Rezeptvorstellung von Reiner Grundmann

KRAUTJUNKER-international – ich durfte wieder etwas kochen, und dieses Mal etwas ganz Besonderes. Wild ist toll, ich koche es immer wieder gerne, weil neben dem Schreiben und Fotografieren ganz oben der Genuss im Focus steht – ich darfs ja dann auch essen, und im Gegensatz zu anderslautenden Behauptungen sogar noch gut warm, der Fotoshoot ist schneller im Kasten als manche glauben mögen.
Dieses mal jedoch war es mir ein besonderes Vergnügen, weil erstens das Rezept sehr originell und sehr überraschend bei der Verköstigung ist und weil es zweitens vom schwarzen Kontinent Afrika kommt, zu dem ich ja besondere Verbindungen pflege.
Die Grundstimmung beim Essen wird bei mir immer ganz wesentlich beeinflusst durch das Wissen um Herkunft, Geschichte, Originalität der Speisen, die Umstände des Einkaufs der stets frischen Zutaten und die imaginären Bilder der Menschen, die mir dieses Erlebnis beschert haben – oft unterstütze ich das Erlebnis Kochen und Essen dann auch noch durch die passende Musik und nasche vom „Kochwein“ oder besonders verlockenden Zutaten wie dem Mango Chutney, also alles sehr „meditativ“ und schon bei der Zubereitung dem reinen Genuss verschrieben. Böse Zungen, von Leuten, die schon mit mir gekocht haben würden „meditativ“ in diesem Fall mit lahma….äh langsam umschreiben, aber es sind Rituale, und wirken viel weiter als einfach alles in zehn Minuten auf den Esstisch klatschen zu wollen.
Ich halte es da mit Anthony Bourdain, der die Zubereitung komplexer Rezepte auch mal auf 3 Tage und 2 Nächte verteilt – das Ergebnis zählt und da gehört dann eben auch dazu, Brühe frisch zu kochen oder dem Fleisch in der Marinade Zeit zu geben, um all die Aromen aufzunehmen.
Das Bobotie jedoch ist im Vergleich ein Essen, das fix vorbereitet ist – mal von der einstündigen Garzeit im slow-cooker abgesehen – und das geschmacklich und optisch viel hermacht.
Afrika ist von jeher der Kontinent urwüchsiger Phantasien, Träume und Sehnsüchte.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang eines Flugschülers, dessen größter Wunsch es war, mit dem frisch erworbenen Flugschein das Okawango-Delta in Botswana zu befliegen und eines hochkarätigen Fluggastes, dessen höchstes Vergnügen die Jagd in Namibia war.
Von dem Literaten und Jäger Hemingway über Serengeti-Grzimek bis Diane Fossey, der unter mysteriösen Umständen ermordeten Gorilla-Forscherin, haben viele Schriftsteller und Pioniere sich mit dem Ur-Kontinent befasst.

„Didaktisch ausgefuchst“ war immer der Spruch meines Okawango-Fliegers, meine Schulung betreffend – auf das Bobotie trifft das mindestens ebenso zu – gäbe es dieses Rezept nicht schon, man müsste es tatsächlich neu entwickeln, so gut war das.
Ich selbst war zwar wohl schon in New York aber leider nie in Afrika.
Meine Frau, die ich in Deutschland kennengelernt habe, stammt aus der ehemaligen britischen Kolonie Uganda, weshalb mein Sohn – und da bin ich nicht unglücklich darüber – ein ausgezeichnetes Umgangs-Englisch aber auch ein beeindruckendes Fachenglisch im Bereich Eisenbahn, Luftfahrt und Computertechnik besitzt – Möglichkeiten, die durch das zweisprachige Aufwachsen erst zugänglich wurden für ihn – und obwohl er jetzt ständig bei mir ist und Pasta, Pizza, Pancake sein Ding – freut er sich jedesmal tigerlich, wenn mal wieder Essen von Mama Afrika kommt.
Thema heute soll aber ein winziges Fenster auf afrikanische Esskultur sein, welches ich heute für Euch öffnen werde.
Durch meine Frau und Freunde in Uganda weiß ich, dass der einfache Mann von der Straße sich nicht jeden Tag Fleisch leisten kann – sondern viele Speisen mit Bohnen, Maisbrei – dem sogenannten Fufu – und Kochbananen – Matoke isst, selten auch Reis.
Lamm, Rind oder Schwein sind absolute Festtagsgenüsse und nur zu besonderen Anlässen oder an Feiertagen auf dem Teller zu finden. Am ehesten findet sich wochentags gelegentlich auch Huhn auf der Speisekarte.
Frittierte Fischköpfe- und Schwänze bekommt man auf dem Markt von Kampala – es sind die Überreste, die bei der Produktion hochwertigen Fischfilets vom Nil-Barsch für den Europäischen Markt anfallen, in den hochmodernen ausländischen Fabriken am Victoria-See.
Südafrika ist durch den Tourismus deutlich begünstigter als Uganda, und von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen daher vielseitiger bei der Auswahl der Zutaten. Nüsse wie Erdnüsse und andere Früchte, sowie scharfe Gewürze, Chilies und Curries machen die Küche zu einem bunten Spielplatz farbiger und vielfältiger Aromen und exotische „Magentratzerl“ wie wir in Bayern sagen würden, gibt es mannigfaltig.
Asiimwe Tobius, mein Pastor aus Kampala kennt das Bobotie tatsächlich auch nicht und begründet das mit dem Satz: „You know, South Africa is compared to Uganda very advanced in all things – I am grown up in a village outside the big city in Kakumiro District, and do not know it really.”
Für ihn klingt das Wort Bobotie dann auch eher wie Babysprache und er hat mal kräftig gelacht, als ich ihn dazu befragt habe.

Koloniale Einflüsse verleihen den Speisen in den jeweiligen Ländern noch den unverwechselbaren Touch. Frankreich, England, die Niederlande mit niederländisch Indonesien, Belgien, China, Indien aber euch Deutschland mit Deutschostafrika u.a. sind als kulinarisch einflussnehmend zu nennen.
Das Bobotie, das ich heute koche, ist sicherlich ein sehr gutes Beispiel, was afrikanische Küche hervorzubringen vermag, denn es vereint alles, was das Herz des Gourmets höher schlagen lässt. Farbigkeit, Originalität, reichlich Hack aber auch Früchte, Nüsse und Gewürze wurden hier miteinander verquickt.
Vor allem in Südafrika kennt man dieses Gericht aus Hackfleisch mit indonesischen Wurzeln, welches schon seit dem 17. Jahrhundert bekannt ist.
Die Herkunft des Bobotie wird in den indonesischen Kolonien Hollands gesehen, von wo aus das Rezept über die ersten Siedler und später durch die Treckburen über Südafrika hinaus über Simbabwe, Botswana und Sambia bis nach Kenia verbreitet wurde. Wurde es in Indonesien auch mit Schweinefleisch zubereitet, so haben die Essgewohnheiten der muslimischen Bevölkerung Südafrikas diese Variante weitestgehende verdrängt.
In Südafrika wird das Gericht oft zu offiziellen Anlässen serviert und genießt einen hohen Stellenwert in den Garküchen.
Gehacktes Rind-, Schaf-, oder Wildfleisch wird mit Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch, Trockenfrüchten und Mandeln zu einem Auflauf verarbeitet – das Rezept, das mir vorlag, kultiviert die Zubereitung und Präsentation im Einweckglas und schreibt die moderne Kochweise im Sous-Vide-Bad vor. Gewürzt wird Bobotie mit Curry, Lorbeer, frisch geriebener Muskatnuss und Pfeffer und erhält zum Schluss eine Eier-Milch-Kruste mit Bananenscheiben.
Das Bobotie wird als Hauptgericht mit Geelrys (Afrikaans: Gelbreis = Safranreis) und Chutney gereicht und ist bereits seit dem 17. Jahrhundert in Südafrika bekannt.
Auf Afrikaans wünsche ich, „Goeie eetlus – guten Appetit!“
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Zutaten
Für 4 Personen – Sous-Vide-Garzeit: Lammschulter 1 Std. bei 70 °C, gesamt: 1 Std. 30 Min.

500 g Lammschulter ohne Knochen
2 Knoblauchzehen
2 EL Mango-Chutney (Reiner: das Chutney kann aber auch zu dem fertigen Bobotie gelöffelt werden)
2 EL Rosinen
2 EL Mandelblättchen
2 TL Currypulver
3 Eier
Salz
frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
50 ml Vollmilch
frisch geriebene Muskatnuss
1 reife Banane
4 Lorbeerblätter
4 Einmachgläser (à 500 ml Fassungsvermögen) mit Deckel und Gummiring
Zubereitung

Die Lammschulter wird pariert, in Stücke geschnitten und durch die grobe Scheibe des hoffentlich vorhandenen Fleischwolfs gedreht. Ich mußte auf bereits fertig gewolftes Lammhack vom Metzger zurückgreifen. Das Hackfleisch mit dem Mango-Chutney den Rosinen, den Mandelblättchen, dem Knoblauch, dem Currypulver und einem Ei mischen. Die Bobotie-Masse mit Salz und Pfeffer kräftig würzen.

Das Wasserbad auf 70 °C vorheizen. Die Bobotie-Masse in die Einmachgläser verteilen. Die restlichen beiden Eier verquirlte ich mit der Milch, mit Salz und frisch geriebener Muskatnuss. Obenauf gab ich noch Scheibchen von der reifen Banane und je 1 Lorbeerblatt pro Glas.

Das gut verschlossene Glas mit der Gummidichtung gab ich nun in eine Folie für den Vakuumierautomaten, saugte die Luft ab und verschweißte es.
Im auf 70 Grad vorgeheizten Sous-Vide-Bad versenkte ich nun die Gläser und erlaubte ihnen 1 Stunde zu tauchen.
Das Garen nach der Sous-Vide-Methode spaltet die Chef-Gemeinde in zwei Lager. Anthony Bourdain, nennt es den schmutzigen Trick der Chefköche, weil es gut die Vorbereitung von Fleisch mit der exakt gewünschten Kerntemperatur ermöglicht und wenn der Gast bestellt, pellt man es lediglich aus der Folie und brät es scharf an oder grillt es mit einer schönen karamellisierten Kruste. Aber Auch Gemüse, verschiedenste andere Fleischsorten und teils auch Fisch werden perfekt, wenn man sein Sous-Vide-Gargerät gut kennt. Jetzt kann man für die perfekte Kombination aus Temparatur, Garzeit und Kerntemperatur natürlich unendliche Experimente anstellen. In dem Buch Sous Vide – Sanftes Garen für perfektes Fleisch, ist das gut dargestellt.
Im Rezept wird als Beilage Fladenbrot empfohlen, ich wählte frischgebackenes südafrikanisches Knoffelbrood dazu.


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Knoffelbrood

Die Zubereitung ist einfach, das Ergebnis exotisch wie schmackhaft.
100 g weiche Butter wird mit 1 Handvoll gehackter Petersilie, 4 fein gehackten Knoblauchzehen, der geriebenen Schale einer Bio-Zitrone und reichlich fein gehobeltem Parmesan vermengt.
Das Ciabatta-Brot wird alle 2 cm ein- aber nicht durchgeschnitten und aufgefächert.
Die Knoblauch-Butter schmiert man dann zwischen die Brotscheiben und verpackt alles in Alufolie.
Im 200 Grad heißen Ofen wird das Knoffelbrood dann bei 200 Grad ca. 15 bis 20 Minuten gebacken und 5 Minuten vor Ende die Folie geöffnet für eine schöne brauen Kruste.

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KRAUTJUNKER-Rezensent und Blogger Reiner Grundmann:
Reiner, geboren 1962 da, wo der Lebkuchen und die Rostbratwust mit Sauerkraut und Brot herkommt. Nürnberg, Mittelfranken in Bayern. Nirgends gibt es eine so hohe Brauereidichte, wie da. In seiner Baby-Milchflasche war trotzdem kein Bier, was er seinerzeit nicht als Verlust empfunden hat. Als ausgewachsener Franke würde er das heute anders sehen. Bevor er für KRAUTJUNKER kochte, war er Protokollführer beim Amtsgericht Fürth und bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg in Jugendstrafsachen und Ehescheidungen, Personalgefreiter bei der Luftwaffe, Holzhändler, Buchautor, Fluglehrer, Pilot für Geschäftsreiseflüge (23 Jahre und 6500 Flugstunden lang), auch Lieferant von Frühstücksbrötchen und Aufsichtspersonal beim 1. Fussballclub Nürnberg.

Geflogen ist er eigentlich überall. Europa, Russland, USA. Wo er hingekommen ist hat er, wie die alten Chinesen – alles probiert und gegessen, was essbar aussah. Und gekocht hat er irgendwie auch schon immer. Am liebsten für schöne Frauen, wenn es denn auch dann oft nur beim Essen und das Schlafzimmer eine verkehrsberuhigte Zone blieb, „fast a su schäi wäi der obere Marktplatz in Laff.“
Seine ersten Rezepte stammten aus dem Roman um den Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven, alias Jean Leblanc, alias Pierre Hunebelle, Es muss nicht immer Kaviar sein von Johannes Mario Simmel.
Reiners Motto lautet: „Reisender, wenn du nach Franken kommst wisse, dass du nicht mehr in Deutschland bist – aber auch noch nicht in Bayern!“
Besucht Reiners Blog!
https://theflyingfish.blog/
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille…

Das Rezept für das afrikanische Bobotie stammt aus diesem Buch

Titel: Sous Vide – Sanftes Garen für perfektes Fleisch
Autorin: Susann Kreihe
Fotograf: Volker Goldmann
Verlag: Christian Verlag GmbH
Verlagslink: https://verlagshaus24.de/sous-vide
ISBN: 978-3959612562
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Das Rezept für das südafrikanische Knoffelbrood stammt aus diesem Buch

Titel: Südafrika – Das Kochbuch
Autorin: Ivana Sanshia-Ströde
Fotografin: Janina Lechner
Verlag: Edition Michael Fischer / EMF Verlag
Verlagslink: https://www.emf-verlag.de/produkt/suedafrika-das-kochbuch/
ISBN: 978-3960936886
Schicker Artikel und Bobotie war in meiner Zeit in Kapstadt mein Leibgericht, dass ich seitdem immer wieder koche. Als ich das mal in einem Restaurant bestellte, war unser Begleiter, der ehemalige Anästhesist von Prof. Barnard, schwer erstaunt. Aus seiner Sicht war das „Malaienfrass“. Das war eine klassische Speise der Sklaven, deswegen irritiert das angeblich die weißen Zigeuner (Treckburen) die Speise verbreitet haben.
Die sind eher für Billtong & Braai zu haben gewesen.
Aloha, O.
Von meinem iPad gesendet
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