Der englische Gärtner – Leben und Arbeiten im Garten

Buchvorstellung von Beate A. Fischer

Der KRAUTJUNKER bat mich um eine Rezension des Buches Der englische Gärtner von Robin Lane Fox. Ich muss zugeben, ich war zunächst nur seeeeehr mäßig motiviert. Dann sah ich mir die Bewertungen auf der Seite eines großen Online-Buchhändlers an und war hellwach. Die deutsche Ausgabe hatte 21 Bewertungen, die entweder sehr positiv oder sehr negativ waren – mir war klar, es handelt sich um ein Buch das polarisiert und meine Motivation war endgültig da.

Bildquelle: Beate A. Fischer

Die Bitte das Buch zu rezensieren traf mich in mitten einer gärtnerisch-philosophischen Hochphase meines Seins. Ich hatte mir den Rücken ruiniert mit den Vorbereitungen für den „Offenen Garten 2020“ am Mittsommerwochenende und schwelgte tief in gartenphilosophischen Erwägungen ausgehend von Gabriella Papes Buch. Meine Philosophie lebendiger Gärten. Fragen wie „Was kann und muß ein Garten sein?“ und „Was macht den Garten zum „Garten“?“ trieben mich um.

Bildquelle: Beate A. Fischer

Seit fünf Jahren stellte ich mich der Herausforderung von 1,3 Hektar „Garten“. Robin Lane Foxs privater Garten war nicht mal halb so groß und er beschäftigte 4 (!) Gärtner . Ich kann auf eine stolze Zahl von 0 (!) Angestellten zugreifen und muss entsprechend Prioritäten setzen. Gelegentlich, aber nur ganz selten, nehme ich dies seit dem als Ausrede für jegliche Unzulänglichkeit  meines Gartens. Mein Lebensabschnittsgefährte findet alles was so wächst und wuchert „romantisch“, aber ich halte dies für eine im wahrsten Sinne des Wortes „faule“ Ausrede.

Was ist eigentlich ein Garten? Beruflich beschäftige ich mich in einem kuriosen, wenig gewinnträchtigen Dauermandat mit der Frage der „Kleingärtnerischen Nutzung“. 1,3 ha sind wohl kein Kleingarten mehr und selbst bei der von mir hoch verehrten Gabriella Pape bin ich mit 1,3 ha völlig außerhalb der Höchstgröße ihrer wunderbaren „Gartengestaltungsseminare“ der Königlichen Gartenakademie vor den Toren Berlins. Mein persönlicher Schlachtruf der Gartenbearbeitung ist der „Kampf gegen die Biomasse“, seit dem ich jedes Jahr versuche in diesen „Garten“ halbwegs die Oberhand zu behalten. Der Deutsche spricht von „Gartenarbeit“ und der Engländer hat dazu ein weniger effizienzgetriebenes, aber doch sehr ambitioniertes Verhältnis. Ein bisschen mehr britische Gelassenheit und unterschwellige Ironie täte meist der deutschen Gartenkultur wohl. Die Historie der deutschen Gartenkultur findet sich heute vor allem rund um Berlin / Potsdam und ist auf den berühmt-berüchtigten Gartenbaumeister Peter Josef Lenné zurückzuführen.

1816 wurde Lenné mit 26 Jahren am preußischen Hof in Berlin und Potsdam als einfacher Gartengehilfe angestellt, unter jenem 34 Jahre älteren Oberhofbaurat und Gartendirektor Schulze – den Lenné schon nach wenigen Jahren ausstach, kraft seiner fachlichen Autorität, vor allem aber einer Ordre des Hofmarschalls Burchard Freiherr von Maltzahn: Alle hatten demnach den Anordnungen des jungen Gehilfen Folge zu leisten, „als wenn solche von mir oder dem Garten-Direktor ergangen“.

Seit dem frühen Altertum standen sich zwei Gartenbauprinzipien als herrschende Lehren und wechselnde Moden gegenüber. Da war die rein geometrische Schule der Ägypter, die den rechten Winkel lehrte, die Natur wie mit dem Lineal begradigte und sich in der Neuzeit im straff gegliederten Barockgarten niederschlug. Das Gegenmodell bildeten die Gärten der Assyrer, die die natürlichen Strukturen beibehielten und in den Gärten weiter auf die Jagd gingen – ein Stil, der heute eher den englischen Gärten entspricht. 

Was macht den Garten zum „Garten“ und wann ist es „Wildnis“.  Insbesondere in wachstumsstarken Monaten wie Mai und Juni stellt der „Garten“ mir als „Feierabendgärtnerin“ – ohne Angestellte  – regelmäßig die Dominanzfrage; DU oder ICH? Meine Antwort ist klar – selbst nach Wochen des laissez fair, nehme ich die Heckschere, den Freischneider und notfalls auch die Motorsäge, um die Dominanzfrage zu meinen Gunsten zu beantworten. Aber es gab schon Momente, da wurde es knapp ….  

Robin Lane Fox ist ein wunderbar kauziger Engländer. All die Dinge, die ihm in den „Negativbewertungen bei Amazon“ vorgeworfen werden, sind Bullshit. Der Mann schreibt seit Jahrzehnten bis heute Kolumnen für die Wochenendausgabe Financial Times! Warum hat das Handelsblatt eigentlich keine Gartenkolumne? Ich denke, das ist eine Kulturfrage. Der deutsche Garten bewegt sich heute zwischen Kleingartenverein, 700 m² Stein- und Rasenwüste und Bundesgartenschau. Übrigens eine Veranstaltung, die Gabriella Pape als Modenshow mit halbfertigen Kleidern und ungeschminkten Modells bezeichnete.

Die BuGa passt zu Leuten, die Robin Lane Fox auf Amazon als „Glyphosat-Jünger“ verunglimpfen. Nein, Robin Lane Fox ist kein (!) Glyphosat-Jünger! Und wer das behauptet, hat das Buch nicht gelesen oder nicht verstanden. Er ist der (!) englische Gartenschriftsteller. Und allen – dies glauben oder nicht, egal – sei, eine Reise nach Kew Gardens bei London oder zumindest ein Ausflug in die Königliche Gartenakademie nach Berlin empfohlen. Ich habe beide gemacht und ich habe davon profitiert.

Gabriella Pape beschrieb ihre Teilnahme an der Chelsea Garden Show – einem jährlichen Londoner Event – auf das sie und andere ein Jahr im Voraus planen und Pflanzen ziehen, für fünf Tage in denen jedes Blatt und jede Blüte perfekt sein müssen, um danach wieder herausgerissen werden. Die Queen kommt zur Eröffnung, der Champagner fließt in Strömen und es ist alles sehr vornehm, aber doch sehr entspannt. Nachhaltig ist das nicht, aber schön. Perfektion auf den Tag der Öffnung ist das Ziel, dem alles untergeordnet ist.

Robin Lane Fox lebt diese Gartenkultur. Der Mann beschreibt in seinem Buch, in vier den Jahreszeiten zugeordneten Kapiteln alles wichtige Wissen eines englischen Gartenphilosophen. Zusammengefasst wurden hier seine Kolumnen für die Financial Times und eigentlich muss man die einzelnen Teile der vier Jahreszeitenkapitel auch so lesen – eine nach der anderen – mit viel Muße dazwischen. Niemand sollte eine durchgehende Handlung erwarten. Die kleinen Vignetten entführen –thematisch den Jahreszeiten zugeordnet – jedes Mal in ein neues gärtnerisches Thema und bergen zu viele Information um hintereinander weggelesen zu werden.  Der Autor nimmt uns mit in besondere historisch bedeutsame Gärten in ganz Europa, er stellt die Gärten und ihre Heger vor. Nicht zu kurz kommt in diesem wunderbaren Buch die Gartenpraxis; die Vorstellung von Pflanzen und Pflanzenfamilien, ihre Herkunft und ihre Standort- und Pflegeanforderungen.  

Der Gartenphilosoph vermittelt jede Woche geballtes, theoretisches, praktisches, historisches Gartenwissen. Er fragt sich, ob der Gartengestalter auch über seinen Tod hinaus, im Garten weiterlebt. Er erläutert uns Mohn und erklärt, wie man ihn durch Teilung der langen Pfahlwurzel vermehren könne. Er amüsiert uns mit seinen Auseinandersetzungen mit den Dachsen, die die gärtnerischen Kultivierungsbemühungen torpedieren. Ja, auch Tiere stellen die Dominanzfrage.

Gärten sind menschliche Schöpfungen, die vom persönlichen Charakter der Gärtner ebenso geprägt sind wie von Kunst, Geschichte, Politik und Wissenschaft. Wie so viele kluge Gärtner bekennt sich der Autor nachdrücklich zu einem »gedankenvollen, aufmerksamen« Gärtnern. Er kennt die Ursprünge der einzelnen Pflanzen und pflanzt sie an Orten, die ihren eigenen Bedürfnissen und denen der Menschen entsprechen. Und zugleich erinnert er daran, wie machtvoll Literatur und Kunst unsere Wahrnehmung und Erfahrungen in unseren eigenen Gärten vertiefen können.

Lane Fox ist Eton-Absolvent und absolviert nach der Schule ein Praktikum im Alpinium der Botanischen Gärten Münchens. Gartenbegeistert ist er seit der Kindheit, das Alpinium vermittelt ihm den Gedanken der Kultivierung von Pflanzen.  Er ist studierter und geschätzter Althistoriker und hat zahlreiche Aufsätze und Monographien zu althistorischen Themen verfasst. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen Alexander the Great (1973, überarbeitete dt. Übersetzung: Alexander der Große, Stuttgart 2004), Pagans and Christians (1986, Neudruck 2006) sowie The Classical World: An Epic History from Homer to Hadrian (2005).

Je mehr ich darüber nachdenke, ist so ein Garten wohl das Spiegelbild des Lebens. Wieviel Chaos kann ich zulassen? Wieviel Zeit und Geld (4 Angestellte!) stecke ich rein? Wieviel Perfektionismus brauche ich und wieviel „Wachsen lassen“ kann ich zulassen? Wann muss ich stutzen, wenn ein Pflänzchen rechts oder links von der Norm abgewichen ist? 1,3 ha sind eine Herausforderung, ohne 4 Gärtner kann ich nicht jede Ecke perfektionieren, oder doch? Was ist mir wichtig, was kann ich, wo zu lassen? Letztendlich ist alles eine Frage des Zieles, der Beharrlichkeit der Zielverfolgung, des Langmutes und der Frustrationstoleranz mit denen ein jeder das Projekt angeht.

Bildquelle: Beate A. Fischer

Zeit und Geld korrelieren auch hier, wer keine Zeit hat, braucht mehr Geld. Am Ende des Tages erlaubt der Garten wie auch das Leben selten Abkürzungen und die Beharrlichkeit ist Weg und Ziel zugleich. Meine Philosophie ist, dass jedes Jahr eine Kleinigkeit dazukommen soll, an der ich mich freuen und konkrete Erfolge sehen kann. Ein feuchtes Frühjahr ließ mich eine Streuobstwiese anlegen, die mir Freude macht, darunter wurde Hafer für die Wildfasane und eine Blütenmischung für die Feldhasen angesät. Robin Lane Fox bringt für jede Jahreszeit eine Handvoll Ideen mit, die jeder umsetzen kann, egal wie klein oder groß Garten und Geldbeutel sind. Es braucht nur das, was auch ein Garten fordert, die Bereitschaft sich einzulassen.           

Der Autor vermittelt sich und sein Wissen, seine Erfahrungen ohne erhobenen Zeigefinger und mit viel kauzigem britischem Humor in den kurzen Kolumnen. Die Empfehlung ist jede Woche eine Kolumne zu lesen, so verlängert sich das Lesevergnügen exponentiell und es bleibt Zeit, die geballte Menge an Wissen und Information aufzunehmen, durch eigene Recherchen zu ergänzen, Ausflüge zu planen, Samen zu suchen, Pflanzaktionen zu beginnen oder einfach in der Leseecke zu liegen und sich am leichten, selbstironisch-britischen Schreibstil eines großartigen Gartenkenners zu erfreuen.

Einige Leser werden sich vielleicht fragen, warum ich das Buch von Gabriella Pape eingeführt habe. Für mich ist sie der „missing link“, die Interpretin englischer Gartenkultur in Deutschland. Pape hatte in Deutschland eine Gärtnerlehre absolviert und in England – unter anderem in Kew Gardens – Gartenbau studiert und ist nach einem Achtungserfolg auf der Chelsea Gartenshow mit einem Kredit einer englischen! Bank nach Deutschland zurückgekehrt, um die Königliche Gartenakademie aufzubauen. Sie hat mir den Zugang zur englischen Gartenkultur eröffnet und manch einem Leser mag dieser Zwischenschritt gut tun, bevor – er oder sie – reif ist für Robin Lane Fox. 

Das vorliegende Buch ist  ein Kleinod für jeden Garteninteressenten oder all die, die erkennen, dass ein Garten nicht nur der Kampf gegen die Biomasse sondern ein Sinnbild des Lebens ist. Ich bekomme, dass was ich pflanze, manchmal auch ein bisschen mehr oder weniger. Robin Fox Lane vermittelt den Garten als Weltanschauung und Lebenselixier. Seine Gartenreisen fördern und fordern die Weltsicht und öffnen den Blick über den nächsten Gartencenter hinaus. Unbedingte Leseempfehlung für intellektuelle Bildungsbürger, die mehr wollen als die schnelle Handlungsanleitung für das Ausheben eines Pflanzloches.

Bildquelle: Beate A. Fischer

Garten – und das glaube ich inzwischen – heißt kultivieren. Wo die menschliche Hand sichtbar wird, entsteht aus einer Landschaft ein Garten. Und dies scheint mir die Antwort auf die Frage zu sein, was den Garten zum „Garten“ macht, das Sichtbarwerden menschlicher Eingriffe. Eine Antwort, die auch mich Feierabendgärtnerin mit der Überforderung von 1,3 ha leben läßt, der Versuch menschliches Wirken sichtbar zu machen. 

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KRAUTJUNKER-Rezensentin:

Beate A. Fischer, geboren 1973, Jägerin seit 6 Jahren, Hundeführerin – verliebt in einem Vizsla sowie Co- und Stiefmutter eines Fox, schießt leidenschaftlich gern Jagdparcour und Flugwild, außerdem hat sich die afrikanische Sonne in ihr Herz gebrannt. Sie lebt im kühlen Nordfriesland auf einem Resthof, arbeitet als Rechtsanwältin und schreibt manchmal auch mal andere schöne Texte. 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Der englische Gärtner – Leben und Arbeiten im Garten

Autor: Robin Lane Fox

Verlag: Klett-Cotta

Verlagslinkhttps://www.klett-cotta.de/buch/Leben/Der_englische_Gaertner/90548

Leseproben aus dem Buch: https://krautjunker.com/?s=Robin+Lane+Fox

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Weitere Leseempfehlung von Beate A. Fischer

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gärten

Autorin: Gabriele Pape

Verlag: Insel Verlag; Auflage: 3 (13. Februar 2012)

ISBN: 978-3458358152

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