von Florian Asche
„Also, Lotti finde ich gar nicht schlecht. Kleiner Hund, kleiner Name.“ Ermunternd schaue ich in die Runde. Hermann und Veronikas alter Labrador ist vor ein paar Wochen gestorben und nun steht der Nachfolger ins Haus. Ein Zwergteckel soll es sein, als Reminiszenz an die Jugendzeit des Hausherren, der mit einem solchen Krummbein – allerdings im Normalformat – das Jagen gelernt hat. Schnell war Kontakt zu einer ambitionierten Züchterin hergestellt und ein Welpe – noch vor dem Decken – quasi gemäß Baubeschreibung, geordert. So ein Vertrag ist heutzutage etwas komplizierter zu machen als noch vor einigen Jahren. Da gibt es Vorkaufsrechte für den Züchter und eine Vertragsstrafe im vierstelligen Bereich, falls der Hund an ein Tierheim abgegeben werden sollte. Es grenzt an ein Wunder, dass nicht auf beiden Seiten ein anwaltlicher Vertreter hinzugezogen wird, um die Akquisition zu begleiten. Doch schließlich ist alles zur beidseitigen Zufriedenheit erledigt und wir widmen uns dem Wesentlichen, der Namensfindung.
„Also, Luna finde ich etwas zu exklusiv für einen Zwerg. So heißt doch eher ein Hannoverscher Schweißhund.“ „Dann eben Muschi, dann lachen alle, wenn ich sie rufe“, schlägt Hermann vor. Allgemeines Fingergegendenkopftippen bestraft den kindischen Einfall. Während unsere Kreativität mit einer neuen Gläserfüllung aus dem Rheingau angeregt wird, mache ich mir meine eigenen Gedanken.
Vor ein paar Jahren war ich in Kirgistan zur Steinbockjagd. Als mir dort ein stämmiges Bergpferdchen zugeteilt wurde, fragte ich in typisch deutscher Naivität wie es denn heißen würde. Ich dachte an „Butterblume“ oder „Kleeblatt“. Doch der kirgisische Führer meinte nur, das Pferd heiße Pferd. Schlagartig bemerkte ich meinen Denkfehler. Je archaischer eine Gesellschaft ist, desto weniger ausgefeilt sind die individuellen Namensrechte der vierbeinigen Begleiter. Schließlich enden in Kirgistan die Dienstpferde nicht im Haustierkrematorium oder werden zu einem kleinen Edelstein gepresst, sondern sie landen als „Kotelett trab trab“ auf den Tellern. Da bleibt wenig Raum für persönliche Bindungen und Namensklaubereien.
Auch hierzulande unterschieden noch die alten Förster sehr deutlich zwischen sog. Fixkötern, die sie in ihre Saumeuten steckten und den richtigen Hunden mit Familienanschluss. Der Kurzhaar hieß dann Treff und der Dackel Männe oder Waldmann. Typisch für diese Zeit war, dass die Namen der Vierbeiner kaum menschlichen Bezug hatten. Teckel hießen noch in meiner Kindheit Zwiebel oder Assel. Der berühmte Regierungspräsident von Wulkow aus Heinrich Manns Untertan nennt seine riesige Dogge schlicht „Schnaps“. Auch Walter Frevert liebte bei seinen Hunden einen leisen Alkoholbezug. Die von ihm gewählten Namen, darunter Allasch und Gilka, erinnerten ehr an die Ausstattung einer gut sortierten Bar als an einen Hundezwinger. Bei meinem Onkel hörte der Lieblingsdrahthaar noch auf „Gauner“. Wer würde sein Kind heute so nennen?
Doch mittlerweile geht es den Hundenamen wie unserer Jagdausrüstung. Immer mehr werden sie vom Rufmittel zu einem Ausdruck persönlicher Individualität und Lebensgestaltung des Besitzers. Wer seinem Hund tauft, der gibt mit dem Namen zugleich ein Statement ab. So nannte ein waffenliebender Freund seine Bracke „Purdey“ und spielte mit dem Gedanken, einen anderen Hund „Nosler“ zu rufen als er seinen Wiederladeschein machte. „Im Kleid des Menschen steckt seine gesamte Anthropologie“, so lehrt uns Helmut Plessner. Wahrscheinlich gilt das Gleiche für unsere Namen. Da darf es uns nicht verwundern, wenn die persönliche Zuordnung unseres Vierbeiners ebenfalls immer mehr Ausdruck des menschlich verfeinerten Gefühls ist. Je sensibler ein Besitzer ist, desto mehr wird er seinen vierläufigen Freund zum Abbild der eigenen Persönlichkeit machen.

Der sagenumwobene britische Kriegspremier Winston Churchill taufte seinen Kriegspudel Rufus und liebte es, mit ihm zusammen Kinofilme anzuschauen. Als in einer Szene der Verfilmung von Oliver Twist der Bandit Bill Sykes einen kleinen Hund in die Themse wirft, soll Churchill seinem Begleiter die Hand vor die Augen gehalten und gesagt haben „I´ll tell you later.“Heute vermenschlichen wir die Namen der Hunde immer mehr. Unsere Lieblinge heißen Lisa, Donald oder Benny. Wenn man dann hört, dass Elon Musk seinen Sohn X Æ A-XII getauft hat, dann dürfen wir neugierig sein, was die Zukunft für uns noch bereit hält. Wenn es jedenfalls so weitergeht, dann ziehen auch bald die ersten Doppelnamen ein.Carl-Richard! Bei Fuß!
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Dr. Florian Asche

Der Rechtsanwalt Dr. Florian Asche ist Vorstandsmitglied der Max Schmeling Stiftung und der Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern.
Einem breiten Publikum wurde er bekannt durch seinen literarischen Überraschungserfolg über den göttlichen Triatlhlon: Jagen, Sex und Tiere essen (siehe: https://krautjunker.com/2017/01/04/jagen-sex-und-tiere-essen/& https://krautjunker.com/2017/09/19/sind-jagd-und-sex-das-gleiche/)
Website der Kanzlei: https://www.aschestein.de/de/anwaelte-berater/detail/person/dr-florian-asche/
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Mehr von Dr. Florian Asche: https://krautjunker.com/?s=florian+asche
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Anmerkungen

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