Die Sinne der Luchse: Sehen und hören wie ein Luchs

von Marco Heurich und Karl Friedrich Sinner

 

Gesichtssinn

Von allen Sinnen hat der Gesichtssinn bei Luchsen die größte Bedeutung, wenn es darum geht, Beute zu machen. Die Augen eines Luchses sind im Verhältnis zu seinem Körper sehr groß und die Pupillen können bei Dunkelheit sehr weit geöffnet werden. Um auch bei Tageslicht sehen zu können, sind die Pupillen nicht rund, sondern elliptisch, so dass sie bis auf ein winziges Loch geschlossen werden können. Die Lichtempfindlichkeit eines Katzenauges ist etwa sechsmal höher, als die eines menschlichen Auges. Neben der Größe wird dies im Wesentlichen durch zwei Strukturen erreicht: Auf der Netzhaut des Luchsauges gibt es wie bei allen Säugtieren zwei verschiedene Zelltypen: Stäbchen und Zäpfchen. Stäbchenzellen funktionieren bei sehr geringer Helligkeit, können aber keine Farben erkennen. Zäpfchenzellen sind wiederum notwendig für die Farberkennung. Da Luchse nachtaktiv sind, verwundert es nicht, dass bei ihnen die Stäbchenzellen dominieren. Das Verhältnis von Stäbchen und Zäpfchen beträgt 63:1. Im Vergleich dazu liegt es beim Menschen nur bei 20:1. Zweitens besitzt ein Katzenauge eine sogenannte Tapetum lucidum. Dabei handelt es sich um eine reflektierende Schicht, die hinter der Netzhaut liegt. Licht, das auf die Netzhaut fällt, wird von ihr wie von einem Spiegel reflektiert, so dass es noch einmal von den Sinneszellen erfasst werden kann. Dadurch wird das Bild der Umgebung aufgehellt. Da die reflektierten Strahlen jedoch nicht mehr die gleichen Sinneszellen treffen, wird die Schärfe des Bildes allerdings geringer. Die Tapetum lucidum ist auch der Grund dafür, dass die Augen der Tiere im Scheinwerferlicht ein gelbgrünes Licht zurückstrahlen. Deshalb werden Reflektoren gemeinhin auch als Katzenaugen bezeichnet.

Das Farbsehen der Luchsaugen ist hingegen schlechter ausgeprägt, da sie nur zwei verschiedene Typen von Zäpfchenzellen besitzen, menschliche Augen im Vergleich dazu aber drei. Folglich können sie auch weniger Farben als der Mensch erkennen, nämlich nur grün und blau. Was zunächst ein Nachteil zu seinscheint, ist in der Dämmerung aber von Vorteil, da die Tiere so mehr Grautöne unterscheiden können. Unter allen Carnivoren ist das dreidimensionale Sehen bei Katzen am weitesten entwickelt. Durch die nach vorne gerichteten, eng zusammengerückten und weit oben im Schädel sitzenden Augen ergibt sich eine starke Überschneidung der Sehachsen (120 Grad). Dadurch können Katzen Entfernungen sehr gut einschätzen. Darüber hinaus ist aber auch das periphere Sehen (Sehen außerhalb des Fixationspunktes) sehr gut ausgeprägt. Insgesamt beträgt das Gesichtsfeld 180 Grad.81 Deshalb muss ein Luchs nur selten fokussieren, um die Umgebung nach Bewegungen abzusuchen, typischerweise sind die Augen dabei weit geöffnet und starren in die Ferne. Der Verhaltensforscher Waldemar Lindemann konnte die Sehschärfe von zwei handaufgezogenen Luchsen testen. Die Tiere waren in der Lage, eine Maus auf 75 Meter, einen Hasen auf 300 Meter und ein Reh auf 500 Meter zu erkennen.

 

Schnurrhaare

Luchse haben spezialisierte, berührungsempfindliche Haare (Vibrissen), die etwas dicker als normale Haare und tiefer in der Haut verankert sind. Sie sitzen in flüssigkeitsgefüllten Säckchen, die reichlich mit Nervenbahnen durchzogen sind, so dass die kleinste Berührung registriert werden kann. Sie sind vor allem um die Schnauze des Luchses herum angeordnet. Darüber hinaus findet man sie auch an den Wangen, über den Augen, unter dem Kinn und an den Vorderbeinen. Diese Tasthaare sind in der Lage, neben Berührungen sogar Veränderungen von Luftströmungen zu registrieren. Die von den Sinneszellen der Haarwurzeln aufgezeichneten Reize werden im Gehirn in ein räumliches Bild umgesetzt. Dadurch wird vor allem das Jagen in der Dunkelheit unterstützt. Wie effektiv dieses System funktioniert, zeigt sich bei blinden Tieren, die damit in der Lage sind, Hindernisse zu umgehen, ohne sie zu berühren. Beim Jagen fächert der Luchs die Schnurrhaare auf und stellt sie kurz bevor er die Beute erreicht nach vorne. Hat der Luchs Kontakt zum Beutetier, bekommt er genaue Informationen über dessen Bewegungen, die ihm helfen, den Tötungsbiss gezielt anzubringen.

 

01_Die Sinne der Luchse

Abb.: Der Luchs ist in der Lage, Geräusche in Bereichen wahrzunehmen, die weit über dem menschlichen Hörvermögen liegen.

Gehörsinn

Luchse verfügen über ein ausgezeichnetes Gehör, das sie in die Lage versetzt, noch im Bereich zwischen 65 und 70 Kilohertz Töne wahrzunehmen. Dies liegt weit oberhalb des menschlichen Hörvermögens, das bei 15 bis 20 Kilohertz endet. Dadurch können sie noch die leisen Laute von kleinen Nagern im Ultraschallbereich zwischen 20 bis 50 Kilohertz registrieren.105, 187 Die Ohren des Luchses lassen sich unabhängig voneinander in einem weiten Radius drehen. Die Tiere können so ihre Beutetiere akkustisch lokalisieren und selbst in der Nacht gezielt anspringen. Darüber hinaus dienen sie auch zur Verstärkung der Geräusche. Das gute Gehör der Luchse versetzt sie in die Lage, das Rascheln einer Maus und das Knabbern eines Hasen an einem Zweig noch aus einer Entfernung von 65 Metern zu hören. Bei einem Versuch mit einer Trillerpfeife konnte ein Luchs den Ton noch aus 4,5 Kilometern Entfernung wahrnehmen, ein Hund aus 2,8 Kilometern und ein Mensch nur aus 2,4 Kilometern.

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Dies ist nur die erste Hälfte des Kapitels. Die weiteren nicht weniger faszinierenden Unterkapitel lauten „Geruchssinn“ und „Geschmackssinn“.  Unweigerlich drängt sich der Eindruck auf: Als Mensch trampelt man taub, blind und ohne Witterung durch die Natur.

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Die Autoren

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Karl Friedrich Sinner
wurde am 16. April 1946 in Aschaffenburg geboren. Im Forsthaus in Waldaschaff aufgewachsen, wurde schon in früher Jugend die Liebe zur Natur und zum Wald geweckt. Nach dem Abitur in Lohr am Main und dem Studium der Forstwissenschaften in München legte er 1974 die Große Forstliche Staatsprüfung ab und wurde nach Übernahme in den Staatsdienst Mitarbeiter an der Forstdirektion in Ansbach. Waldfunktionsplanung und die Ausweisung des Nürnberger Reichswaldes als Bannwald zählten zu seinen Hauptaufgaben. Der Nürnberger Reichswald wurde 1980 mit seiner Tätigkeit als stellvertretender Forstamtsleiter in Erlangen und ab 1984 in Nürnberg und von 1988 bis 1998 als Forstamtsleiter mit dem Reichswaldprogramm zu seiner forstlichen Heimat. Der Umbau des „Steckerleswaldes“ in einen naturnahen Mischwald ist untrennbar mit seinem Namen verbunden. 1998 wurde er zum Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald berufen. Der Bayerische Urwald wurde zu seiner Leidenschaft und Erfüllung. Die neu entstehende Waldwildnis, ihr Vergehen und neues Werden, standen im Zentrum eines mit Engagement und Gelassenheit geführten ständigen Dialogs mit den Menschen. Forschung und Monitoring waren für ihn Grundlage eines erfolgreichen Nationalparkmanagements. Sein Eintreten für Wald und Naturschutz wurde 2002 mit der Karl-Gayer-Medaille der TU München und 2006 mit dem Wilhelm-Leopold-Pfeil-Preis gewürdigt. Die Kooperation mit dem tschechischen Nationalpark Sˇumava wurde 2009 mit dem Umweltpreis des tschechischen Umweltministers ausgezeichnet. Zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand 2011 erhielt er die Umweltmedaille des Freistaates Bayern. Seit 2009 vertritt er die deutschen Nationalparks im Vorstand von Europarc..

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Fang Kika

Marco Heurich
Jahrgang 1970, wurde in Fulda geboren und ist im Vogelsberg aufgewachsen. Schon als Kind zog es ihn in den Wald, wo ihn vor allem die wilde Natur faszinierte. Er studierte zunächst Forstwirtschaft in Freising und anschließend Geoinformatik in Salzburg. Während des Studiums spezialisierte er sich auf wildbiologische Themen und verbrachte ein Forschungssemester im Isle Royale National Park in den Vereinigten Staaten. Dort und im Norden Minnesotas arbeitete er mit Rolf Peterson und David Mech an der Erforschung von Elchen und Wölfen in unberührter Natur. Seit 1996 forscht er im Nationalpark Bayerischer Wald, wo er sich mit den Themen Wald- und Wildtierökologie beschäftigt, und mittlerweile mehr als 200 Veröffentlichungen publiziert hat. Für seine „hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten zum Ausgleich zwischen Technik, Wirtschaft und Natur“ wurde er mit dem Lennart-Bernadotte-Preis für Landespflege ausgezeichnet. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten bildet die Erforschung der Luchspopulation im Böhmerwald und die Entwicklung von Strategien für ein erfolgreiches Zusammenleben von Luchsen und Menschen. Dabei liegt ihm der Erhalt des in Mitteleuropa einzigartigen Böhmerwald-Ökosystems besonders am Herzen. Nationalparks sind auch im Privatleben seine Leidenschaft. Mittlerweile hat er 57 Nationalparks in 15 Ländern besucht und versucht seine Begeisterung auch an seine zwei Kinder Lea und Noah weiterzugeben.

 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook

Der Luchs - Die Rückkehr der Pinselohren

Titel: Der Luchs: Die Rückkehr der Pinselohren

Autoren: Karl Friedrich Sinner und Marco Heurich

Foto: © Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald

Verlag: Buch- und Kunstverlag Oberpfalz

Verlagslink: https://www.battenberg-gietl.de/Heimat/Buecher/Buchdetails?name=der-luchs

ISBN: 978-3-935719-66-7

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Lesetipp zum Buch:
http://www.bayerns-beste-buecher.de/de/kategorie-2/bildbaende/weiden-die-stadt-menschen2

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. Janina sagt:

    Zäpfchen führt man sich rektal ein, Zapfen sind die Dinger im Auge

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    1. Jonas sagt:

      Kopopo

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