Buchvorstellung
Der Verlag beschreibt den Inhalt des Buches so:
»Am Freitag, dem 4. November 2005, verließen Ricardo Cabrera, Kapitän der Viarsa-1, und Antonio Pérez, ein berüchtigter Piratenfischer, den Gerichtssaal in Perth als freie Männer. Die australische Justiz hatte ein Urteil gefällt, das weltweit Entsetzen und Fassungslosigkeit hervorrief. Cabrera und Pérez waren im Südindischen Ozean bei dem Versuch, mit der Viarsa-1 illegal Schwarzen Seehecht zu fangen, von dem australischen Patrouillenboot Southern Supporter überrascht worden. Als die Viarsa-1 ins antarktische Eismeer flüchtete, nahm die Southern Supporter unerschrocken die Verfolgung auf. Die Jagd nach den Jägern des von seiner Auslöschung bedrohten Schwarzen Seehechts wurde zur längsten Hatz in der Geschichte der Seefahrt. G. Bruce Knecht schildert nicht nur eine atemberaubende Verfolgungsjagd durch ein Labyrinth von turmhohen Brechern und gewaltigen Eisbergen, sondern zeigt auch auf, wie der über Jahrhunderte unbehelligte Schwarze Seehecht innerhalb weniger Jahre zum begehrtesten Fisch der Welt werden konnte. Dabei führt uns Knecht vor Augen, dass man Männern wie Cabrera und Pérez nicht im Gerichtssaal, sondern nur in den Restaurants das Handwerk legen kann: Der Raubzug auf den Meeren ist zu Ende, wenn der Schwarze Seehecht nicht mehr auf den Speisekarten steht.«
Titelbild und Titel haben mich spontan angesprochen und die Verlagsbeschreibung weckten meine Neugierde und Leselust. Der renommierte Autor G. Bruce Knecht beschreibt aus den Perspektiven verschiedener Protagonisten, wie ein Fisch, der erst als unerwünschter und fad schmeckender Beifang galt, sich zu einer so gesuchten Delikatesse entwickelte, dass die Raubfischerei nach ihm den Weiterbestand der Art gefährdet. Der Haupt-Handlungsstrang ist die Jagd eines australischen Patrouillenbootes auf einen spanischen Fischdampfer der unter der Flagge von Uruguay fuhr.
Der Schwarze Seehecht (Dissostichus eleginoides) ist kein Hecht, sondern gehört zu den der Antarktisdorschen (Nototheniidae). Den Endverbrauchern wurde er unter vielen Namen verkauft, zuerst als »Chilenischer Seebarsch«. Obwohl der furchterregend aussehende und mannsgroße Raubfisch am Ende der Welt lebt und den ersten Verkostern nicht mundete, ist es faszinierend zu lesen, wie er sich aufgrund seiner Eigenschaften und vieler Umstände im Laufe der Entwicklung zu einer hochpreisigen Gaumenfreude entwickelte.
Abb.: Wikipedia
Einer der Umstände ist, dass die US-Amerikaner seit Beginn der 1980er Jahre eine zunehmend anspruchsvolle Esskultur entwickelten und sich eine neue Generation von Köchen durch das Angebot bisher unbekannter Speisen profilierte. Ein weiterer: »Weil die Populationen der größten und traditionell begehrtesten Fische – Thunfisch, Kabeljau und Schwertfisch – geschrumpft waren, hatten sich die Fischer offensichtlich anderen Arten zugewandt. Pauly zufolge drohte dieser grundlegende Wandel die Ökosysteme der Meere irreversibel zu beeinträchtigen. Er sprach von „sich die Nahrungskette hinunterfischen“ und sagte mit einem Anflug von Sarkasmus voraus, dass wir irgendwann „Quallensandwiches“ und „Planktonsuppe“ essen würden.
Mittlerweile bietet der Fang des Schwarzen Seehechtes der Fischwirtschaft »jene Profite, die vor Jahrhunderten die Walfänger auf ihre gefährlichen Expeditionen lockten« ohne das die Fischer einem vergleichbaren Risiko ausgesetzt sind. Wobei, das große Geld verdienen nicht die Seeleute, die im Südpolarmeer in mörderischen Schichten arbeiten oder durch eisige Stürme zu fahren, bei denen sich die Wellen bis zu zwanzig Meter hoch auftürmen. Bei solchem Seegang beträgt der Fallwinkel an Bord teils über dreißig Grad – »so steil, dass man sich auf dem Zweitausendtonner bisweilen vorkam wie auf einem riesigen Surfbrett.«
Ausnehmend gut gefiel mir die Schilderung der Realität durch die Blickwinkel verschiedener handelnder Personen.
Zuerst Fischer und Fischhändler, die um ihre wirtschaftliche Existenz ringen. »Und es erschien undenkbar, dass der Ozean, der seit zahllosen Generationen seine Familie ernährt hatte, als Quell des Lebensunterhalts versiegen könnte.« Doch »dem unkontrollierten Ansturm eines industriellen Fischfangs« können die Bestände nicht standhalten.
Ihre Gegenspieler sind Beamte des Küstenschutzes. Fairerweise muss man im Hinterkopf behalten, dass es leichter ist, Recht und Gesetz zu vertreten, wenn man am Ende des Monats die Gehaltsüberweisung vom Staat empfängt und sich nicht Sorgen machen muss, wie man das Geld für die eigene Familie und seine Angstellten zusammenbekommt.
Als weitere Protagonisten erlebt der Leser südafrikanische Söldner, die bei dem Entermanöver in eisiger und stürmischer See ihr Leben riskieren, nachdem sie zuvor im Videoraum des Schiffes James Bond Filme sahen. Amüsant zu lesen, wie zwei dieser Draufgänger vor diesem Abenteuer die Liebe zur Seefahrt und eine tiefe Freundschaft zueinander entwickelten, während sie auf einer Havarie um Haaresbreite ihr Leben verloren.
Am Rande des Blickfeldes, aber nicht minder wichtig: Vermögende Großhändler ohne moralische Schranken und Politiker, die gerne die Lorbeeren einfahren, aber keine politische Verantwortung übernehmen möchten.
Am Ende der Jagd und des Gerichtsverfahrens, welches den australischen Steuerzahler Millionen kostete, erhielten die Fischwilderer von Geschworenengerichten Freisprüche. Eine »schreckliche Blamage und ein massiver Rückschlag im Kampf gegen illegalen Fischfang.«
Die Lektüre der Handelsstränge, ebenso wie die der gesellschaftlichen Entwicklungen und darin eingeflochtenen Erkenntnisse von Meeresbiologen und Fischkundler, haben mich stark beschäftigt. Es ist traurig, dass Naturschützer und Öko-Lobby die Ausplünderung des Meeres kaum im Fokus haben. In meiner Jugend wurden beispielsweise das Waldsterben und die Thesen des Club of Rome propagiert. Beides hat sich als Fake-News herausgestellt, ohne dass dadurch die Reputation derer litt, die dies propagierten. Die Liste blödsinniger und kontraproduktiver Naturschutz-Ziele lässt sich leicht bis heute weiterverfolgen. Pragmatisch ist es einfach, große Schutzzonen in der Natur zu schaffen. Selbst hier vor unserer Haustür leben in der Nordsee nur »noch zwei bis drei Prozent dessen, was es früher an großen Fischen gab. Vor Neuengland ist es genauso schlimm. Wir haben jedes Jahr sechzig Prozent der atlantischen Kabeljaubestände gefangen, bis die Fischgründe regelrecht zusammenbrachen. Das ist so, als würde man Jahr für Jahr sechzig Prozent seines Kapitals von der Bank abheben. Damit kann man eine Zeit lang auf großem Fuß leben. Man kann ordentlich konsumieren, aber irgendwann ist Schluss.«
Mitten in der Handlung dieses Romans und des ungeschriebenen Folgeband befinden wir uns, die Endverbraucher. Wenigen ist es klar, dass wir mit unseren täglich gefällten Kaufentscheidungen in Supermärkten oder Restaurants den Wandel der Welt zum Besseren oder Schlimmeren stärker beeinflussen, als durch Herummeckern im Internet oder das Ankreuzen von Wahlzetteln. Wenn man es recht bedenkt, ist dies eine gute Nachricht, denn im Informationszeitalter bleibt auf Dauer nichts verborgen. »Du kannst alle Leute für einige Zeit täuschen und einige Leute die ganze Zeit, doch du kannst nicht alle Leute die ganze Zeit täuschen,« sagte schon Abraham Lincoln bevor es Computer gab und es gilt heute umso mehr.
Zusammenfassend: Ein spannendes Buch, welches nicht nur Action bietet, sondern auch viel Verständnis über den Lebensraum und das Jagdrevier Meer vermittelt.
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Anmerkungen
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Der Titel ist aktuell vergriffen. Gebrauchte Exemplare kann man für schmales Geld bei www.buchhai.de erwerben. Am besten die ISBN von Amazon kopieren und in die Suchmaske bei Buchhai eingeben.
Titel: Raubzug – Der teuerste Fisch der Welt und die Jagd nach seinen Jägern
Autor: G. Bruce Knecht -> https://www.mare.de/g-bruce-knecht-urheber-296
Übersetzer: Harald Stadler -> https://www.mare.de/crew/ubersetzer/harald-stadler-urheber-90
Verlag: Mare Verlag
ISBN: 978-3936384291
Verlagslink: https://www.mare.de/buecher/belletristik/raubzug-0429
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Zum Weiterlesen empfohlen:
http://scienceblogs.de/meertext/2016/02/03/die-orcas-der-antarktische-seehecht-und-wir/?all=1
http://www.kultur-fibel.de/buch-raubzug-teuerste-fisch-der-welt.htm
http://www.welt.de/print-welt/article153037/Die-Jagd-auf-den-Fischjaeger-auf-Leben-und-Tod.html