Rezeptvorstellung von Daniel Schoch
Ein älterer Herr in meinem Bekanntenkreis, hielt auf einer sehr großen Wiese etwa 60 Flugenten.
Täglich wurden die Tiere mit einem Zentner Kartoffeln und 30 Kilo Karotten bekocht, die manchmal noch mit Getreide aus eigenem Anbau vermischt wurden. Ansonsten gab es das, was die Wiese her gab. Mastfutter, Pellets, um die halbe Welt gereister Soja oder ähnlichen Unfug hatten diese Enten nie gesehen.
Doch nun wurde es dem guten Mann zuviel. Das Alter und diverse Erkrankungen schwächten ihn, und Schlachten wollte er auch nicht mehr. Die Enten sollten weg. Aber wohin? Für 3 Euro pro Ente durften sie nicht verkauft werden. Nicht nach all der Energie und Liebe, die er in ihre Aufzucht gesteckt hatte.
Ich bot ihm an, in meinem Bekanntenkreis nach zu fragen, wer evtl. Interesse hätte, und als es dann soweit war, überschwemmte man mich mit Anfragen. Aber niemand der Interessenten konnte oder wollte selbst schlachten. „Und wie rupft man die eigentlich?“, fragte man mich. Mann, Mann, Mann… Stadtkinder! Verweichlichte Studierte!

Ich bot also Schlachtung und Rupfen mit an, optimierte meine selbstgebaute Rupfmaschine, und ging frisch ans Werk.



Aber die Innereien sind für mich, rief ich aus, und rieb mir die Hände in Vorfreude auf Entenherzenragout und Leberpastete. Das gab´s dann auch und es war köstlich! Die Mägen wurden bei vergangenen Schlachtungen auch in Ragout verwandelt, aber an diesem Schlachttag hatte ich noch immer ein paar Einmachgläser davon im Keller stehen.
Ein Freund, verheiratet mit der aus Laos stammenden Mutter seiner Kinder, kam am späten Nachmittag, um seine bestellte Ente abzuholen. Der Schwiegervater lässt fragen, ob ich auch Innereien abgeben würde, ließ er mich wissen. „Klar“, sagte ich, „die Mägen soll er haben! Die isst er doch sicher!“ Denn meiner Erfahrung nach isst diese Familie alles, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. „Die essen auch, was bei 21 noch nicht auf den Bäumen ist. Und falls doch mal was in die oberen Äste flüchtet, wird es wieder runter geschüttelt“, antwortete mein Freund. Also rief er den Schwiegervater gleich an, damit der sich schonmal auf die Entenmägen freuen konnte. Über den Lautsprecher seines Handys durfte ich mithören. „Nää, Mägge wolle mer nät“, sagte der berüchtigte Omnivor, „sinne zu trocke.“ Was soll man dazu sagen? Der Mann bekam ausnahmsweise ein paar Lebern und ich überlegte weiter, was mit den Mägen passieren sollte.
Wie Schuppen fiel es mir da plötzlich aus den Haaren: Ha! Klar, ideale Ausgangssituation für ein Projekt, an dem ich mich schon ewig versuchen wollte: Das Confieren!
Beim Confieren wird eine Zutat, Fleisch oder Gemüse, in Fett oder Öl über mehrere Stunden bei ca. 80°C gegart. Anschließend kann es in Gläser oder Steingutgefäße gefüllt werden, wo es mit dem Fett bedeckt und dadurch luftdicht abgeschlossen, mehrere Wochen oder Monate gelagert werden kann.
Das Fleisch wird dazu oft vor dem Garen leicht gepökelt, das Fett kann als Geschmacksträger für Gewürze oder Kräuter genutzt werden. Durch das sanfte Garen unter Ausschluss von Luft, behält das Fleisch nahezu seinen vollen Geschmack und wird zart, wie die Butter selbst.
Obwohl das Aufbewahren von Fleisch unter einer Schicht aus Schmalz eine der ältesten Konservierungsmethoden für Fleisch ist, verlor es natürlich mit dem Einzug moderner Kühlgeräte an Bedeutung und wird heute eher als schonende Garmethode eingesetzt. In Deutschland trifft man sehr selten auf Confiertes, in Frankreich hingegen pflegt man diese traditionelle Küchentechnik noch eher und so findet man dort in jedem Supermarkt beispielsweise das berühmte Gänse-Confit.
Das Confierte kann, dem Fett entnommen, direkt kalt verspeist, oder wieder erhitzt, zum Beispiel durch kurzes Anbraten oder Erwärmen im Backofen, serviert werden. Das Fett selbst kann man zum Frittieren von Kartoffelscheiben nutzen und erhält köstliche „Pommes Sarladaise“ (siehe: https://krautjunker.com/2016/07/11/pommes-de-terre-a-la-sarladaise/).
Für meine Entenmägen schien es mir eine ideale Konservierungsmethode zu sein, denn durch das lange Erhitzen bei geringer Temperatur erwartete ich, dem festen Muskelfleisch ein zarte Struktur verleihen zu können, ohne die ihm eigenen Aromen großteils in eine Sauce übergehen zu lassen, wie das beim klassischen Schmoren der Fall gewesen wäre.
Das Wasser floss mir im Munde zusammen, bei der Vorstellung, knackigen Feldsalat mit Stückchen zarten Entenfleisches zu servieren, etwas grober schwarzer Pfeffer auf dem rosa Anschnitt, etwas Balsamico auf dem Salat. Im Glas ein wenig Rotwein, vielleicht den „Paranoia“ vom Weingut Bergdolt-Reiff & Nett… (siehe: https://www.nett-weine.de/).

Also, ran ans Werk! Und das ging so:
Die Mägen wurden geputzt. Das war der aufwendigste Teil. Nachdem man sie quer aufschneidet, findet man im Geflügelmagen eine dicke, ledrige Haut, die man mit einem spitzen kleinen Messer gut abziehen kann. Da ich mir nicht sicher war, wie die Konsistenz der darunter befindlichen Silberhaut nach dem Confieren sein würde, und ich keinesfalls eine böse Überraschung wollte, entfernte ich sie ebenfalls. Es lagen nun etwa nussgroße, magere Fleischstücke vor mir.
Ich würzte nun 500g Mägen mit 7g Pökelsalz, einem zerbröselten Lorbeerblatt, Thymian und etwas Tellicherry-Pfeffer, gab alles in eine Kunststoffdose und ließ es, gut verschlossen, etwa 24 Stunden im Kühlschrank pökeln. Nach der Hälfte der Zeit mischte ich alles nochmal gut durch, um ein gleichmäßigeres Ergebniss zu erhalten.


Am nächsten Abend entnahm ich die Mägen der Lake, spülte sie unter fließendem Wasser gut ab, trocknete sie mit einem Tuch, und gab sie in einen schmalen hohen Edelstahlbehälter, in dem ich zuvor im Wasserbad eine Packung Butterschmalz zerlassen hatte.

Gerne hätte ich Entenschmalz verwendet, aber die Tiere hatten in diesem milden Winter kaum Fett angesetzt, und in dem örtlichen Lebensmittelgeschäfte war leider auch keines erhältlich.

Das Schmalz bedeckte die Mägen komplett. Mit dem Sousvide-Stick hielt ich die Temperatur nun über 4 Stunden bei 80°C.
Ich sterilisierte einige Schraubdeckel-Gläser und füllte nun die Mägen mitsamt dem Fett ab.

Einen aber hielt ich zurück und schnitt ihn direkt an. Eine gleichmäßig rosa Schnittfläche lag vor mir. Ich zerteilte den Magen in 4mm dicke Scheiben und probierte.

Wow! Intensiver Geschmack nach Entenfleisch, nur leicht an Innereien erinnernd, zerschmolz auf meiner Zunge. Das Ergebnis übertroff all meine Erwartungen.
Die Gläser mit dem ausgehärteten Fett und den darin eingeschlossenen kleinen Kostbarkeiten schlummern nun im Keller und warten darauf, unsere Gäste zu überraschen, sobald wir denn wieder welche einladen können. Ich bin sicher, sie werden genauso begeistert sein, wie ich.
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KRAUTJUNKER-Kommentar: Aus Körperteilen geschlachteter Tiere, die man spontan eklig findet, Delikatessen zu zaubern, welche köstlicher als die vermeintlich edlen Teile sind, finde ich bewundernswürdig und nachahmenswert.
Besonders fasziniert hat mich bei diesem Blogbeitrag die selbstgebaute Rupfmaschine. Sie erinnerte mich an eine Geschichte aus Die Sendung mit der Maus, welche meine Tochter lieben: Die famose Auszieh-, Zähneputz- und Insbettbringmaschine, nur eben für Enten.
Unbedingt anhören:
https://kinder.wdr.de/radio/diemaus/audio/maushoerspiel/audio-die-famose-insbettbringmaschine-100.html
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KRAUTJUNKER-Koch Daniel Schoch

Daniel Schoch ist Jäger, Angler, Imker, Geflügelhalter, Selbstversorger, Schreiner und Spinner. Seine Wurzeln liegen in der sonnigen Pfalz, zwischen Rhein und Reben. Nach einem mehrjährigen Ausflug ins schöne Portugal, zog er vor neun Jahren wieder in die alte Heimat. Seitdem isst er die Wälder und Flüsse des Mittelrheingrabens etwas leerer.
Er liebt und lebt für gutes Essen, gute Getränke, für die Jagd und für den Punkrock.
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.