Was viele ahnten, wird hier Gewissheit. Für KRAUTJUNKER riskiere ich nicht nur täglich den Verstand, sondern ab und dann auch Leib und Leben. Es muss ja nicht das eigene sein. Für diesen Text wagte Maya Ragana aus Berlin Kopf und Kragen.
Rezeptvorstellung von Maya Ragana

Kennt Ihr das Gefühl, dass endlich ein Geheimnis wieder gelüftet werden muss – und nichts kann euch von dem Drang zurückhalten den Mysterien der Welt auf den Grund zu gehen?
So ging es mir vor kurzem mit Herbstlorcheln.
Selten sorgt ein Pilz für so viel Kontroverse – essbar, giftig, halb-essbar, nur ein bisschen giftig – was denn jetzt?

In alten Büchern gilt die Herbstlorchel als essbar (nach ordentlichem Abkochen oder Trocknen) – die neueren Erkenntnisse weisen ihr Gyromitrin (gleiches Gift wie bei Frühlingslorcheln) nach, das bei Versuchen im Abbau kanzerogen, mutagen und teratogen gewirkt hat. Dann aber soll das Gift in anderen Versuchen wiederum nicht nachweisbar sein. Es soll auch persönliche Unverträglichkeiten geben.
Gut, dann mal vertrauenswürdige Pilzsammler nach ihren Erfahrungen befragen. Die eine Hälfte preist den leckersten Pilz aller Zeiten, den sie seit gefühlt 10.000 Jahren ohne Nebenwirkungen verspeisen und bis heute fröhlich leben. Die andere Hälfte schüttet über die überheblichen Selbstzerstörer nur noch den Kopf – warum sollte man überhaupt einen Pilz probieren, der ein naher Verwandter der Frühlingslorchel ist, die sogar von manchen Autoren als tödlich giftig eingestuft wird?
Ich liebäugele mal mit der einen Seite, dann mit der anderen aber an diesem schönen Herbstmorgen finde ich die Herbstlorcheln in Massen, sodass mir bewusst wird, dass das Mysterium sich eben durch mich offenbaren muss.
Ich nehme vier junge elfenbeinfarbige Exemplare mit.
Abgekocht und Kochwasser weggeschüttelt, mit Paprika-Knoblauch-Paste verrührt und angebraten, probiere ich ein Stück.
Oh Gott, die Herbstlorchelfanatiker hatten Recht, es IST ein unheimlich leckerer Pilz. Eine Hand halte ich auf den Kohletabletten, die andere hat sich aber schon verselbstständigt und führt den zweiten Pilz zum Mund.
Sie schmecken wie eine Mischung aus Krause Glucke und Speisemorchel, aber irgendwie fester und es macht Spaß sie zu kauen. Erinnern mich von der Konsistenz her an fermentierten Kohl vom Markt im Kaukasus.
Im Verlauf des Tages fühle ich mich fit, gut gelaunt, die Verdauung funktioniert fantastisch (as always) allerdings stellt sich zum Abend ein Gefühl ein, als wäre mir jemand gegen die Leber getreten. Nicht mehr als nach einer durchzechten Nacht, aber trotzdem… War dann am nächsten Tag auch wieder weg.

Alles in allem: Ich bin mir nicht sicher ob mir die Herbstlorchel oder die Aufregung mehr geschmeckt und/oder in die Leber gehauen hat, aber ein zweites Mal esse ich sie, glaube ich erst mal, trotzdem nicht.
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Anmerkungen
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Maya Ragana ist eine Katastrophenforscherin aus Berlin, die aus der Forschung ausbricht, um etwas absolut schockierendes und unerwartetes zu treiben: nämlich Erkenntnisse auf eine verständliche und pragmatische Art weitervermitteln.
Sie schreibt informative und witzige Beiträge über unsere Umwelt, Nachhaltigkeit & Autarkie und bietet Kräuter- und Pilzführungen an.
Mehr Info und regelmäßige Beiträge unter:
Ich habe die Herbstlorchel vor ein paar Jahren auch einmal probiert. Bis auf die Konsistenz, die ich interessant fand (hat mich irgendwie an Chips erinnert) kann ich ihr nicht soviel abgewinnen. Eigengeschmack war für mein Geschmacksempfinden so gut wie garnicht vorhanden, deshalb habe ich sie das zweite mal in Verbindung mit anderen Pilzen in einem Mischgericht verkocht. Sie nimmt aber andere Aromen schnell und gut auf, was sie eventuell brauchbar machen könnte. Vergiftungserscheinungen hatte ich keine, und das obwohl ich mir eine ordentliche Portion gegönnt habe. Solange die Unbedenklichkeit jedoch nicht ganz geklärt ist, nehme ich sie nicht in meine Liste der Speisepilze auf.
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