Bracco Italiano: Der trabende Denker oder wie ich auf den Hund kam

am

von Gero Mielczarek

Der Auslöser für die Anschaffung eines Jagdhundes war mein Wechsel aus abhängiger Beschäftigung in die Selbständigkeit.  Vorher war mein Broterwerb zeitlich und raummäßig so dermaßen fremdbestimmt, daß an einen Hund nicht zu denken war. Ich jagte schon einige Zeit ohne Hund, konnte mir also die verschiedenen Jagdhunderassen bei ihrer Arbeit in den unterschiedlichsten Revieren und Jagdarten anschauen.

Abb.: Vito (Oberon du Close des Petits Vignes); Bildquelle: Gero Mielczarek

Neben den Teckeln in allen Varianten faszinierten mich vor allem Deutsch Drahthaar und Großer Münsterländer. Mit der Lösung eines Begehscheines in einem klassischen Niederwildrevier zwischen Elbe und Mulde hatte ich auch die objektiven Voraussetzungen, einen Vorsteher entsprechend seiner Anlagen jagdlich zu führen. Das Gespräch mit einer Falknerin wurde zum Erweckungserlebnis. Sie brachte mir den Bracco Italiano nahe und nachdem ich Bilder und Videos dieser Rasse gesehen hatte, insbesondere den raumgreifenden Trab mit erhobenem Haupt, war es um mich geschehen.

Abb.: Valentino; Bildquelle: Jeanette Koepsel

Jetzt mußte noch die Holde überzeugt werden. Diese hatte drei Prämissen:

1. Der Hund durfte unseren Katzen (wir haben seit zwanzig Jahren Maine Coon) nichts tun.
2. Es sollte ein kurzhaariger Hund sein, denn sie wußte von Jagdfreunden, die Langhaarhunde führten, was da so alles hängen bleibt.
3. Er sollte nicht so fiebrig wie die Deutsch Kurzhaar meiner Jägerschaftskameraden sein.

Nach dem Besuch eines ersten Bracco Italiano-Treffens, welches Cathrin Knapheide 2016 organisierte und bei dem ich erstmalig in realiter diese prächtigen Hunde bewundern konnte, war klar: Diese Rasse ist es!

Bildquelle: Mi Schlenther

Die Bedenken meiner Frau wurden mit dem Hinweis: „Alles eine Frage der Erziehung und Führung.“ zerstreut. Die meisten der anwesenden Hundeführer waren wie ich Niederwildjäger und wiesen auf die notwendige Reviertauglichkeit für die Arbeit eines Feldhühnerhundes hin und das er beim Saufen die Umgebung fluten würde. Erstes war gegeben und zweites war kein k.o.-Kriterium.

Abb.: Cathrin Knapheide mit Lando; Bildquelle: Tanja Brandt

Nun galt es, einen Züchter zu finden. Die meisten Würfe fallen naturgemäß in Italien. Allerdings tun sich die Italiener schwer, vielversprechende Welpen ins Ausland zu geben. Da muß man als Tedesco schon gute, langjährige Kontaktpflege betreiben. Italienisch sprechen schadet auch nicht. Bei einem Field Trail 2017 lernte ich ein bömisches Züchterehepaar kennen, welches für das kommende Frühjahr einen Wurf plante und gleich hinter der sächsischen Grenze wohnte. Die Elterntiere überzeugten mich sowohl optisch als auch bei der Feldarbeit. Wir meldeten Interesse an und planten schon die Welpeneingewöhnung.

Bildquelle: Gero Mielczarek

Im Mai 2018, wir waren gerade in der Toscana, kam die Hiobsbotschaft. Die Hündin hatte nur einen Welpen inne und der sollte bei den Züchtern bleiben. Da war guter Rat teuer. Wir voll im Welpenmodus und kein Welpe in Sicht. Wieder war es Cathrin Knapheide, die half. Sie wußte von dem französischen Züchter Pierre Badia, dessen Hunde aus alten italischen Linien stammen, daß er einen frischen Wurf liegen hatte. Kleiner Wermutstropfen: er residierte nicht im grenznahen Elsaß sondern in Südfrankreich am Fuße der Pyrenäen. Egal, wir kommunizierten per e-Post und wurden uns schnell einig.

Abb.: Pierre Badia mit Dante, Vater von Vito, Bildquelle: Pierre Badia

Die Entfernung von 1600 km erlaubte keinen ersten Schnupperbesuch, wir mußten uns auf das Gefühl des Züchters verlassen und mit dem Welpen eine nicht unbeträchtliche erste Reise unternehmen.  Wir wurden herzlich empfangen. Als wir den Welpenauslauf betraten, kam ein kleiner Rüde sofort auf meine Frau zugewackelt und die Entscheidung war gefallen; für uns. Pierre wollte aber eigentlich diesen Rüden für die Zucht behalten. Dilemma. Nach kurzer Diskussion ließ er sich von meiner Frau erweichen und das Glück war perfekt.

Abb.: Züchter Pierre Badia, Klein Vito; Bildquelle: Gero Mielczarek

Die Rückfahrt in zwei Etappen mit Übernachtung bei Freunden auf der schwäbischen Alp verlief problemlos. Nun kam das spannende Aufeinandertreffen mit den Katern. Respektvoll beäugte man sich und entschied sich für friedliche Koexistenz. Das ist bis heute so geblieben.

Bildquelle: Gero Mielczarek

Die Entscheidung für einen Bracco Italiano habe ich nie bereut. Er ist der beste Kontor-Hund, den man sich vorstellen kann. Jeder Besucher wird freundlich begrüßt. Anderen Hunden gegenüber ist er entspannt und offen, einzig Welpen bereiten im Unbehagen. Jagdlich ist er ein ausdauernder Stöberer, perfekter Vorsteher, konsequenter Wasserverweigerer und rehrein.

Bildquelle: Gero Mielczarek

An das Gefrotzel auf Gesellschaftsjagden, was ich denn da am Strick hätte, habe ich mich gewöhnt.  Spätestens wenn „Such voran!“ ertönt oder er nach kurzem Pfiff vom hochflüchtigen Reh abdreht, weicht die Skepsis.  Beim Schüsseltreiben oder auf Kneipen ist er geduldig und relaxt. Die Couch teilt er gern mit uns. Was will man mehr. Einmal Bracco – immer Bracco!

Rasseporträt

Der Bracco Italiano ist ein Jagdhund mit einer aristokratischen Erscheinung alten italischen Ursprungs. Er ist einer der Urahnen der modernen Vorstehhunderassen. Er fand Erwähnung in einem Sonett von Dante Alighieri und wurde von den italischen Fürstenfamilien de Medici und Gonzaga so gezüchtet für die einst gebräuchliche Vogeljagd mit Fangnetzen, wie er heute noch aussieht: kräftig und ausgewogen gebaut, mit aufmerksamem Ausdruck, langen, freien Bewegungen, hoch getragenem Kopf und trockenen Gliedmaßen. Die heutige Form des Bracco Italiano geht zurück bis ins 18. Jahrhundert.

Abb.: Jagdmorgen; Bildquelle: Giovanni Battista Quadrone

In dieser Zeit beschreibt man zwei verschiedene Typen: den kastanienbraunen Bracco Lombardo und den Bracco Piemontese mit orangenen Abzeichen. Hunde mit besonders hohem Weiß-Anteil wurden als Königshunde, cane di rei bezeichnet. Neben den Farben unterschieden sie sich vor allem im Körperbau und in der Bewegung. Während der Bracco Lombardo einen trabenden, sehr eleganten Laufstil zeigte, war der Bracco Piemontese für den jagdlichen Einsatz im bergigen Gelände des Piemonts gezüchtet worden. Später wurden beide Typen zusammengeführt. Aus dieser gemeinsamen Zucht resultiert die heutige Form des Bracco Italiano. Noch heute existiert ein schwerer und ein leichter, hochläufiger Schlag. Man spricht vom Bud Spencer- und vom Terence Hill-Typ. Beide Varianten arbeiten grandios.

1949 schlossen sich Züchter und Liebhaber des Bracco Italiano zum Zuchtverband Società Amatori Bracco Italiano, kurz S.A.B.I., zusammen, von dem es auch eine deutsche Sektion gibt. Der Bracco Italiano gehört zur Gruppe 7 der kontinentalen Vorstehhunde.

Abb.: Valentino; Bildquelle: Jeanette Koepsel

Er ist ein vielseitiger Jagdbegleiter, der den Vergleich zu anderen Vorstehhunderassen nicht zu scheuen braucht. Festes Vorstehen, Finderwille und Bringfreude zeichnen einen guten Bracco Italiano aus. 

Er mag auf den ersten Blick etwas schwerfällig erscheinen, sobald man ihn jedoch in dem rassetypischen, raumgreifenden Trab, dem Trotto mit erhobenem Haupt, bei der Suche im Feld beobachtet, schwindet dieser Eindruck. Er strahlt Ruhe und Kraft aus und wird als der Denker unter den Vorstehhunden bezeichnet. Deshalb führen auch etliche Falkner Bracchi.

Abb.: Lando, Don Alfonso, Beizvogel; Bildquelle: Cathrin Knapheide

In konsequenten Händen können Wasserfreude ebenso wie Raubwildschärfe herausgearbeitet werden.  Etliche Bracchi bestanden mit Bravour die VGP, die Meisterprüfung für Vorsteher in Deutschland. Andere werden zur Nachsuche ebenso erfolgreich eingesetzt wie an Sauen. Er ist von der Herkunft her ein Vogelhund, kann aber durch Führerintelligenz zu allem eingesetzt werden, außer zur Baujagd.

Auf der Suche nach Wild hält der Bracco Italiano das Haupt erhoben, so dass sich die Nase noch leicht über der Rückenlinie befindet. Sein Geruchssinn ist hoch entwickelt und lässt sich durch nichts ablenken. Aufmerksam und konzentriert, mit nachdenklich-ernstem Gesicht, geht er seiner Aufgabe nach und strahlt dabei erhabene Würde aus. Dabei macht sich der Hund günstige Winde zunutze und trabt hochkonzentriert durch die Landschaft. Den Rhythmus scheint ihm seine Rute vorzugeben, die wie ein Taktmesser hin und her schwingt. Die vornehme Haltung behält er auch beim Vorstehen bei.

Bei der Ausbildung bedarf es meist keiner großen Härte, da der Bracco sensibel und von Natur aus lernwillig ist und sowieso alles tut, um seinen Menschen zu gefallen, jedoch ist auch bei einem Bracco Konsequenz erforderlich. Der legendäre italischen Ausbilder Danilo Rebaschio beschrieb dies wie folgt:

„Die Sensibilität der Rasse wird oft missverstanden und entsprechend falsch darauf reagiert. Dass der Bracco ein sensibler Hund ist, bedeutet nicht, dass man ihn nicht tadeln oder strafen darf, weil er sonst angeblich unter der seelischen Belastung zerbricht. Zutreffend ist, dass der Bracco aufgrund seiner hohen Empfindsamkeit verstehen will und unbedingt verstehen soll, wieso wir ihm etwas verbieten oder ein bestimmtes Verhalten einfordern. Entscheidend ist, solche Tadel oder Einwirkungen im Bedarfsfalle ruhig und beherrscht auszuführen und dem Hund, sobald er sich wunschgemäß verhält, sofort wieder die vertraute Zuwendung zu schenken. Der Bracco ist ein Hund, der wirklich nachdenkt, und nur wenn er auf seine Weise versteht, warum er bestraft wird, korrigiert er sein Verhalten entsprechend.“

Für viele Italiener ist der Bracco Italiano ihr National-Hund. Sie freuen sich bei seinem Anblick wie über einen Ferrari. Es gibt sogar ein Madonnenbildnis, auf dem er verewigt ist. La Madonna del Beccaccino  von Annibal Cerutti, welches in Mezzana Bigli, einer kleinen Gemeinde in der Lombardei, zu bewundern ist.

Abb.: La Madonna del Beccaccino; Bildquelle: Annibal Cerutti

*

Gero Mielczarek

Gero Mielczarek. Jahrgang 1968. Ewiggestriger Teetrinker, Tiefatmer und Wandervogel, nirgends mehr Ruhe findend als in Büchern und Wäldern. Lebt mit Frau, Katzen und Hund in Dessau/Anhalt.

Motto: Dankbar rückwärts, gläubig aufwärts, liebend seitwärts, mutig vorwärts.

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Emaille und Porzellan. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s