Buchvorstellung von Beate A. Fischer
Ich weiß nicht wieso, ich muss beim Lesen des Buches an die Geschichten von Christian Seeben Arjes (siehe: https://krautjunker.com/2020/07/31/pulverdampf-im-garten-eden/) denken. Nicht ganz so moralinsauer wie Arjes führt uns die kleinen und großen Erlebnisse eines Jägerlebens in kurzweiligen Kurzgeschichten vor. Es sind die kleine Begebenheiten des täglichen Jägerlebens, erfolgreiche und weniger erfolgreiche Ansitzes, zappelnde Begleitpersonen, den Hund und ganz wichtig; die Ehefrau des Jägers, nichtjagend natürlich. Hier werden nicht die großen Themen des Lebens bewegt, wie bei Arjes. Aber warum nicht, es hat sich jemand aus der Deckung gewagt und es ist etwas Lesbares dabei herausgekommen.
Kurzweilige Kurzgeschichten, die einem ereignislose Stunden auf dem Ansitz versüßen könnten, wären da nicht die Illustrationen der unsäglichen Lucy Hobrecht. Nein, ich finde Micha Ungers Geschichten hätte Besseres verdient. Ein paar hochwertige Fotos oder ein paar gute Zeichnungen. Für mich sind die dahingekritzelten Vignetten der Messe-und Eventzeichnerin eine Abwertung des Buches und auch der Jagd an sich. Die Vignetten verstärken den ironisch-witzigen Unterton des Textes, zu viel für meine zarte Seele. Der Autor scheint sie zu mögen, also urteilen wir nicht zu hart.
Wenn Autor und Verlag es zulassen, hier ein kleiner Text aus dem 110 Seiten starken Büchlein:

»Brauchtumspflege
Warum ist es mancherorts üblich, den Hut beim Verblasen der Strecke abzunehmen?
Dieser Brauch hatte in früheren Zeiten praktische Gründe. Ja, früher! Da war alles anders. Vor damals, also noch vor der guten alten Zeit, als man das nur von rechts nach links anwechselnde Stück beschoss, da schoss der Jäger gar nicht. Nie. Wie hätte man auch gekonnt? Pfeil und Bogen waren noch nicht erfunden. Selbst wenn man gewollt hätte, womit hätte man denn schießen sollen?
Man fing in grauer Vorzeit das Wild mit dem Basecap. Dies war aus Tarnungsgründen grün. Das ging so: Der Jäger suchte sich einen passenden Baum aus mit einem Ast in der richtigen Stärke und Höhe. Darauf legte er sich bäuchlings. Links von dem Ast ließ der Jäger nun sein Gemächt herunterhängen. Damals jagten nur Männer, die Damen machten den Haushalt und verstellten die Möbel in der trauten Höhle. Das Gemächt des Jägers baumelte nun in der Augenhöhe der potenziellen Beute und sollte diese anlocken. In der Wissenschaft unbestritten ist die visuelle Lockwirkung, gestritten wird, ob es auch ein olfaktorische gab.
Kam nun, wie auch immer angelockt, die Beute vorbeispaziert und inspizierte den Köder, kam das Basecap zum Einsatz. Dieses wurde dem Tier flink über den Kopf gestülpt und über die Augen gezogen. Den Basecapschirm hatte es im Nacken, der Jäger glitt von seinem Ast und ließ sich auf das blinde und vor Überraschung erstarrte Stück fallen. So saß er auf dem Rücken und rang es nieder.
Diese prähistorische Jagdart hat Folgen bis in die heutige Zeit. Evolutionstechnisch gesehen, hatte die jagende männliche Bevölkerung einen Vorteil gegenüber den Nichtjägern bei der Fortpflanzung. Unter den Jägern wurden die erfolgreichen bevorzugt von den Damen ausgewählt. Der Erfolg war einerseits durch die behände Führung des Basecap bedingt, andererseits durch die Lockwirkung des Gemächts. Hier spielte die Größe eine entscheidende Rolle. Das spricht allerdings gegen die olfaktorische Lockwirkung, oder doch nicht? Die Wissenschaft ist sich uneinig. Bis heute hat sich dieses Merkmal vererbt, wie leicht in vergleichenden Studien zwischen Jägern und Nichtjägern festgestellt werden kann.
Vegetarier schneiden hier übrigens am schlechtesten ab. Veganer konnten in der Studie nicht erfasst werden, die Messinstrumente waren nicht fein genug.
Zudem hat sich der Brauch bis in die heutige Zeit gehalten. Deswegen tragen wir einen Hut auf der Jagd und einige nehmen ihn beim Streckeverblasen ab.«
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KRAUTJUNKER-Kommentar: Hier eine weitere Leseprobe: https://krautjunker.com/2020/09/01/eine-ganz-andere-jagdgeschichte/
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KRAUTJUNKER-Rezensentin Beate A. Fischer:

Beate A. Fischer, geboren 1973, Jägerin seit 6 Jahren, Hundeführerin – verliebt in einem Vizsla sowie Co- und Stiefmutter eines Fox, schießt leidenschaftlich gern Jagdparcour und Flugwild, außerdem hat sich die afrikanische Sonne in ihr Herz gebrannt. Sie lebt im kühlen Nordfriesland auf einem Resthof, arbeitet als Rechtsanwältin und schreibt manchmal auch mal andere schöne Texte.
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Anmerkungen

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Titel: Jagdliche Schnurren und andere Merkwürdigkeiten
Autor: Micha Unger
Illustration: Lucy Hobrecht https://schnellzeichnerin-hobrecht.de/
Verlag: Neumann-Neudamm Melsungen
Verlagslink: https://www.jana-jagd.de/6368/unger-jagdliche-schnurren-und-andere-merkwuerdigkeiten
ISBN: 978-3788817220