Wie man Morcheln am ehesten findet

am

von Simon Drabosenig und Günter Mischkulnig

»Die Morchel hat einen unregelmäßig-walzenförmigen weißen Strunk, der inwendig hohl und oberhalb mit einem Hute gekrönt und verbunden ist. Sie erscheint bey uns zu Anfang des Maymonaths in Laubwäldern oder auch in Obstgärten, wenn der Rasenboden einige Jahre vorher mit Asche und Baumlaube gedüngt worden, und wenn die Lage so beschaffen ist, daß sie die Winterfeuchtigkeit lange Zeit aufbehalten kann. Man genießt sie als Gemüse, schmort sie in Butter, Zucker und Wein oder füllt sie mit fricassierten Leckerbißchen. Auch pflegt man sie getrocknet für den Winter aufzubehalten.«
(Leopold Trattinick: »Die eßbaren Schwämme des Oesterreichischen Kaiserstaates«, Wien 1830)

Die Ausrüstung: Zum Sammeln eignen sich am besten kleinere Körbe oder Spankörbe. Leinensäcke, Beutel aller Art oder Netze sind nicht optimal, da die gesammelten Morcheln darin zu sehr zusammengedrückt werden. Besonders wichtig ist es, die Morcheln mit einem Pilzmesser am Stiel abzuschneiden und schon am Fundort Verschmutzungen mit der Pilzbürste zu beseitigen. Damit ersparen Sie sich mühseliges Reinigen in der Küche und die Pilze halten meist auch länger. Ist das nur unzureichend möglich, zum Beispiel wenn die Pilze sandig sind, können sie vor der Zubereitung mit einem schärferen Brausestrahl abgeduscht werden. Da nur einwandfreie Morcheln ins Körbchen wandern sollten, lässt man Pilze, die weich und alt, teilweise schimmelig oder fast vertrocknet sind, stehen. Ein einzelner verdorbener Pilz kann das ganze Pilzgericht zunichte machen.

Die Sammelzeit: Unter Pilzfreunden gilt der 1. Mai weniger als der »Tag der Arbeit«, sondern als der »Tag der Morchel«. Daran können Sie auch erkennen, wann die beste Sammelzeit ist, die je nach Höhenlage etwa von Ende März bis Anfang Juni andauert.

Die Methode: Morcheln sind im Laub des Vorjahres schwer zu entdecken. Um es Ihnen leichter zu machen, seien folgende Ratschläge aus dem Buch »The Curious Morel« von Larry Lonik angeführt: Es empfiehlt sich unter anderem nach der Methode der Mustererkennung eine bereits vorhandene Morchel zehn Minuten anzustarren, um das Bild der Morchel zu kalibrieren und gedanklich abzuspeichern und in der Folge den Boden nach ähnlichen Mustern abzusuchen.

Die Fundorte: Gute Morchelplätze werden wie Geheimnisse gehütet, und haben Sie etwaige Standorte irgendwann doch einem Freund preisgegeben, könnten Sie es bitter bereuen. Speisemorcheln sind standorttreu, dennoch treten sie nicht jedes Jahr an den gleichen Plätzen auf. Trockenes Wetter vor oder zur Zeit der Ernte bringt oft gar keine Pilze hervor. Das Zeitfenster in einem Gebiet ist im Grunde auf ein bis maximal zwei Wochen beschränkt. Die Zeit des Wachstums ist auch stark geprägt durch die Lage: Auf einem Südwesthang erscheinen sie deutlich früher als auf einem Nordosthang. Die scheuen Morcheln kommen in Laub- und Mischwäldern, auf Waldwiesen, unter Gebüschen in Parkanlagen, an Waldböschungen, an Waldrändern und in Auwäldern vor. Besonders gerne wachsen sie unter Eschen, Pappeln, Ulmen, Eichen, Hainbuchen, Birken und Weiden. Aber auch unter Haselnusssträuchern und Rosengewächsen sind sie zu finden. Speisemorcheln treten aber auch in Gärten, auf Rasenplätzen zwischen abgefallenem Laub, auf Komposthaufen, auf Sandböden, an stillgelegten Bahngleisen sowie an Straßenrändern auf. Sie lieben kalkreiche und meiden gedüngte Böden.
Die Speisemorchel ist am ehesten mit der Spitzmorchel zu verwechseln, jedoch von dieser durch die sehr unregelmäßige Wabenstruktur des Hutes und die in der Regel runde Hutform leicht zu unterscheiden.


Abb.: Speise- oder Rund-Morchel (Morchella esculenta); Bildquelle: Wikipedia

Die Spitzmorcheln wachsen auch gerne auf sandigen Böden in Mischwäldern entlang von Flüssen. Sie gehören zu den wenigen Pilzen, die auch auf Baustellen oder am Boden zerstörter Lebensräume vorkommen können. Sie erscheinen an solchen Plätzen als die ersten Lebensformen. Eine Standorttreue wie die Speisemorchel weist sie nicht auf. Es gilt die Pilzsammler-Weisheit: »Spitzmorchel einmal hier, einmal dort.« Häufig sind Spitzmorcheln wie bereits erwähnt auf Rindenmulch – und das manchmal sogar in Massen – zu finden. Jedoch bleiben alle diesbezüglichen Funde auf das Fundjahr beschränkt.

Abb.: Spitz-Morchel (Morchella elata); Bildquelle: Wikipedia

Die kuriosen Fundorte: Paul Stamets berichtet in seinem Buch »Growing Gourmet and Medicinal Mush rooms« von massiven Morchelvorkommen nach Naturkatastrophen. So traten im Frühjahr 1989 nach Waldbränden im Yellowstone Nationalpark im Sommer davor sehr reiche Morchelfunde auf. Hunderte Kilo Morcheln wurden von aufgeregten Sammlern in ihre Pickups verladen. Zu ihrer Bestürzung waren die Morcheln aufgrund der grobkörnigen Veraschung der Fruchtkörper ungenießbar. Weitere außerordentliche Morchelfunde brachte das Frühjahr 1980, ein Jahr nach dem Ausbruch des Mount St. Helens im Süden des US-Bundesstaates Washington.
Tausende von Morcheln traten einige Wochen nach der Flutung einer Baumschule mit Schlamm durch ein Zellstoffunternehmen im Bundesstaat Washington auf. Nach der über eine Woche lang dauernden Flutung eines Hinterhofs im östlichen Oregon konnte eine Riesenmorchel mit vier Pfund Gewicht geerntet werden. Ein regengetränkter Strohballen auf einem Weizenfeld brachte einen Morchelfruchtkörper mit mehreren Pfund Gewicht hervor. In den Ruinen eines abgebrannten Hauses in Idaho wurden große Morcheln im ehemaligen Kohlenkeller gefunden. Eine Baumschule im Bundesstaat Washington verkaufte Töpfe mit Flammenblumen – aus jedem Topf wuchsen Morcheln. Eine Frau aus Napa Valley, Kalifornien, berichtete, dass sie im offenen Kamin ihres Hauses Morcheln auf der Kaminasche fand. Der Kamin war für sechs Monate nicht in Betrieb gewesen.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

Titel: Morchel

Autoren: Simon Drabosenig u. Günter Mischkulnig

Verlag: Mandelbaum Verlag

Verlagslink: https://www.mandelbaum.at/buch.php?id=733&menu=buecher

ISBN: 978385476-532-5

Buchvorstellung: https://krautjunker.com/2019/02/28/morchel/

Titelbild des Blogbeitrages: Speise-Morchel (Morchella esculenta); Bildquelle: Wikipedia

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