von Holger Wilkening
Voraussetzungen in der Grundausbildung
Die gesamte AUSBILDUNG des Jagdhundes soll step-by-step erfolgen. Bevor wir unseren Hund gezielt für seine erste Schweißprüfung einarbeiten, muss der Grundgehorsam gefestigt sein. Hierzu gehören „Sitz“, Platz“, „Herankommen“, „Leinenführigkeit“ und „Bei-Fuß-Gehen“. Im Alter von einem halben Jahr soll unser zukünftiger Jagdhelfer diese Disziplinen beherrschen – vielleicht noch nicht in Perfektion, aber zumindest so sicher, dass wir ihn nicht ständig ermahnen und korrigieren müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist tägliches Üben notwendig. Dabei dürfen wir unseren Welpen nicht überfordern, und die Übungseinheiten dürfen nicht zu lang sein. Wir beginnen mit drei Mal täglich fünf Minuten und steigern die Lerneinheiten im Laufe der Monate auf fünf Mal täglich zehn Minuten. Wie man dem Welpen die Grundkommandos beibringt, wird in diesem Buch nicht erläutert, denn hier geht es um die Ausbildung für Nachsuchen auf Schalenwild. Bücher, die sich mit dem Thema „Grundgehorsam von Hunden“ beschäftigen, gibt es zahllose – sowohl jagdliche als auch nicht jagdliche. Ich empfehle, auch mal ein nicht-jagdliches Buch zur Hundeerziehung zu lesen. Die Methoden moderner Hundeprofis“ sind tatsächlich häufig erfolgreicher als die viele Jahrzehnte alte Hundeerziehung mancher Jagdautoren.
Gewöhnung an Wild
Um sich bei der späteren Ausbildung voll und ganz auf die Fährtenarbeit konzentrieren zu können, darf unser Hund nicht abgelenkt sein. Eine große Gefahr der Ablenkung sind fremde Gerüche, die den jungen Hund entweder besonders interessieren oder die ihn verunsichern. Daher muss unser Hund, bevor wir mit ihm im Revier üben, möglichst viele verschiedene Wildgerüche kennen gelernt haben. Hierzu zählen nicht nur die in unserer jeweiligen Region vorkommenden Schalenwildarten. Auch wenn der Hund später ausschließlich Nachsuchen auf Schalenwild durchführen soll, muss er ebenfalls mit allen anderen Wildarten vertraut sein. Hierzu zählen mindestens Hase, Fuchs, Marder, Ente und Fasan. Wir brauchen jedoch nicht von jeder Wildart ein ganzes Stück einzufrieren und somit die ganze Gefriertruhe für die Hundeausbildung blockieren. Wenn wir von den Schalenwildarten jeweils einen Lauf, von den sonstigen Haarwildarten jeweils einen Balg und vom Federwild jeweils eine Schwinge vorrätig haben, reicht das zum Kennenlernen aus.
Abb.: Am Ende der Übungsfährte
Mit dem Kontakt zum Wild beginnen wir ab der zwölften Lebenswoche des Welpen, wenn er sich in seinem neuen Zuhause eingelebt und uns als Rudelführer, der nicht nur befiehlt, sondern auch beschützt, akzeptiert hat. Wir tauen ein Stück Wild auf und platzieren es im Garten oder bei einem Spaziergang im Revier. „Zufällig“ findet der Welpe das Stück. In diesem Moment müssen wir bei ihm sein. Wir loben den Welpen für das Finden und ermutigen ihn, sich dem Wild zu nähern. Hat der Hund das Wild ausgiebig untersucht, ermutigen wir ihn zum Fassen. Hierzu werfen wir das Wild ein paar Meter weit weg und laufen selber hinterher. Der Welpe wird uns begeistert folgen. Spätestens beim dritten Wurf ist der Hund schneller als wir beim Stück und vielleicht greift und beutelt er es dann auch schon. Wir benutzen das Wild noch eine Weile als Spielzeug und nehmen es dann an uns. Im Tausch erhält der Hund ein Leckerli und Lob. Der Hund bekommt das Wild nicht mehr. Wir sind der Rudelführer, wir bestimmen, was mit der Beute geschieht, und die Beute bleibt bei uns!
Festlegung der Rangordnung
Für die spätere Nachsuchenpraxis ist es wichtig, dass wir das Spiel beenden und die Beute an uns nehmen. Damit legen wir die Rangordnung fest. Wenn wir dem Hund die Beute im Welpenalter spielerisch überlassen, kann es passieren, dass er auch später das Wild als seine Beute ansieht und gegen andere Jäger – unter Umständen sogar gegen den eigenen Hundeführer – verteidigt. Das ist für uns nicht nur peinlich, sondern kann auch unseren Ruf innerhalb der Jägerschaft ruinieren. Ein Schütze, der von unserem Hund gebissen wurde, wird uns bestimmt nicht mehr zwecks einer Nachsuche anrufen! Die Bereitschaft des Hundes zur Verteidigung wird zwar noch in manchen Vereinen geprüft, ist in der heutigen Gesellschaft allerdings weder notwendig noch wünschenswert.
Schussfestigkeit
Beim Üben der Schussfestigkeit muss unbedingt auf eine allmähliche, für den Welpen schonende Vorgehensweise geachtet werden. Ich habe Hunde stets am Schießstand an den Schussknall gewöhnt. Dies hat den Vorteil, dass man keinen Helfer benötigt und auch nicht selber schießen muss. Man kann sich voll und ganz dem Welpen und seinem Verhalten widmen. Schießstände haben feste Schießzeiten, an die sich die Betreiber aufgrund behördlicher Bestimmungen peinlich genau halten müssen. Ein paar Minuten vor Beginn des Schießbetriebes kommt man mit dem circa vierzehn Wochen alten Hund am Schießstand an. Wir stellen unser Auto jedoch nicht direkt auf den Parkplatz, sondern parken etwa zweihundert Meter vom Schießstand entfernt. Wir machen mit dem Hund einen Spaziergang, der zunächst vom Schießstand wegführt. Irgendwann beginnt die Knallerei. Jetzt begehen viele Jäger einen Fehler: Sie machen den Hund mit Worten wie „Hast Du das gehört!? Was war das!?“ auf jeden Knall aufmerksam. Für den Welpen bedeutet dies, dass der Knall etwas ganz Besonderes sein muss, weil sogar der Mensch als Rudelführer darauf außergewöhnlich reagiert. Stattdessen müssen wir den Knall völlig ignorieren, so als wäre er ganz selbstverständlich. Vielleicht ist der Welpe von den neuen Geräuschen trotzdem beeindruckt. In diesem Fall lenken wir ihn mit Spielen ab und sprechen ihm in ruhiger Art und Weise zu, uns wieder Richtung Auto und damit Richtung Schießstand zu folgen. Wir wiederholen diesen Spaziergang beim nächsten Schießtermin und nähern uns dabei dem Stand ein Stück weiter. Bei der vierten oder fünften Übungseinheit ist unser Hund so weit, dass wir ihn mit auf das Schießstandgelände nehmen können. Wenn er sich dort sowohl von Flinten- als auch Büchsenschüssen unbeeindruckt zeigt, nehmen wir beide Waffen beim nächsten Revierspaziergang mit und schießen dort selber. Dabei ist darauf zu achten, dass der Welpe bei der Schussabgabe einige Meter neben oder hinter uns steht. Wenn sich der Welpe vor uns befindet, setzen wir ihn dem vollen Mündungsknall aus und das ist auch für Hundeohren äußerst unangenehm. Ein ständiges Training der Schussfestigkeit ist nicht notwendig. Wenn wir alle zwei bis drei Wochen im Revier einen Schuss abgeben, reicht das als Wiederholung aus.
Sobald unser Welpe eine gewisse Disziplin erlernt hat, ihn fremde Gerüche nicht irritieren und er so selbstbewusst ist, dass ihn menschliche Umweltreize nicht aus der Bahn werfen, können wir mit der systematischen Ausbildung auf der Fährte beginnen.
Fährtenschuh vs. Schweiß
Wenn in der natürlichen Wundfährte Schweiß „wie mit der Gießkanne gegossen“ liegt, brauchen wir für eine Nachsuche keinen Hund, erst recht keinen Spezialisten. Nicht selten liegt in einer Krankfährte jedoch kein Schweiß. Zumindest sind die Schweißmengen so gering, dass sie das menschliche Auge nicht erkennen kann. Starkes Wild hat unter Umständen keinen Ausschuss oder der Ausschuss wird durch Feist und Organe zugesetzt. Der wenige Schweiß, der dennoch nach außen läuft, wird von den Haaren der Decke / Schwarte aufgenommen und gelangt nicht sofort zum Boden. Vor allem langes Winterhaar kann erstaunlich viel Schweiß aufnehmen. In solch einem Fall ist eine erfolgreiche Nachsuche nur mit einem auf diese Situation eingearbeiteten Hund möglich. Aus diesem ganz jagdpraktischen Grund empfiehlt es sich, die Schweißmenge in einer Übungsfährte möglichst gering zu halten. Der Hund muss mit seiner Nase den Unterschied zwischen der Krankfährte des beschossenen Stückes und den Fährten anderen Wildes herausfiltern. Hier zeigt sich der Vorteil der Einarbeitung mit dem Fährtenschuh: Die mit dem Fährtenschuh getretene Übungsfährte unterscheidet sich geruchlich nur in geringen Details von Gesundfährten, die unsere Fährte im Laufe einer mehrstündigen Stehzeit kreuzen.
Abb.: Moderner Fährtenschuh mit eingespanntem Rotwildlauf
Der „Fährtenschuhhund“ hat gelernt, bei der Arbeit auf diese feinen Unterschiede zu achten. Wird ein Hund hingegen mit größeren Mengen Schweiß eingearbeitet, so wird er bei der Nasenarbeit quasi zum Grobmotoriker erzogen. Selbst wenn nur 250 Milliliter Schweiß auf 1.000 Meter Fährtenlänge verwendet werden – wie es z. B. bei der bundesweit anerkannten Verbandsschweißprüfung der Fall ist – handelt es sich für die Hundenase um eine durchgängig stark riechende Fährte. Wenn Hunde bei solch einer Prüfung scheitern, liegt es nicht an fehlender Witterung. Vielmehr sind mangelnde Ausdauer, eine geringe Konzentrationsfähigkeit und andere jagdliche Einsatzbereiche wie das Stöbern auf Gesundfährten die Gründe für den Misserfolg.
Die Einarbeitung mit dem Fährtenschuh muss im Vordergrund stehen, um den Hund auf realistische Nachsuchen mit wenig oder gar keinem Schweiß vorzubereiten.
Abb.: Grober Ausbildungsplan zur ungefähren Orientierung
*
KRAUTJUNKER-Kommentar: Ende der Leseprobe, aber nicht des Kapitels
***
Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.
Titel: Erfolgreiche Nachsuche – Zeitgemäße Hundeausbildung, moderne Ausrüstung, praktische Schweißarbeit
Autor: Holger Wilkening http://www.schweisshund.net/
Verlag: Paul Pietsch Verlage GmbH & Co. KG
Verlagslink: https://www.motorbuch-versand.de/product_info.php/info/9481/XTCsid/rm205kioi4ob973oi905nhrkd0
ISBN: 978-3-275-02078-2
Foto Nachsuche: © Holger Wilkening
Foto Bracke: © Martina Berg
*
Bereits veröffentlichte Leseproben:
https://krautjunker.com/2017/09/30/jagdhunde-bei-der-nachsuche/
Ein Kommentar Gib deinen ab