Der Phäake

am

von Josef Weinheber

Ich hab sonst nix, drum hab ich gern
ein gutes Papperl, liebe Herrn:
Zum Gabelfrühstück gönn ich mir
ein Tellerfleisch, ein Krügerl Bier,
schieb an und ab ein Gollasch ein,
(kann freilich auch ein Bruckfleisch sein),
ein saftiges Beinfleisch, nicht zu fett,
sonst hat man zu Mittag sein Gfrett.
Dann mach ich – es is eh nicht lang
mehr auf Mittag – mein‘ Gesundheitsgang,
geh übern Grabn, den Kohlmarkt aus
ins Michaeler Bierwirtshaus.
Hin Hühnersupperl, tadellos,
ein Beefsteak in Madeirasoß,
ein Schweinspörkelt, ein Rehragout,
Omletts mit Champignon dazu,
hernach ein bisserl Kipfelkoch
und allenfalls ein Torterl noch,
zwei Seidel Goß – zum Trinken mag
Ich nicht viel nehmen zu Mittag –
ein Flascherl Gumpolds, nicht zu kalt,
und drei, vier Glaserl Wermuth halt.

Damit ichs recht verdauen kann,
zünd ich mir ein Trabukerl an
und lehn mich z’rück und schau in d‘ Höh,
bevor ich auf mein‘ Schwarzen geh.
Wann ich dann heimkomm, will ich Ruh,
weil ich ein Randerl schlafen tu,
damit ich mich, von zwei bis vier,
die Decken über, rekreier‘.
Zur Jausen geh ich in die Stadt
und schau, wer schöne Stelzen hat,
ein kaltes Ganserl, jung und frisch,
ein Alzerl Käs, ein Stückl Fisch,
weil ich so früh am Nachmittag
nicht schon was Warmes essen mag.
Am Abend, muß ich Ihnen sagn,
eß ich gern leicht, wegn meinen Magn,
Hirn in Aspik, Kalbsfrikassee,
ein kleines Züngerl mit Püree,
Faschierts und hin und wieder wohl
zum Selchfleisch Kraut, zum Rumpsteak Kohl,
erst später dann, beim Wein zur Not,
ein nett garniertes Butterbrot.
Glauben S‘ nicht, ich könnt ein Fresser wern,
ich hab sonst nix, drum leb ich gern,
kein Haus, kein Auto, nicht einmal
ein G’wehr im Überrumplungsfall.
Wenn nicht das bissei Essen wär – –

*

Aus der Sammlung Wien wörtlich

Bedeutung Phäake laut Wiktionary:

[1] bildungssprachlich: im übertragenen Wortsinn gleichbedeutend mit jemanden, der einem sorglosen, genussfreudigen Lebensstil frönt
[2] Angehöriger eines Volkes in der griechischen Mythologie



*

Josef Weinheber

Josef Weinheber wurde in Wien geboren und war Zögling des Hyrtl’schen Waisenhauses in Mödling. Zunächst war er Gelegenheitsarbeiter, in den Jahren 1911 bis 1932 Postbediensteter und ab 1919 Mitarbeiter der Muskete. 1920 erschien sein erster Lyrikband Der einsame Mensch. Trotz seiner Bewunderung für Karl Kraus suchte er seine literarischen Vorbilder nicht in der Gegenwart, sondern in klassischen Oden, Hymnen, Terzinen und Sonetten.

Von 1931 bis zu deren Verbot 1933 war Weinheber Mitglied der NSDAP, von der er sich Unterstützung für seinen „Kampf“ als Künstler erwartete. Mit seinen sprachlich wie formal beeindruckenden Gedichten Adel und Untergang (1934) avancierte er zu einem der angesehensten Lyriker der Zeit, populär wurde besonders der teilweise im Wiener Dialekt verfasste Band Wien wörtlich (1935). Von 1936 bis 1945 lebte er in Kirchstetten.

Heroische Metaphysik und die Opferrolle des Dichters bestimmten unter dem Nationalsozialismus sein künstlerisches Schaffen. Körperlich und seelisch durch Alkoholismus zerrüttet, beging Weinheber beim Herannahen der Roten Armee in seinem Kirchstettner Landhaus Selbstmord. Eine Weinheber-Gedenkstätte mit einem Weinheber-Archiv befindet sich heute in diesem Landhaus. Unter der Sonnenuhr am Gerichtsgebäude von Neulengbach erinnern folgende Worte an den Dichter:

Es schlägt das Herz
der Schatten rückt.
Was heute glückt
ist morgen Schein.
Bezwing die Zeit
um Mensch zu sein.

Quelle: https://www.gedaechtnisdeslandes.at/personen/action/show/controller/Person/person/weinheber.html

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titelbild: Rudolf Matthias Pichler (* 17. September 1874 in Urfahr, Österreich-Ungarn; † 25. November 1950 in Wien)

Bildquelle: http://www.ottogreiner.com/rudolfpichler1903.html


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