von Dominik Jahn, 42 Jahre
Strategic Key Account Manager
Lieblingspilz: Steinpilz
Was ist Luxus für mich? Natürlich, große Häuser sind schön, Autos sind ein wunderbarer Zeitvertreib, aber nach was sehne ich mich wirklich? Es sind drei Dinge, die für mich immer mehr an Bedeutung gewinnen: Zeit, Ruhe und Platz.

Diese drei Faktoren sind das natürliche Gegengewicht zu meinem stressigen Job. Überhitzte Meetings, ständiges Reisen, Schlange stehen am Flughafen, das Warten am Caféautomaten im Großraumbüro. Meinen Luxus finde ich im Wald. Der Forst gibt mir Freiraum und Platz. Zum einen die räumliche Weite, die die Augen entspannt, zum anderen den Luxus, alleine zu sein und Raum zum Durchatmen zu finden, Platz zu haben, um Gedanken ziehen zu lassen. Die ruhevolle Atmosphäre des Waldes strukturiert das Chaos in meinem Kopf, ordnet meine Gedanken, ohne dass ich sie aktiv beeinflusse, und löst Spannungen.

Der Wald hat für mich eine einzigartige Gabe: Er ist eine Zeitmaschine. Ein bestimmter Geruch, ein Knacken im Unterholz – und ich bin wieder in meine Kindheit zurückversetzt. Auf meinem Schulweg gab es damals am Waldrand eine Holzhütte, an der ich jeden Tag vorbeikam. Ich war der festen Überzeugung, hier würde eine böse, alte Hexe wohnen, die es auf mich abgesehen hat. Getrieben von der Angst vor ihr rannte ich jedes Mal, so schnell mich meine Füße tragen konnten, nach Hause. Noch heute spüre ich für einen kurzen Moment diese Urangst, die ich als kleiner Junge durchlebt habe, wenn im Wald eine Hütte oder eine verfallene Unterkunft vor mir auftaucht. Diesen kurzen Augenblick genieße ich eindringlich. In meiner Familie kennen wir alle dieses Gefühl und haben dafür den Begriff „Angstlust“ entwickelt. Ein sehr schönes und treffendes Wort, das impliziert: „Hör auf, aber gib mir mehr davon!“
Im Herbst entspanne ich im Wald am liebsten beim Pilzesammeln. Dabei kann ich mich voll und ganz auf die Suche fokussieren und den Alltag vergessen. Das Sammeln ist ein regelrechter Sport für mich. Ich sammle keine Pilze, ich jage und fange sie. In dieser Jahreszeit streife ich bei jedem Wetter durch den Wald. Die Vielfalt an Pilzen begeistert mich immer wieder aufs Neue. Ich freue mich über jeden Fund und genieße die Ruhe in meinem „Jagdrevier“.
„Das Sammeln ist ein regelrechter Sport für mich.
Ich sammle keine Pilze, ich jage und fange sie.“
Mit Wäldern assoziiere ich nicht nur Ruhe, sondern auch eine tiefgreifende emotionale Aura. Als mein Bruder nach langer Krankheit verstarb, haben wir als Familie gemeinsam beschlossen, dass er in einem Friedwald beigesetzt wird. Der Gedanke, dass sich damit der natürliche Kreislauf schließt, ist für mich versöhnlich und spendet mir Trost. Ist es nicht ein schöner Gedanke, dass wir alle irgendwann wieder zu einem Teil der Natur und des Waldes werden? Der Tod gehört zum Leben, genauso wie der Wald und die Natur zu unserem Leben gehören.

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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

Titel: Into the Woods: Pilze suchen und Glück finden
Autor und Fotograf: Moritz Schmid (https://www.moritz-schmid.com/#/)
Verlag: Prestel Verlag
Verlagslink: https://www.randomhouse.de/Buch/Into-the-Woods-Pilze-suchen-und-Glueck-finden/Moritz-Schmid/Prestel/e554903.rhd
ISBN: 978-3791385594
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