Jagen und Fischen: Gemeinsames und Trennendes

von Werner Berens

Ich erinnere mich an sonnendurchglühte Frühlings- und Sommertage, an glasklare Niederungsbäche voller Stichlinge, voller Kamm- und Bergmolche und an Froschkonzerte.

Ich sehe mich selbst, wie ich auf dem Bauch mit aufgekrempeltem rechten Ärmel am Bachufer liege und mit blitzschellem Zugriff Molche und Stichlinge fange, sie nach dem Betrachten wieder ins Wasser gleiten lasse. Ich erinnere mich an mein erstes Fernglas, vom Taschengeld zusammengespart, sehe mich morgens um 4 aus dem Haus schleichen, um im Bruchwald hinter den Häusern durchs Glas die auf Lichtungen äsenden Rehe zu beobachten.

Abb.: Plitvice Lakes National Park; Bildquelle: Photo by Marla Prusik on Unsplash

Gemeinsames

Nein, der Leser muss NICHT die alterswehmütige Betrachtung vergangener Tage befürchten. Diese „Präliminarien“ sollen lediglich verweisen auf einen-mit Unterbrechungen- lebenslangen Prozess des Beutemachens, und dass die Quintessenzen daraus keine intellektuelle „Eintagsfliege“ sind, sondern etwas in vielen Jahren Gewachsenes……. In meinem Fall hat es begonnen mit dem oben Erwähnten, aus den Molchen und Stichlingen sind „richtige“ Fische und aus den beobachteten Rehen sind erlegte geworden. Alles das zusammen ist Beutemachen. Jagen und Fischen sind Formen des Beutemachens mit denen wir Zivilisationsmüde an die archaischen inneren Zustände unserer Altvorderen anknüpfen, die hunderttausend Jahre lang belauert, beschlichen, getrieben, gefangen und getötet haben, um ihr Überleben zu sichern, die hundertausend Jahre lang gejubelt und getanzt haben, wenn sie erfolgreich waren. Beutemacher haben etwas von dem, was ihre Vorfahren gefühlt haben mögen, in sich bewahren können. Jäger und Fischer lassen mit dem Fangen und Erlegen von Tieren ein archaisches in ihnen angelegtes Erbe aufleben, das sie sowohl beim Prozess des Beutemachens als auch bei einem guten Ergebnis Spannung und Freude empfinden lässt. Damit ist die erste ganz allgemeine Gemeinsamkeit von Jagen und Fischen erwähnt.

Bildquelle: Werner Berens

Was ist Beutemachen? Der Beutemacher/die Beutemacherin bringt eine Sache/ ein Tier in seinen/ihren Besitz, um dann eine Entscheidung darüber treffen zu können, was damit geschehen soll.

Die zweite Gemeinsamkeit von Jägern und Fischern ist: Beide wollen den Vorgang des Beutemachens zu einem guten Ende bringen. Das gute Ende ist die Inbesitznahme der Beute, verbunden mit der Entscheidungsmacht über die Beute.

Trennendes

Doch es gibt auch Trennendes: Es liegt in der Natur der Sache als solcher und im Verhalten der Beteiligten. Die Natur der Sache ist: Der Fisch gelangt lebend in den Besitz des Anglers. Er kann nach dem Fang entscheiden, ob er den Fisch wieder entlässt oder ob er ihn tötet und mitnimmt.  Der Jäger kann das nicht. Rehe und Hasen kann man nicht fangen und wieder releasen. Die Voraussetzung ihrer Inbesitznahme ist ihr Tod-von der Fallenjagd einmal abgesehen. Der Jäger hat nicht die Optionen, die der Fischer hat.

Bildquelle: Werner Berens

An dieser Stelle kommt das Verhalten oder besser die mangelhafte Denktiefe der Beteiligten Ins Spiel. Die Unterschiede in der Sache sind das, was viele Fischer- vor allem Fliegenfischer- nicht erkennen/erkennen wollen, womit das nächste Trennende erwähnt wäre. Aus der in ihrer Passion und in der Karpfenszene geübten Praxis des Catch and Release leiten die „Zukurzdenkenden“ dieser Zünfte moralische Pluspunkte ab, weil sie ihrer Beute das Leben lassen. Sie sind stolz darauf, sich ihrer Beute gegenüber „rücksichtsvoll“ zu verhalten. Sie zerbrechen sich den Kopf darüber, ob, wann und wie man die Beute fotografiert, releast, wie man sie anfasst. ….Alles gut…solange man nicht beginnt, aus der „sportlichen“ und Nachhaltigkeit fördernden Art des Beutemachens die Berechtigung abzuleiten „Moralpodeste“ zu errichten, auf die man sich stellt, um auf Jäger hinabzusehen. Gegen solche Tendenzen hilft die Erkenntnis, dass Jäger die Catch-and-release-Option gar nicht haben.

Aber auch etliche Jäger sind schwer davon zu überzeugen, dass man Fische in erster Linie um des Fangens willen fängt, sie anschließend wieder freilässt, statt sie zu essen. Sie betrachten es als moralisch verwerflich, Lebewesen um des „Sportes“ willen Leiden zuzufügen und bedenken dabei nicht, dass sie den Abschuss des ungarischen Trophäenhirsches nicht wegen seiner hervorragenden Filets bezahlt haben, sondern weil das damit verbundene Jagderlebnis und die Trophäe im Vordergrund standen.

Bildquelle: Werner Berens

Quintessenzen

Ich bin seit vielen Jahren Fischer, etwas jünger ist meine „Mutation“ zum Fliegenfischer und noch jünger die zum Jäger. Als nun endlich „kompletter“ Beutemacher mit etlichen Kontakten zu beiden Seiten räume ich nahezu wöchentlich gegenseitige Verständnislosigkeiten auf den Müll und hoffe auf den Tag, an dem das nicht mehr nötig ist, weil die Kenntnisse über die Bedingungen der jeweils anderen Form des Beutemachens wachsen und die Pflege und das Bewusstsein der Gemeinsamkeiten in einer „durchzivilisierten“ ,von ihren Ursprüngen abgehoben „Digitalgesellschaft“ als wichtiger erkannt werden als das Aufzählen von Unterschieden.

Bildquelle: Werner Berens

Denn eins muss Fischern und Jägern klar sein: Die „Verteidigung“ der Freude am Fischen und Jagen in einer Zeit, in der Menschen ihre Hunde vegan ernähren, gelingt mit Trennendem nicht.

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Werner Berens

Werner Berens ist Fliegenfischer, Jäger, Autor und Genussmensch, der den erwähnten Tätigkeiten soweit als möglich die lustvollen Momente abzugewinnen versucht, ohne aufgrund kulinarisch attraktiver Beute übermäßig in die falsche Richtung zu wachsen. Als Leser und Schreiber ist er ein Freund fein ziselierter Wortarbeit mit Identifikationssmöglichkeit und Feind von Ingenieurstexten, die sich lesen wie Beipackzettel für Kopfschmerztabletten. Altermäßig reitet er dem Sonnenuntergang am Horizont entgegen und schreibt nur noch gelegentlich Beiträge für das Magazin FliegenFischen.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Outdoor-Becher aus Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

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