends genau das Material wegwarf, um dem schlanken Nymphenkörper etwas Gewicht zu verleihen – die dünne Folie einer Weinflasche. Flachgedrückt und in 1,0 – 1,5 cm breite Streifen geschnitten war dieses Material nahezu ideal. Damit konnte ich glatte, eiförmige Brustkörper bilden und mit ein oder zwei Windungen konisch zum Hinterleib übergehen. Später kamen klebende Bleifolien hinzu, die viel Zeit ersparten. Noch viel später ergänzten Tungstenperlen mit einem Durchmesser von 1,5 bis 2,0 mm meine Materialsammlung. Eine 1,5 mm Perle oder zwei an der Thoraxposition eines 16 Nymphenhakens befestigt und spärlich mit Dubbing bedeckt, ergibt eine schwerere Nymphe, ohne das dadurch die schlanke Form des natürlichen Vorbilds verloren geht. Somit habe ich nun eine Reihe an Nymphen unterschiedlicher Sinkgeschwindigkeit … mit Bleifolie oder ein oder zwei Tungstenperlen. Seit vielen Jahren habe ich nun Vertrauen, mit einer kleinen Palette an Nymphen für meine Anfordernisse gerüstet zu sein.
- # 14, 16 Baetis Nymphe (Large Dark Olive/ Medium Olive, etc.)
- # 18, 20 Baetis Nymphe (Pale Watery)
- # 16, 18 Serratella Nymphe (BWO)
- # 10, 12, 14 Heptagenid Nymphe (allgemeines Muster für alle Familien, Gattungen und Arten)
- # 16, 18, 20 schwarze und dunkelbraune Steinfliegen Nymphe (Willow and Needle Fly)
- # 12, 14 Yellow Stonefly Nymphe (Yellow Sally)
Ich trage auch unterschiedliche Gammarus-Imitationen in den Größen 14, 12, 10 mit mir rum und muss gestehen, dieses Muster auch in einigen Reizfarben an mir zu haben. Pink z.B., wofür große Äschen eine besondere Vorliebe haben. Einige davon sind für tiefe, starke Läufe mit Bidoz-Tungstenkörpern wirklich stark beschwert. Das umfasst meine „Nymphen-Bank“ und über die Jahre haben mich diese Muster nicht im Stich gelassen. Nun höre ich bereits Euren Aufschrei: „Aber Oliver, wo sind Deine Kopfperlen-Nymphen? Verwendest Du keine Muster mit Gold- oder Tungstenköpfen?“ Natürlich kenne ich diesen Fliegentyp und gelegentlich verwende ich sogar eines dieser Muster. Ich besitze sogar eine kleine Fliegendose mit Kopfperlen-Nymphen – zumeist kleine, schlanke Wettbewerbsnymphen in der Größe 14 – 16 mit 1,5 – 2,0 mm großen Tungstenköpfen. Vor vielen Jahren noch benutzte ich Kopfperlen-Nymphen, als diese erstmals auf den Markt kamen. Damals waren die Perlen noch aus Messing und verglichen mit heutigen Modellen waren diese sehr groß (4 und 5 mm). Wettkampffischen ist mir auch vertraut und der Bedarf, Nymphen schnell an den Grund zu befördern, ist mir bekannt. Auch ich habe für England in Weltmeisterschaften gefischt – kenn ich, weiß ich, war ich schon! Aber Wettkampffischen ist nicht alles, auch wenn dieses sehr aufregend sein kann. Mit imitativen Nymphen in Sawyers klassischem Stil zu fischen, ist mit Sicherheit für die Mehrheit der heutigen Fliegenfischer aus der Mode gekommen. Ohne Zweifel sind Metallperlen und die unterschiedlichen Short Line-Nymphentechniken dafür verantwortlich zu machen. Die Muster sind schnell und leicht zu binden. Sie sinken rasch und halten sich gut in der Tiefe. Darüberhinaus ziehen sie Fische an. Wenn auch nicht immer, dann doch oft genug für die meisten Nymphenfischer. Sehe ich mir heutzutage Nymphenboxen anderer Fliegenfischer an, so ist es eine rare Ausnahme, Nymphenmuster ohne Kopfperlen zu entdecken. Eine Reihe unter der anderen mit Goldkopf – oder Tungstenmustern. Und um ehrlich zu sein – diese Muster repräsentieren keinen natürlichen Organisamus, sondern fungieren als Reiznymphen. Wie es im Moment aussieht, sind die Tage Skues und Sawyers und deren Form des imitativen Nymphenfischens in den Hintergrund geraten. Sawyers Pheasant Tail Nymphe wurde weiter entwickelt, man könnte auch sagen entstellt und weist heutzutage nur ganz, ganz selten keinen Gold- oder Tungstenkopf auf. Der am häufigsten dafür genannte Grund oder Ausrede ist, dass Fliegenbinden, um zu imitieren, zu schwer und zu zeitraubend sei! Letztendlich zählt jedoch nur, wofür sich jeder Einzelne begeistern kann. Zieht man Genugtuung aus dem Wissen, einen Fisch überlistet zu haben, der davon ausging, nach etwas zu schnappen, das er für echte Nahrung hielt? Oder erfährt man genau soviel Freude an einem Fisch, der es nicht lassen konnte, sich zum Zubeißen reizen zu lassen? Der Unterschied zwischen beiden Erfolgsfaktoren ist beachtlich. Wenn Fliegenfischer zu 100 % auf Kopfperlennymphen zurückgreifen, die in fast keinem Aspekt dem natürlichen Vorbild gleichen und deren Erfolg der Reizwirkung dieser Fliegen zu verdanken ist, werden sie kein Verständnis dafür entwickeln, was sich unter ihren Watschuhen abspielt. Wahrscheinlich nicht! Aber wahrscheinlich dürfte es ihm oder ihr egal sein. Die Rute krümmt sich unter dem Zug eines Fisches und einzig darauf kommt es an. Für den Wettkampffischer darf oder sollte es sich sogar um nichts anderes drehen. Und trotz all der modernen Ablenkungen bevorzuge ich nach wie vor imitativ zu fischen. Nennt mich altmodisch oder von gestern. Ich weiß, dass die oben genannten Muster, korrekt im abgewandelten Sawyer-Stil gefischt, Forelle und Äsche überall dort verführen werden, wo die natürlichen Vorbilder auftreten. Nicht nur an Braunwasserflüssen, sondern auch an Bächen und Flüssen des Alpenvorlands wie auch an Kreideflüssen. Überall!
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.
Titel: Nymphenfischen – Geheimnisse entlarvt
Autoren: Tankred Rinder, Alexander Keus, Sven Ostermann
Verlag: Forelle & Äsche Verlag
ISBN: 978-3981856606
Verlagslink: http://www.nymphenfischen.com/screen/product
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„Soll es richtig werden, mach es selbst“:
https://www.forelleundaesche.com/2016/12/19/buch-nymphenfischen-geheimnisse-entlarvt-veroeffentlichung/
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https://krautjunker.com/2017/10/19/historie-des-nymphenfischens/
https://krautjunker.com/2017/07/12/nymphenfischen-geheimnisse-entlarvt/
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