von Siegfried Erker
Wenn das Wetter für längere Zeit mit höheren Temperaturen schön bleibt, kann man auch tagsüber erfolgreich Sauen im Suhlenbereich bejagen. Man sollte jedoch in der Nähe einer Suhle einen einfachen Bodensitz – unter Berücksichtigung der Windbewegungen und der Natur angepasst – bauen. Solche Sitze sind schnell errichtet, da man nicht unbedingt ein Dach benötigt, weil man Sauen bei Regen an der Suhle sowieso nicht erwartet. Vierkant- oder Rundlingssteher mit Aussteifungsholz einschließlich Sitzbrett sowie einer guten Schussauflage und einer Verblendung aus Reisig bzw. Laubästen reichen vollkommen aus. Das Wichtigste ist, dass man zur Suhle und zu den Malbäumen sieht. Kommt eine Rotte, sollte man nicht gleich den Finger krumm machen, sondern erst wenn sie wieder wegzieht, eine der letzten Sauen – Frischling oder Überläufer – zur Strecke bringen. Kommt eine passende Sau alleine, kann man diese auch vorher erlegen, bevor sie in die Suhle geht und sich mit Schlamm vollbetoniert. Gerne nutze ich diese Gelegenheiten im Hochsommer untertags, da Sauen, wenn Suhlen in ruhigen, gedeckten Revierteilen liegen, auch tagsüber immer wieder auftauchen. Man kann auch noch mit einem Lockinstrument ein vertrautes Grunzen nachstellen und signalisiert den Sauen, die sich im Umkreis von ein- bis dreihundert Metern aufhalten oder ruhen, dass man sich bei heißem Wetter in einer Suhle sauwohl fühlen kann.
Ende Mai ging ich nach dem Mittagessen ins Holz zu einem Bodensitz, der ca. fünfzig Meter von einer Suhle entfernt war. Den Pirschsteig zu diesem Sitz – auch zu anderen Sitzen – halte ich immer von Laub frei, damit ich ihn geräuschlos betreten kann. Beim Hinpirschen haben es mir die Eichelhäher nicht gerade leicht gemacht, denn sie haben aufgeregt geschimpft, was das Zeug hergab. Am liebsten hätte ich einen vom Baum geholt. Nach fast einer halben Stunde verstummten die Stimmen der Eichelhäher. Nach einer Zuwartezeit von einer weiteren halben Stunde, kurz vor 15 Uhr begann ich mit dem Hubertus-Saulocker ein vertrautes Grunzen abzusetzen. Die warme, schwüle Luft trieb mir schon den Schweiß heraus, aber keine Sau kam auf mein Grunzen, geschweige denn zur kühlen Suhle. Nach drei weiteren Versuchen im Viertelstundenintervall wurden die Eichelhäher plötzlich wieder aktiv. Nachdem ihre Stimmen immer intensiver wurden, war ich mir sicher, dass sich Wild näherte. Gespannt beobachtete ich den einsehbaren Bereich und sah schon eine starke Sau, die sich bereits im Haarwechsel befand, wie sie sich Richtung Suhle bewegte.
Nachdem ich mir nicht ganz sicher war, ob es sich tatsächlich um einen Keiler handelte, nahm ich noch mein Fernglas zur Hand und wurde umgehend bestätigt: Es war ein Keiler, aber was für einer!

Bis ich jedoch meine Waffe im Anschlag hatte und das Ziel erfassen wollte, war der Keiler schon in der Suhle und genoss so richtig das Schlammbad. Nachdem mir auch heiß war, es hatte immerhin über 25 °C, wäre ich genauso gerne zum Abkühlen ins Wasser gesprungen. Zwischendurch, aufgrund der Geländegegebenheiten sah ich den Keiler kaum, da er sich in das Schlamm-Wasser-Gemisch hineinwühlte. Manchmal tauchte sein Kopf auf, da er sich immer wieder in die Suhle setzte. Einen herrlichen Anblick bot er mir da, denn vom Wurfbereich tropfte das braune Wassergemisch herunter. Nach fast einer halben Stunde Suhlenschauspiel verließ der Keiler, vollbetoniert mit Schlamm, die Suhle. Den Wechsel zum Malbaum betropfte er mit dem Schlamm-Wasser-Gemisch, denn von seinem ganzen Körper floss der dünnflüssige Schlamm ab. Bei einem Malbaum mit einem Durchmesser von gut 40 cm scheuerte er sich mit großer Begeisterung. Ich überlegte, ob ich ihn erlegen sollte oder nicht. Nachdem der Keiler anständig Patina hatte, ließ ich den Finger gerade, denn ich wollte nach der Bergung nicht so aussehen wie er.
Ich dachte mir, wenn er mir bestimmt ist, werde ich ihn schon kriegen, wenn nicht, dann freut sich ein anderer Schütze. Nachdem sich der Keiler nach der Abkühlung wieder verdrückt hatte, begann ich abermals mit dem vertrauten Grunzen.
Nach geraumer Zeit kamen vier Junggesellen-Keilerchen, ich meine halbwüchsige Überläufer. Und ich war schnell, dem Letzten der vier verpasste ich eine Kugel im Kaliber 9,3×62 und er lag im Feuer und bewegte nicht einmal mehr seine Hämmer. Da die drei anderen nur mehr die Suhle im Fokus hatten, verhofften sie nur kurz nach dem Schuss und bewegten sich gleich weiter zur Suhle und weiter ins Schlammbad. Dass der Vierte im Bunde den drei anderen nicht abgegangen ist, war für mich mehr als nur rätselhaft. Mit einem Genuss tobten sie sich in der Suhle aus. Nachdem auch sie genug Patina auf dem Körper hatten, besuchten sie wie der Keiler davor die Malbäume, scheuerten daran ihre Körperteile und verschwanden. Ich holte mir anschließend den Überläufer, den ich in eine Planentrage legte. Den vorhandenen Schweiß am Anschuss rührte ich mit meinen Schuhen in das Erdreich ein. Drei Tage später war ich fast zur selben Zeit wieder am Bodensitz. Nur gelang es mir diesmal, den Keiler, noch bevor er die Suhle erreichen konnte, auf die Schwarte zu legen. Durch meine unbeschwerte, neidlose jagdliche Einstellung werde ich sehr oft von unserem Schutzpatron belohnt!
Und noch eine weitere Suhlenbegebenheit finde ich erwähnenswert. Gerade an heißen Sommertagen haben Sauen ein besonderes Bedürfnis, sich ein Wasserschlammbad zu genehmigen und sich darin auszutoben.
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KRAUTJUNKER-Kommentar: Dies ist nur die erste Hälfte des Buchkapitels. Die Zweite, mindestens ebenso lehrreich wie unterhaltsam, findet sich im Buch Sauen! von Siegfried Erker.
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Der Autor im Deutschen Jagdlexikon:
http://deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Erker,_Siegfried
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Anmerkungen
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Titel: Sauen!
Autor: Siegfried Erker
Abgebildete Fotos: Siegfried Erker
Verlag: Neumann-Neudamm
Verlagslink: https://www.jana-jagd.de/buecher/jagdpraxis/schalenwild/6967/erker-sauen
ISBN: 978-3788816100
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Bereits veröffentlichte Leseprobe aus dem Buch:
https://krautjunker.com/2019/07/03/schwarzwild-welche-rolle-spielt-der-menschliche-geruch/