Nordforest Hunting Jagd-Gummistiefel Hubertus Neo

Produktvorstellung von Thomas Emmert

Ich hatte eine harte Kindheit. Das bleibt, so ganz ohne Bezug, natürlich ein pauschalapologetisches Statement der beliebigen Art. Und abgesehen von dieser einen Sache mit den Gummistiefeln ist es auch eine blanke Lüge. Aber wenn ich ein Kindheitstrauma habe, dann Gummistiefel. Gummistiefel verstehe ich nicht. Habe sie nie verstanden. Doch seit dem Tag, an dem der Gummistiefel als obligatorische Grundausstattung für den Beginn eines neuen Lebensabschnittes in einem deutschen Kindergarten auch in mein Dasein trat, hadere ich mit ihm. Gut, es gibt Schlimmeres. Doch wenn winzige Romikas mit aufgedruckten Entchen und Fröschen, in quietschbunten Farben, aufgereiht in langen Regalen im Eingangsbereich Eltern, die ihre Sprösslinge morgens leicht gestresst zur Tagesbetreuung abliefern vielleicht einen kurzen Moment kindlicher Freude, Erinnerungen an fröhliche Herbsttage draußen und unbeschwertes Toben im Sommerregen auf die kortikale Folie zaubern, so sind meine Assoziationen nasse, kalte, oder, sommers, feuchtschwitzige Füße. Ende des romantischen Ansatzes. Strümpfe oder Socken sind in meinem Horrorszenario als Katalysatoren der Pein noch gar nicht berücksichtigt.

Meine Gummistiefel waren immer und grundsätzlich zu klein. Oder zu groß. Sie passten vorne nicht. Sie passten hinten nicht. Ein richtiger Schuh in dem Sinne, dass er den Fuß schützt, war der Gummistiefel für mich nicht. Mir ist bis heute nicht klargeworden, welchen Zweck er erfüllen sollte. Trockene Füße? Sicher nicht: Kindergummistiefel haben eine Schafthöhe zwischen 11 cm (in den Größen 19-21) und 15 cm (in den Größen 28-30). Ich habe das recherchiert! Das ist etwa der Bereich, in dem es für den kindlichen Forschergeist überhaupt erst interessant wird, die wahren Tiefen einer Pfütze auszuloten. Ich lernte: In Gummistiefel läuft das Wasser immer oben rein und Gummistiefel sind von innen wie von außen dicht. Und: Was warmhält, hält auch Kälte. Und Nässe. Und so kommen Socken und Strümpfe nun doch ins Spiel.

Ich lernte schnell und die Relevanz des Überprüfens der Tiefe von Wasseransammlungen auf Wegen vermittels Eintauchen körperferner Gliedmaßen nimmt rapide und sowieso mit zunehmendem Alter ab. Die Welt bot täglich Neues, auch abseits pfütziger Pfade. Meine Jugend und jungen Jahre verlebte ich überwiegend im urbanen, städtisch gepflegten Raum. Dementsprechend spielten Gummistiefel lange keine Rolle mehr in meinem Leben. Für verschneite Tage und Landpartien hatte ich ein Paar Schweizer Armeestiefel und niemand zwang mich vor die Tür. Ich war froh, dass mein Berufsleben weder gelbe, weiße noch schwarze Gummistiefel mit sich brachte, ich lebte ein glückliches, gummistiefelloses Leben, brach bisweilen keck-nonchalant mit brown in town, pflegte meine Ledersohlen und fand Wege, Pfützen zu umgehen.

Nie hätte ich gedacht, dass ein Gummistiefelkindheitstrauma in meiner zweiten Lebenshälfte noch einmal eine Rolle spielen würde. Und doch, wie so oft, holen einen die Geister der Vergangenheit, die man hinter sich gelassen glaubte, ein. Die Zeiten ändern sich, und nos in illis, oder, um es mit dem Griechen zu sagen: Niemals springt man zweimal in dieselbe Pfütze.

Wieder ging es um die obligatorische Grundausstattung zu Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Meine Frau und ich fanden uns also kurz nach Bestehen der Prüfung und noch vor dem Lösen unseres ersten Jagdscheines im Verkaufsraum eines Jagdausrüstungsgeschäftes im Kölner Westen ein, wild entschlossen, die Garderobe um Feld-, Wald- und Wiesentaugliches zu erweitern und ergänzen.

Und plötzlich war er wieder da, in grün, in braun, neoprengefüttert oder bar: Der Gummistiefel. „Jaja, macht ja schon irgendwie Sinn“, dachte ich mir damals. „Ja, neeeee!“, lehrte mich das Leben, erneut: „Passen vorne und hinten nicht!“ Eine Erkenntnis, die mich beim Anprobieren in den profanen Räumen eines Jagdausstatters epiphanisch überkam: Wir mögen uns ändern. Die Zeiten mögen sich ändern. Die kosmische Konstante scheint zu sein: Gummistiefel sind mir grundsätzlich zu klein. Oder zu groß.

Ich war als Kind bereits durchschnittlich gebaut, durchlief mit zwei gesunden Füßen adoleszierend mehrere Schuhgrößen bis ich bei der 42,5 nicht mehr weiterwachsen wollte. Damit bin ich noch immer durchschnittlich, damit komme ich klar. Englische Größe 8,5, US-Größe 9,5 geht eigentlich immer. Bergschuh und Maronibräter eine bzw. eine halbe Nummer größer, bitte. Passt schon. Bertl eine halbe Nummer kleiner. Ich komm schon klar, in Feld und Wald.

Doch als nach einem nassen Sommer die irischen Stiefel im Wert eines gebrauchten Kleinwagens mit zwei Monaten Rest-Tüv dann inmitten einer dänischen Novemberwiese, in der die Fasane eigentlich schwimmen mussten, trotz Gore-Tex und Dry-Fast-Leather schlimme Kindheitserinnerungen heraufbeschworen, nasse Füße, nasse Socken, war das Maß voll. Es muss doch bitte auch wirklich und unendlich wasserdichte Stiefel geben.

Mittlerweile wohnen wir fernab der großen Magazine. Und die hatte ich ja auch schon vor Jahren annähernd durch. So fing ich – verzweifelt, forschend – an, nicht im Laden vorgehaltene Modelle im Internet zu bestellen. Kam so zu eher exotischen Modellen. Und irgendwie hab ich den Zalando-Effekt versemmelt. Ich meine nicht das mit dem Kreischen. Ich meine das mit der Retoure auf anderer Leute Kosten: Hier stehen mittlerweile fünf Paar Gummistiefel. In 42, 43 und 275. Alle meine. Ich hoffte noch, dass sich der Mechanismus des Eintragens auch auf Gummistiefel anwenden ließe. Da gewöhnt sich aber der Fuß an den Schuh, nicht umgekehrt. Für die kleine Hunderunde und die täglichen Arbeiten im Garten genügen alle.

Abb.: Ein paar Gummistiefel; Bildquelle: Thomas Emmert

Aigle, Hunter, Muck, Chameau. Tretorn, Nokian sowieso: Ich hatte sie alle!“ Möchte gern weltmännisch nachts um drei als letzter Gast am Tresen der Bar eines kleinen Hotels einer großen Stadt voller Einsamkeit diesen Satz dem Empathie heuchelnden Barkeeper, nennen wir ihn Karl, zuraunen. Zunächst verschlagen weise im Stil eines Christoph Waltz. Mit einer großen weltverwischenden Geste. Dann meine Beine auf die Theke schwingen und im Brustton des alkoholgestützten Weltschmerzes wissend wie Juhnke: „Alle! Alle! Alle!“ lallend auf meine Nordforest Stiefel zeigen: „Aber die da! Die!“

Abb.: Die Da?!?; Bildquelle: Thomas Emmert

Vielleicht mach ich das irgendwann. Und dann sagt Karl knapp: „Jaja. Einen noch?“ Und vielleicht sitzt der KRAUTJUNKER auch in dieser Bar, klimpert leise ein paar Takte Tanzmusik auf dem verlassenen Klavier in der Ecke und ruft etwas wie: „Sach ich doch!“ herüber. Und dann prosten wir uns zu und über leeren sündhaft teuren Schnaps aus Schottland.

Dank seines – KRAUTJUNKERs – Hinweises nämlich habe ich mich mal an die Stiefel dieser Marke herangetraut. Das hervorstechendste Merkmal in meinen Augen: Sie kommen AB WERK zu klein daher. Sie sind also in der 43 perfekt für 42,5. Für wirklich dicke oder zwei Paar Socken müsste man dann wieder auf den Mechanismus des sich anpassenden Fußes zurückgreifen. Aber der Nordforest Hunting Jagd-Gummistiefel Hubertus Neo, wie er offiziell geführt wird, protzt, Neo eben, mit 4-mm-Neoprenfutter. Und das hilft schon. Da reichen normale Wollsocken völlig. Und wenn es richtig eisekalt ist wird das Verhältnis von Gummistiefel zu Wasser rein physikalisch auch eher religiös: Man kann darüber hinweggehen. Dass die Nordforest AB WERK zu klein sind, würde natürlich niemand zugeben, bei Nordforest. Angeblich entspricht der Nordforest Hunting Jagd-Gummistiefel Hubertus Neo in Größe 43 der UK 9, der Katalog des Verkäufers gibt die Fußlänge in Millimeter mit 270-276 an. Das mag so sein, ich nahm nicht Maß. Jetzt ist das mit den Größentabellen der Hersteller und den Umrechnungstabellen aber so eine Sache. Darüber müsste man einen eigenen Text verfassen, hätte das nicht schon mal jemand erledigt und seine Erkenntnisse bei Wikipedia eingestellt. Wer also wissen will, warum man um das Aus- und Anprobieren nicht herumkommt, der sei dahin verwiesen. Und wenn es über den Nordforest Hunting im Katalog heißt, er sei durch seine „gute Passform komfortabel zu tragen“, so kann zumindest ich dem zustimmen: Er sitzt am Fuß ein wenig saugender als alle anderen bei mir oder beim Händler stehenden Modelle, die ich probiert habe. Für Spaß und diesen Beitrag hier habe ich mir ein getragenes Modell angesehen. Da muss man leider feststellen, dass die Aigle meiner Frau besser durch die Jahre gekommen sind, obwohl sie auf der Jagd und draußen fast nur noch ihre Parcours trägt.

Abb.: Der Zahn der Zeit; Bildquelle: Thomas Emmert

Mir waren die Aigle zu weich. Was nicht heißt, dass der Nordforest zu hart sei. Er schmiegt sich allerdings im Fersen und Knöchelbereich meinem Fuß besser an, erweckt so den Eindruck eines echten Schuhs und gibt mir Halt. Im Schaftabschluss soll eine verstellbare Schnalle diesen Effekt noch unterstützen, mit Hosenbein und Strümpfen war das bei mir aber nicht nötig. Trotzdem kommt man dank Reißverschluss gut rein und auch wieder aus dem Stiefel, ohne Knecht und Strümpfewiederanziehen. Halt gibt auch das gefällige All-Terrain-Profil an einer vergleichsweise stabilen Sohle: Man spürt nicht jeden Kiesel.

Abb.: Links oben der Nordforest; Bildquelle: Thomas Emmert

Von den Stiefeln, die ich getestet habe, hat lediglich der Designer der Tretorns mitgedacht und an der Ferse eine Art keilförmige Verstärkung eingebaut, mit der man beim Ausziehen mit oder ohne Stiefelknecht das Gummi der Ferse schadfrei hält.

Abb.: Klare Kante: Tretorns Abtreter; Bildquelle: Thomas Emmert

Dieses Feature wünschte ich mir als Standard bei allen Gummistiefeln. Soweit zur Form. Was die Funktion angeht: Ja, er ist wasserdicht. Bis zum Erreichen der Schafthöhe, die bei 38 cm liegt. Das reicht mir. Der Nordforest wird in Rumänien hergestellt, das spricht zumindest nicht gegen ihn, ist in den Größen 37–48 erhältlich und wird nicht gegendert: Eine Umrechnung von Herren- und Damengrößen ist nicht vorgesehen. Dafür gibt es auf der Webseite des Verkäufers einen Größenberater (Schuhe Herren dt.) mit Fußlängenangaben per Größe im 6-mm Varianzbereich. Und, wie weiter oben ausgeführt, man ahnt es schon, es hilft alles nichts: Es geht Probieren über Studieren. Sicher, wenn es um Gummistiefel geht.

Abb.: Komm, wir springen mit Gummistiefeln durch Pfützen und animieren das Federvieh!

Produktquelle: https://www.grube.de/p/nordforest-hunting-jagd-gummistiefel-hubertus-neo/P93-393/

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Am 13. November 2022 schrieb Thomas E. Emmert in der Facebook-Gruppe dieses Blogs:
„So. Ich hab sie alle durch. Ich bin am Ende. Nokias. Tretorn. Aigle. Chameau. Dunlop.
Was bleibt. Ich trage sehr genau die 42.5/8,5. Die 42er sind mit IMMER zu klein. Und die 43er laufen sich wie Flip-Flops. Und oder oder fressen Socken. Egal welche. Die Tretorn drehen mir sogar die Hosennaht von innen nach außen. Ich hab als Kind schon Romikas gehasst. Die Dubarrys passen gut, wenn ich sie in 44 nehme, laufen sich auch ok, sind aber nach einer Saison (zum wiederholten Male!) nicht mehr nur durchaus lässig sondern einfach nur noch durchlässig.
Bin kurz davor mir Stomils zu kaufen. Hunter fehlt mir noch.
Ariat gibts wohl in halben Größen, aber soweit ich es verstanden habe.. . sind das Reitstiefel.
Kennt wer Arxus?
Brauche den ultimativen Tipp für Wellies. Go!“

Im Laufe der sich anschließenden Kommentar-Flut (Passende Ausrüstung für das Landleben ist unter uns ein Dauerthema) empfahl ich ihm meine Nordforest Hunting Jagd-Gummistiefel Hubertus Plus, die sich beim Austernsammeln im Wattenmeer bewährten.

Probleme mit der Größe hatte ich keine, obwohl ich eher schwierige Füße habe.
Thomas erwarb seine Nordforest Hunting Jagd-Gummistiefel Hubertus Neo auf eigene Kosten. Er erhielt für diesen Beitrag von der Grube KG weder materielle noch finanzielle Zuwendungen oder gar inhaltliche Vorgaben. Was bleibt sind der unsterbliche Ruhm und endlich trockene Füße in passenden Gummistiefeln.

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Thomas E. Emmert

Thomas E. Emmert. Jahrgang 1968. In der Kurpfalz geboren. Vom Rheinland geprägt. Reifend in Salzlandkreis. Ein Leben am Fluss. Studium der Indogermanistik. Berufliches Toben auch als Dozent und Dramaturg. Heute verantwortlich für Haus, Hof, Hund und Hühner.

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Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

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