Der mystische Weg zur Steinpilzbutter

Der Weg

Die Tragödie des Menschen besteht darin, dass er zum Denken erzogen wird, aber nur glücklich ist, wenn er nicht denkt und sein Geist vollständig in einer Tätigkeit versinkt, über die sein Gehirn vergisst, unentwegt die eigene Vergangenheit zu analysieren und Zukunft zu planen. Über Jahrtausende erprobte Techniken hierzu sind beispielsweise, je nach Geschlecht, Alter, Kultur oder persönlicher Neigung: Tanz und Musik, Sex und Drogen oder Gebet und Yoga.

Ich sammele Pilze! Bei dieser noblen Passion vermeidet man Nachteile, wie Schwerhörigkeit, Geschlechtskrankheiten, soziale Stigmatisierung oder Sucht. Nein, Sucht nicht, denn die Hochstimmung, in die man gerät, wenn man mitten im Wald zwischen Pilzen steht und reiche Beute macht, ist hochgradig suchterregend und die Pilzsaison erstreckt sich vom Frühling bis in den Winter, sofern man sich nicht auf eine spezielle Sorte versteift, wie Hugh Hefner auf großbusige Blondinen.

Die Eindrücke, die uns der Duft von Holz und Erde, der Anblick des Waldes, das Zwitschern der Vögel und das Laubrascheln des Gefährten auslösen, wandern durch die Sinnesorgane in unsere Gehirne und lösen Gefühle reinen Glückes aus. So in etwa müssen Bienen empfinden, die in Honig versinken oder Touristen, die in Frankreich eine saubere öffentliche Toilette finden.

Der legendäre Evolutionsbiologe und Universalgelehrte Edward O. Wilson – nicht zu verwechseln mit dem großartigen Playboy-Cartoonisten Rowland B. Wilson – einer von nur zwei Menschen, die die höchste US-amerikanische Auszeichnung für Wissenschaften als auch für Literatur erhielten, vertritt die Ansicht, dass das dauerhafte Leben in den Städten für die Psyche des Menschen ungesund ist. Der Begründer der Biologie als Totalwissenschaft argumentiert, dass unsere Sinneseindrücke unser Denken formen und der Mensch über seine gesamte Evolution hin darauf ausgelegt ist, die Sinneseindrücke der Natur aufzunehmen. Das, was unser Auge, unsere Ohren und unsere Nasen in den Städten aufnehmen, führt mittelfristig zu Stress und Depressionen und auf die lange Sicht sogar dazu, es für „Qualitäts-Zeit“ zu halten, wenn man in Jogging-Hosen Fernsehen schaut und Kartoffelchips mampft.

Ich bin kein Wissenschaftler, aber alt genug um zu beurteilen, wie ich mich nach einem Tag im Verkehr der Großstadt oder einem Tag im Wald fühle. Und am großartigsten fühle ich mich, mit einem Korb voller Steinpilze. Der Steinpilz ist in Deutschland für den Sammler das, was der Rothirsch für den Jäger ist: ein seltenes Wild, eine heiß begehrte Trophäe und eine große Delikatesse. Die ganz Großen und Alten sind, wie die kapitalen Zwölfender, zwar nicht die Leckersten, aber offen gestanden ist das Imponiergehabe mit diesen Kaventsmännern und der Neid in den Augen der anderen Suchenden großartig. Moralisch aufgeklärtere Menschen als ich, mögen da „Schwanzvergleich“ murmeln, aber besonders lustig ist das Leben als denkender Mensch ja auch nicht, wie ich am Anfang dieser Zeilen ausgeführt habe.

Darüber, wie man die Steinpilze am leckersten zubereiten kann, gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. Da sie nicht so problemlos zu lagern sind, wie die meisten Nahrungsmittel, die wir verpackt und sterilisiert aus Supermarktregalen nach Hause schleppen, muss ein Großteil der Beute getrocknet werden. Schon bei dem Dörren im Backofen entfalten sie einen Duft, der die Götter zum Lachen bringt. Wer noch eine Nase besitzt, die riechen kann, mag gar nicht lüften und sitzt glücklich in den Pilzdämpfen, wie ein bedröhnter Kiffer in seinem Marihuanarauch. Die Möglichkeiten der Anwendung für Steinpilzbutter sind vielfältig und alle glückspendend. Man kann mit ihr Pasta, Omeletts oder Grillsteaks veredeln oder sie auch einfach auf leicht geröstetes Brot schmieren. Rein theoretisch könnte man auch seine(n) Liebste(n) damit einreiben und hinterher wie einen Lolli ablecken, aber so viele Pilze muss man erst einmal finden.

Das Ziel (Rezept Steinpilzbutter)

Zutaten

  • 15 g Steinpilze (getrocknet)
  • 75 bis 125 g weiche Butter (je nach Gusto)
  • 0 bis 2 TL Sherry
  • Salz
  • frisch gemahlener Pfeffer
  • 1 Spritzer Zitronensaft
  • evtl. 1 Spritzer Worcestersauße

Zubereitung

  1. Die Pilze mit 100 bis 125 ml kochendem Wasser übergießen und 1 Stunde einweichen.
  2. Die Pilze gut ausdrücken, den Sud mit einem Kaffeefilter oder Sieb mit Seihtuch gießen, auffangen und Pilze sehr fein hacken.
  3. Bei mittlerer Hitze 1 EL Butter in einer Pfanne erhitzen. Die Hitze reduzieren und die Pilze anbraten, bis sie anfangen, sich am Pfannenboden anzulegen und zu duften.
  4. Die abgeseihte Einweichflüssigkeit und den Sherry hinzufügen, und weiterbraten, bis die Flüssigkeit unter Rühren fast vollständig verkocht ist, die Pilze aber noch feucht glänzen.
  5. Vom Herd nehmen und ganz abkühlen lassen. Zum Finale Furioso die restliche Butter mit den Quirlen des Handrührers schaumig schlagen und den Pilzsud unterrühren. Mit Salz, Pfeffer, Sherry und evtl. etwas Worcestersauße abschmecken.
  6. Kalt stellen. Die Steinpilzbutter ehrfürchtig murmelnd aus dem Kühlschrank nehmen und wie ein Wolf darüber herfallen (oder vielleicht doch seinen Partner damit einschmieren?).

Dieser Text erschien bereits auf http://www.wernerkochtwild.de und wurde leicht überarbeitet.

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

 

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Christine sagt:

    Ich finde deine Texte einfach großartig, und danke für das Rezept. Werde allerdings ca 1kg davon herstellen müssen, um nur annähernd den Adoniskörpers meines Liebsten einzureiben. Oder denkst du, weniger wäre in diesem Fall mehr?

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    1. krautjunker sagt:

      Zögere nicht und mach es einfach, liebe Christine! Du wirst Dich noch auf dem Totenbett wollüstig erschaudernd an Deine verwegene Tat erinnern. Übrigens ebenso wie alle Leser dieses Weblogs, wenn Du so freundlich bist, mir ein Foto von Euch eingecremten Liebespaar zur Verfügung zu stellen. Hand aufs Herz, ich werde es hier veröffentlichen ohne dabei Rücksicht auf Anstand, Moral oder die Belange des Jugendschutzes zu nehmen.

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