Buchvorstellung
Angeln gilt in der angloamarikanischen Kultur wie Jagd und Bergwandern als eine gesellschaftlich anerkannte Passion, mit ebenso romantischen wie philosophischen Aspekten. Mit der Natur nach einem fairen Ehrenkodex zu ringen, wird als eine andächtige und reflektierte Verehrung der Schöpfung geschätzt.
Im besonderen Maße nimmt dies die Königsdisziplin des Angelns, das Fliegenfischen, für sich in Anspruch. Hier betreiben Ladies und Gentlemen das Angeln als elegante Verführung schneidiger Raubfische. Der Angler lehnt sich nicht mit einer Büchse Bier zurück und wartet auf den Anbiss, sondern schwingt seine Rute gefühlvoll wie ein Artist durch die Luft, bis das Kunstwerk von selbstgebundenem Köder möglichst verlockend vor dem Maul des geschuppten Räubers zuckt. »In unserer Familie« , lautet der erste Satz des Romans Aus der Mitte entspringt ein Fluss, der vor hundert Jahren spielt, »gab es keine klare Trennungslinie zwischen Religion und Fliegenfischen«.
Tankred Rinder, ein in Köln lebender Österreicher, tauchte in England in Fly-Fishing-Culture ein und gründete in Köln zuerst den Blog Forelle & Äsche und anschließend den gleichnamigen Verlag. Ferne Welt von Charles Rangeley-Wilson gehört zu den ersten Veröffentlichungen des Verlages, finanziert von einer Crowdfunding-Kampagne der enthusiastischen deutschsprachigen Fliegenfischer-Gemeinde, welche sich im Internet in verschiedenen Blogs und Facebook-Gruppen organisiert (In den Anmerkungen hierzu einige Weblinks).

Der Autor dieses Buches, Charles Rangeley-Wilson wurde in Afrika geboren, zog mit zehn Jahren nach Großbritannien, absolvierte an der Oxford University seine Abschlüsse in Grafik und Bildender Kunst, um fand über seine Leidenschaft für das Fliegenfischen zum aktiven Umweltschutz. Im Jahr 1997 zählte er zu den Gründungsmitgliedern des englischen Wild Trout Trust, für den er sich auch als Vorsitzender engagierte. Diese mitglieder- und spendenfinanzierte Naturschutzorganisation setzt sich in britischen und irischen Gewässern für die Verbesserungen der Habitate von Forellen ein.
Gegenüber allen Vorurteilen sind es meist Angler und Jäger, die sich am meisten für die Wiederbelebung der Wildnis engagieren, schließlich verfügen sie nicht nur über das größte Verständnis, sondern sind sie ihre größten Nutznießer.
Sein Buch ist eine Sammlung von 14 in sich abgeschlossenen Angelabenteuern, die in Südafrika, Kroatien, Bhutan, Frankreich oder Kanada handeln. Ein Großteil wurden als Auftragsarbeiten für das Magazin The Field (siehe: https://www.thefield.co.uk/) verfasst. Als Inspiration zu seinen Büchern nennt Rangeley-Wilson den franko-kanadischen Beatnik Jack Kerouac sowie den französischen Dandy Guy de Maupassant (siehe: https://krautjunker.com/2017/10/14/ein-hahn-hat-gekraeht/).
Sein Antrieb lange unkomfortable Reisen auf sich zu nehmen, um irgendwo im Nirgendwo oder in einem Londoner Gewerbegebiet in einem Fluß zu stehen und mit der Fliege zu fischen?
»Ich erhoffe mir vom Angeln nicht viel, oder anders gesagt, was ich daran mag, ist einfach: wie die Welt auf eine Verbindung mit einem Wesen schrumpft, dessen Leben sich um Dinge wie Gezeiten, Wetter, Mondphasen dreht. Eine solche Verbindung herzustellen ist schwierig. Wäre es leicht, dann wäre es langweilig. «
oder
»Ein neues Gewässer zu erkunden ist fünf Kilometer vor der eigenen Haustür genauso faszinierend wie in fünftausende Kilometer Ferne.«
oder
»Hier eine wilde Forelle zu fangen und zu berühren, ist etwas anderes als in einem Fluss, in dem es sie zuhauf gibt. Weil es unwahrscheinlich ist und mir das Gefühl gibt, dass die Natur über alles hinwegkommt. Inzwischen bin ich beim Angeln mindestens ebenso oft auf der Suche nach diesem Gefühl wie nach einem Fisch.«
Unterwegs begegnet er gewöhnlichen und ungewöhnlichen Menschen. Auf die Beschreibungen skurriler Angel-Guides ist man als Leser vorbereitet, die surrealen Begegnungen mit Frauen bilden einen besonderen Lesegenuss.
»Die Barfrau hielt uns die Tür auf. „Wir veranstalten morgen einen Braai. Kommt doch auch!“
„Danke“, sagte ich und stellte sie mir nackt vor. „Sehr gerne. Danke, dass du es so lange mit so vielen Besoffenen ausgehalten hast. Du bist wirklich sehr, sehr …“
„Raus jetzt, Charlie!“, sagte Ronnie und schob mich aus der Kneipe auf die sichere Seite.«
oder
»„Und, woher kommen Sie?“ Aus England, antwortete ich. Sie stutzte. Dann neigte sie den Kopf und sagte: „Für einen Ausländer sprechen Sie wirklich gut Englisch.“ Sie lächelte. „Danke“, sagte ich. „Äh… Ja, Engländer sprechen … ziemlich gut Englisch.“ Ich hatte es in meinem freundlichsten Ton gesagt und fragte mich, ob sie mir diesmal zugehört hatte. Sie hielt inne, und wurde rot. „Natürlich … natürlich. Oh.“ Ohne noch etwas zu sagen, stapfte sie zum Ausgang, über dem ein Poster hing, ein lächelnder Angler mit einem gigantischen Hecht. Der gigantische Hecht war der Grund, warum ich hier war.«
Und natürlich die Sorte von Männern, die immer vor einem da sind und alles zu wissen scheinen.
»Beim Mittagessen besserte sich die Stimmung langsam. An unserem Tisch saßen einige Experten. Bruce, einer von zwei Neuen, hatte schon einen Lachs gefangen. Er hatte blonde Haare und eine derart tiefe Stimme, dass alles, was er sagte, wie im Trailer für einen Kinofilm klang. Wenn er sprach, wackelte der Salzstreuer.«
oder
»„Kommt ihr damit tief genug? Weil hier“, sagte er und zog einen merkwürdigen Köder aus der Tasche – eine mit Latex umwickelte Bleikugel, womit Franzosen Hämorrhoiden behandeln würden -, „das ist der ganz heiße Spund. Nicht wegen dem Muster, sondern weil du am Grund fischst.“«
Um den Lesern einen kleinen Einblick Charles Rangeley-Wilsons Angel-Action zu geben, hier zwei kurze Leseproben.
Szene 1spielt in Kanada
»An einem Morgen standen wir besonders früh auf, um auf dem Payne River landeinwärts zu fahren, so weit wir in zwei Stunden mit Junesies frisiertem Kanu kamen. Wie Grenzlinien zogen sich die Karibus über die Hänge, dass es aussah, als liefe Farbe von den Hügeln bis an die Wasserkante, und immer wieder kreuzten wir Flottillen von Tieren, die ans andere Ufer schwammen. Mit weit aufgerissenen Augen wirbelten sie im Wasser herum, wussten nicht wohin, bis wir sie passiert hatten und sie ihren Weg fortsetzten konnten: als würde man mit dem Finger durch eine Ameisenstraße fahren, worauf alle Ameisen wie Flipperkugeln wild in der Gegend herumflitschen, um die Orientierung zurückzugewinnen.
Weiter im Binnenland ging es irgendwann leicht bergan. Junesie war ein guter Bootsmann und manövrierte uns mühelos durch den breiten Fluss, der gefährlich kraftvoll wie ein Lavastrom auf uns zuschoss. Mitten in einer langen Stromschnelle schlug Junesie plötzlich hart ein und stoppte das Boot am Ufer. In einem schmalen Spalt in den Felsen wirbelte das Wasser wie ein Taifun. Junesie nickte zu einem dunklen Kolk. Ich stand auf und warf die Fliege aus. Der weiße Streamer tauchte ins torfige Wasser, und sofort stieg ein Fisch vom Grund auf, öffnete den Mund, verschluckte ihn und drehte wieder nach unten ab, alles in einer einzigen langsamen Bewegung. Selbst als ich hart anschlug, änderte der Seesaibling kaum den Kurs, sondern schwamm einfach mit noch größerer Willenskraft zum Grund zurück. Er wog sieben Pfund und hatte eine Kopf wie ein Pitbull Terrier.«
Szene 2 spielt in Frankreich
»Auf dem Campingplatz von Beaulieu schlug der Sturm die Kanten vom Sommer. Im Wind wirbelnde Blätter, auf dem Parkplatz Wasserlachen, der Geruch des Regens auf dem trockenen Boden wie hartes Brott.
Ein Mühlbach führte am Campingplatz entlang, ich blieb bei einem Steg stehen, der zu einem kleinen Park hinüberführte, und stützte mich auf das Geländer. Auf der anderen Seite der Straße hustete ein kleiner Trecker Rauch in die feuchte Luft, und der Bauer, der durch seinen Obstgarten fuhr, winkte mir zu. Eine alte Dame führte ihren weißen Pudel über die Brücke und blieb wie ich stehen, um den Bach zu betrachten. Sie fragte mich, ob ich etwas gefangen hätte, ich sagte Nein. Kommt schon noch, sagte sie; ich lächelte und schaute ins Wasser.
Direkt unter der Brücke lag ein Gewirr herabgefallener Äste und Zweige im Bach, und darunter stand wie ein weißer Schatten die größte Äsche, die ich je gesehen hatte. Als ich wieder aufsah, war die Dame mit dem Hündchen bereits gegangen und umkurvte flink die Pfützen auf dem Asphaltweg. Der weiße Schatten wiegte sich leicht in der Strömung, die dunklen Äste brachen seine Konturen wie eine Kriegsschifftarnung, das Gesicht der Abguss einer prähistorischen Form. Unangreifbar stand der Fisch in seiner untergegangenen Festung, aber er war da, und das war die Hauptsache. Der Mühlbach hatte sich ein petrischalengroßes Stück von der Dordogne abgeschnitten – groß genug, dass ich es von Nahem sah und sein Geheimnis begriff.«
Mein Resümee? Sprachlich schöne und vor allem unterhaltsame Texte über die Königsdisziplin des Angelns. Wie im wirklichen Leben dreht sich nicht alles um Fisch und Fang. Den bereisten Orten sowie den menschlichen Bewohnern und seinen Reisebegleitern wird, mit feinem Blick für ihre Sonderbarkeiten, der gleiche Raum eingeräumt.
Wenn ich mich frage, was das Alleinstellungsmerkmal dieses Buches gegenüber dem Gros anderer Angelbücher ist, lautet die Antwort: Humor.
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Pressestimmen
»Ein großes Vergnügen … Klug und witzig.«
SHOOTING TIMES & COUNTRY MAGAZINE
»Ferne Welt erzählt ebenso viel über die Menschen und Orte wie über das Fischen.«
Roger Field, Country Life
»Raue, lebhafte Erzählungen … hautnah erlebt.«
Tom Fort, Sunday Telegraph
»Im Bücherregal wird Ferne Welt bei mir zwischen Charles Ritz und Ernest Hemingway stehen. Große Angelliteratur.«
Marcel Winkens, Am Haken
»Packende, zum Teil surreale Angelgeschichten eigenwilliger Charaktere, die ein Schmunzeln entlocken.«
Stefan Alt SCALE Magazine
»Eine erfrischende und authentische Schreibe, die mich sofort in den Lesefluss zog.«
Elmar Elfers, Fisch & Fliege
»Fliegenfischen in seiner schönsten Form, eingefangen zwischen zwei Buchdeckeln – ein Muss für Liebhaber gepflegter Lektüre.«
Michael Werner, FliegenFischen
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Anmerkungen
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Titel: Ferne Welt
Autor: Charles Rangeley-Wilson
Übersetzung: Frank Sievers
Verlag: Forelle & Äsche Verlag
Verlagslink: https://www.fundae.de/screen/product/ferne-welt-charles-rangeley-wilson
ISBN: 978-3981856613
Website des Autors: https://charlesrangeleywilson.com/
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