von Christian Maintz
I
Der Nashornbulle Waldemar
Benimmt sich ziemlich sonderbar:
Er schnauft und brüllt und rammt voll Zorn
Sein ellenlanges Nasenhorn
In jeden Baum, der ihm begegnet,
Worauf es Kokosnüsse regnet.
Warum er tobt? Warum er klagt?
Er hat heut Nacht im Bett versagt.
Zwar sprach das Nashornweibchen mild:
„Mein Lieber, das ist halb so wild,
Das kann doch jedem mal passieren,
den kleinen wie den großen Tieren,
Dass mal ein Koitus missrät;
Was zählt, ist Sensibilität! “
Doch Waldemar in seiner Pein,
Stürmt ungetröstet querfeldein,
Rast weiter, bis die Socken qualmen,
Und demoliert wohl hundert Palmen.
II
Ein alter weiser Marabu
Sieht Waldemar ein Weilchen zu
Und krächzt sodann: „Gemach, mein Sohn,
Die erektile Dysfunktion
Ist heilbar, so wie jede Krise,
Vermittels Psychoanalyse.
Zwar mag es sieben Jahre währen,
Bis man dein Trauma aufzuklären
Und noch die letzten trüben Stellen
Im Unbewussten zu erhellen
Vermag, doch ist es dann geschafft,
Kehrt bald zurück die Manneskraft.“
Ein zweiter greiser Marabu
Gibt gleichfalls seinen Senf dazu;
Er meckert laut: „So klappt das nie!
Iss lieber reichlich Sellerie!“
Ein dritter Vogel räuspert sich
Und äußert ziemlich feierlich:
„Du Tor, der du nach Wollust gierst
Und so zum bloßen Vieh vertierst,
Entsage! Richte Blick und Herz
Von Stunde an auf- und himmelwärts!
Das Fleisch, nun ja, wohl zwickt und beißt es,
Doch wandelst du den Pfad des Geistes,
Erschließt sich dir der tiefe Sinn …
Moment mal, wo rennt der denn hin?“
II
Ja, Waldemar ist rasch entschwunden
Und hat zur Gattin heimgefunden.
Er trifft die Holde, Ann-Christine,
Im Keller vor der Waschmaschine,
Wo sie nach einem Strumpf sich bückt –
Ein Anblick, der ihn tief entzückt.
Er löst Krawatte, Hemd und Hose
Und küsst sein Weib, das ahnungslose,
Mit lautem Schmatzen aufs Gesäß;
Die Schöne kichert demgemäß.
Prompt reißen in des Waschraums Enge
Bei beiden Gatten alle Stränge;
Sie sinken unter wildem Schnaufen
Gemeinsam auf den Wäschehaufen.
Rhinozerossens, wie im Märzen,
Beginnen munter, sich zu herzen.
In feuchter Wärme eingekesselt,
Gebärden sie sich wie entfesselt;
Da wird geschleckt, gedrückt, gepresst –
Hormone sorgen für den Rest.
Schon bebt das ganze Nashornhaus …
Doch halt, hier blenden wir uns aus
Und rufen Cut! diskret und schnell;
Wir sind ja nicht bei RTL.
***

Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

Titel: Liebe in Lokalen
Autor: Christian Maintz -> http://www.christianmaintz.de/
Verlag: Verlag Antje Kunstmann GmbH
Verlagslink: https://www.kunstmann.de/buch/christian_maintz-liebe_in_lokalen-9783956140938/t-0/
ISBN: 978-3956140938
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Bereits veröffentlichte Wortmusik:
https://krautjunker.com/2018/02/02/aus-dem-liebesleben-der-tiere-heute-das-wildschwein/
https://krautjunker.com/2018/05/20/briefe-deutscher-denker-folge-i-immanuel-kant/
https://krautjunker.com/2018/02/17/die-rebhuhnjagd/
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Illustration: Photo by Glen Carrie on Unsplash