von Bertram Graf v. Quadt
Manchmal bekomme ich Angst. Denn ich entdecke an mir Denkweisen und Gefühle, die ich früher vehement abgelehnt hätte. Auch und gerade im Bezug auf die Jagd.
Dass ich bei der Jagd nicht nur von Liebe spreche, sondern eher von Passion, das ist dem geneigten Leser wahrscheinlich bekannt. Und auch wenn ich keinen richtigen Kult um die Jagd treibe, ist sie mir doch etwas Heiliges. Ein wunderbares Handwerk, eine hohe und hehre Tätigkeit, etwas, dem man mit feierlichem Ernst nachgeht und dennoch Freude dabei empfindet. Aber zuvorderst ist die Jagd eine beinah monomanische Tätigkeit, ein Ding, dem man allein nachhängt.
Darum hatte ich auch immer meine inneren Zwiste mit der „Gesellschaftsjagd“, unter der ich notabene nicht das verstehe, was Lieschen Müller sich bei dem Begriff denkt, nämlich dass sich die „feine Gesellschaft“ trifft und dabei zum Spaß ein paar Hirsche und Wildsauen umpustet. Solche Jagden gibt es tatsächlich. Einige davon habe ich auch miterlebt, zum einen aus frei eingestandener Jagdgier, zum anderen um auch die Erfahrung mal gemacht zu haben. Been there, done that. Hat gereicht, muss man nicht machen. Aber auch die eigentlich gemeinte Gesellschaftsjagd, nämlich die gemeinschaftlich ausgeübte Jagd wie sie das Gesetz definiert, auch die habe ich immer mit gewisser Argwohn betrachtet.
Taugt das Töten von Tieren zum gesellschaftlichen Ereignis? Gute Frage. Gegenfrage: ist eine gemeinschaftlich ausgeübte Jagd ein gesellschaftliches Ereignis? Das kommt drauf an, wer sie veranstaltet und wer da so mitmacht. Ein wenig kauft man ja doch immer die Katze im Sack dabei, denn man hat ja vorab keine wirkliche Ahnung, wer so aufläuft. Da sind immer einige dabei, die das, was sie da tun, auch können. Da sind aber auch notgedrungen die anderen dabei, die ihren Jagdschein wirklich nur „weil sich das so gehört“ und damit aus rein gesellschaftlichen Gründen gemacht haben. Nun kann der Jagdherr klug sein und diese Menschen dorthin stellen, wo sie wenig Schaden anrichten können, oder er ist weise und stellt sie dorthin wo sie etwas lernen können. Aber bei aller Klug- oder gar Weisheit lässt sich nicht mit Sicherheit verhindern, dass sie mit Wild in Berührung kommen und dann von der Waffe gebraucht machen. Da kommt dann auch weniger Schönes dabei heraus, und jagt man gemeinschaftlich, hat man daran automatisch teil. Man macht sich also gemein damit. Will man das?

Ich habe mich das oft gefragt und war mehr als einmal eher ratlos darüber. Es gab sogar Jagden, die ich unter diesem Gesichtspunkt abgesagt habe, auch wenn meine Frau und meine Familie diese meine Aussage sofort in den Bereich unverschämter Flunkerei verweisen würden.
Und heute? Wenn Sie diese Zeilen lesen, habe ich bereits einige Gesellschaftsjagden hinter mir und noch eine ganze Reihe vor mir, und ich freue mich sowohl daran als auch darauf. Ich werde alte Freunde wiedersehen und mit Glück neue finden, und gemeinsam werden wir das tun, was ich am liebsten tue. Meinethalben auch mit heiligem Ernst. Und sehen Sie, das ist der springende Punkt: mein Vater gottselig hat genauso gedacht. Ich, der ich mir so oft als getreues Mitglied meiner Generation geschworen habe: „Nie wie unsere Eltern!“, ich denke heute genau wie mein Vater. Weil ich damals, als ich angefangen habe, halt auch einer von denen war, die es nicht so wirklich konnten, und weil ich in denen, die sich mit mir gemein machten Menschen fand, die mich Fehler machen ließen, damit ich daraus lerne. Das hatte ich freilich vergessen, als ich glaubte zu können was ich tue.
Heute weiß ich das wieder. Und da beschleicht mich das Gefühl, dass ich langsam erwachsen werde. Sowas macht mir Angst.
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Geständnis des Autors:
Man kann sich gegen schwere erbliche Belastungen nicht wirklich zur Wehr setzen. Damit war die Jagd unausweichlich. Beim Blick in die Generationen gibt es auf weite Sicht keinen männlichen Vorfahr – und nur wenige weibliche – die nicht gejagt hätten. Vater, Mutter, beide Großväter und so weiter und so fort – alles Jäger, und zum Teil hochprofilierte Jäger: der Vater meiner Mutter, Herzog Albrecht v. Bayern, hat die bedeutendste Monographie des 20. Jahrhunderts über Rehwild verfasst („Über Rehe in einem steirischen Gebirsgrevier“) und darin mit viel Unsinn über diese Wildart aufgeräumt. Meine Mutter war an den Forschungen dazu intensiv beteiligt, gemeinsam mit meinem Vater hat sie die Erkenntnisse im gemeinsamen Revier im Allgäu umgesetzt. Nun will und muss aber jeder junge Mensch rebellieren. Ich habe mir dafür aber nicht das jagdliche Erbe ausgesucht, sondern die Schullaufbahn, das nie begonnene Studium, das Ergreifen anrüchiger Berufe (Jurnalist, pfui!) und anderes mehr. Und ich kann im Rückblick sagen: das war die richtige Entscheidung.
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

Titel : Jagdgedanken – Ein Hochstand-Brevier
Autor: Bertram Graf v. Quadt
Zeichnungen: Rudi Kohl
Verlag: Neumann-Neudamm
Verlagslink: https://www.jana-jagd.de/buecher/jagdbelletristik/erzaehlungen/11348/quadt-jagdgedanken-ein-hochstand-brevier
ISBN: 978-3788819484
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Buchvorstellung:
https://krautjunker.com/2019/02/02/jagdgedanken-ein-hochstand-brevier/
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Bereits veröffentlichte Leseproben:
https://krautjunker.com/2019/02/21/jagdgedanken-im-februar-schluss-ist-gut-ist/
https://krautjunker.com/2019/04/12/jagdgedanken-im-april-von-wegen-mannerdomane/
https://krautjunker.com/2019/05/01/jagdgedanken-im-mai-wenn-der-fruhling-lenzt
https://krautjunker.com/2019/07/14/jagdgedanken-im-juli-ist-es-schon-so-weit/
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Titelbild dieses Blogbeitrages: Stadtwald https://stadtwaldweb.de/
Foto des Autors: © Stephanie Schweigert
Wenn ich die philosophischen, teils aristokratischen Gedanken zur Jagd lese, frage ich mich, ob ich in Deutschland als Jaeger gelten wuerde. Wahrscheinlich eher als Hottentottenfrau! 😀
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Das lässt sich relativ einfach beantworten: Sie jagen. Ergo: ja. Gilt übrigens auch für die Khoikhoi des südlichen Afrika, dort jagen Männer und Frauen – und mit einem Grad an handwerklichem Können, den der durchschnittlichen hiesige Jäger nur in seltenen Ausnahmefällen erreicht.
Und: pardon, wenn es Ihnen zu „aristokratisch“ gewesen sein sollte. Geburtsfehler bei mir. 😉
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Nein, zu aristokratisch ist es keinesfalls, ich finde Ihre Beitraege aeusserst spannend! 🙂 Das Brauchtum und die Jagdformen unterscheiden sich nur so stark von dem, was ich hier in Kanada erlebe, dass ich mich gewundert habe, was eigentlich einen „echten“ Jaeger ausmacht in der deutschen Jagdkultur.
Aber sie haben Recht – die Antwort darauf ist taetsaechlich einfach.
Viele Gruesse aus Kanada!
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Die Jagdreviere in Deutschland und Kanada unterscheiden sich eben stark. Ein kleines Land mit langer Geschichte und viel Kulturlandschaft in Europa und ein sehr großes Land mit einer kürzeren europäisch geprägten Geschichte und riesiger Wildnis in Amerika.
Es gibt jedoch auch viel, das Euch beide verbindet: Intelligenz, Humor und Passion für Jagd und Wild. Ich glaube, Ihr würdet Euch gut verstehen.
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