Das Glück am Haken

Buchvorstellung

Es gibt eine unverstandene Minderheit am Rande der Gesellschaft. Ihre sonderbaren Sitten sind kaum ein Thema in den Medien und selbst bei ihren privatesten Kontakten stoßen sie auf Ignoranz und Ablehnung. Ungefähr 5 % der Bevölkerung sind Angler. Landläufig gelten sie als minderbemittelte Sonderlinge, die meist vereinzelt stundenlang an Gewässern hocken und darauf warten, irgendwann einen Fisch töten zu können. Nicht ohne Belustigung sieht man sie »in Kleidungsstücken am See oder am Fluss, bei denen andere zögern würden, sie in einen Altkleidercontainer zu werfen, weil auch Mitmenschen, die auf diese Spenden angewiesen sind, ein Recht auf einen Rest an Menschenwürde haben.« Christoph Schwennicke ist einer von ihnen und er macht sich nichts vor. 

»„Ach , Du angelst? Das hätte ich nicht gedacht!“ Diesen Satz, gesprochen in einem ganz eigentümlichen Tonfall, habe ich in meinem Leben wieder und wieder gehört. Diese Tonfall liegt zwischen ehrlicher Überraschung und kaum verhohlener Abscheu. Ebenso gut hätten sie sagen können: „Ach, du schlägst kleine Kinder.“

»Der Ruf des Anglers, nun ja. Ohne genauere Erhebungen zu kennen, dürfte sich unser Ansehen zwischen dem eines Call-Center-Mitarbeiters und dem eines kräftigen Angestellten eines Inkasso-Unternehmens bewegen. Angler sind möglicherweise glückliche Menschen, wie ein Aufkleber auf vielen Autohecks behauptet. Beliebt Menschen sind sie nicht unbedingt.«

Und Ihr Sozialverhalten? »Die meisten von uns sind so charmant am See wie Horst Hrubesch elegant auf dem Fußballplatz war, weshalb er vielleicht folgerichtig ein Standardwerk über das Dorschangeln verfasst hat.«

Fast ausschließlich handelt es sich bei Anglern um Männer. Männern, mit oft einem schwierigen Verhältnis zu Frauen. »Angler sind nicht per se sexy. Die meisten Frauen haben ein Problem damit, dass jemand mit bloßen Händen einen Tauwurm oder einen Wattwurm auf einen Haken aufzieht und sie hinterher mit den gleichen Händen anfassen möchte, gewaschen hin oder her. Sie brauchen eine Weile, um zu begreifen, dass Hände, die ein 16er-Häkchen an eine 0,10er-Schnur binden können, feinmotorische Fähigkeiten bieten, die auch bei anderen Gelegenheiten von Vorteil sein können, von ihrem Vorteil.« Andererseits finden sie »es nicht witzig, dass wir unsere Maden im Biofresh-Fach des Kühlschranks zwischen Kopfsalat und Parmaschinken daran hindern, sich allzu schnell zu verpuppen und als Köder wertlos zu werden. Oder dass wir ihre selbstgemachten Gnocchi als Karpfenköder benutzen.«

Der Autor, seinerzeit stellvertretender Leiter des Berliner Spiegel-Büros, seit 2012 Chefredakteur des politischen Magazins Cicero und häufiger Teilnehmer der sonntäglichen Radio- und Fernsehdebatte Presseclub, führt den Leser mit seinem 2010 veröffentlichten Buch Das Glück am Haken: Der ewige Traum vom dicken Fisch, unterhaltsam durch alle Glanz- und Schattenseiten des Anglerlebens und lobt vor allem das Vergnügen des lustvollen Scheiterns in der freien Natur. Er erzählt von seiner Defloration »Ich konnte es natürlich noch nicht, aber ich wollte es umso mehr. Das erste Mal, ich war gerade sieben geworden, tat ich es dann mit einer zartgrünen Vollglassteckrute« und er stellt die verschiedenen Typen von Anglern vor. Denn sind es auch tendenziell Verrückte, so gibt es doch »verschiedene Grade und Erscheinungsformen dieser Verrücktheit« zwischen Gelegenheitsangler und Wettkampffischer, zwischen Pragmatiker und Ästhet. Er lässt den Leser daran teilhaben, wie unterschiedlich verschiedene Fischarten, von dummen Makrelen zu gerissenen Neunaugen, zu fangen und zu bezwingen sind und was für ein intensives Gefühl es ist, sich einen Drilling mit Widerhaken unter den Daumen zu bohren. Er beschreibt seine Passion und ihre Philosophie am Beispiel von Angelausflügen (siehe Leseproben in Anmerkungen) und Essays. Vor allem jedoch ist sein biografisch inspiriertes und anekdotenreiches Buch mit Herz und Verstand verfasst worden, denn auch das ist bezeichnend für Angler: Es sind auffallend viele gute Schreiber unter ihnen. Kein Wunder, denn sich in Lebewesen in Die Welt im Trüben hineindenken zu können, trainiert Phantasie, Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen.

Angelbücher finden in den allermeisten Fällen ihre Leser nur unter Anglern. Dass dieser Titel in der ZDF-Sendung Die Vorleser und den Feuilletons von Blättern wie Handelsblatt, Spiegel, Focus und ZEIT, sogar weibliche Nicht-Angler entzückte, spricht für seine literarische Qualität und seinen Unterhaltungswert. Unten eingefügte Leseproben sollten jeden Zweifler überzeugen.

Das Resümee des Buches? Nicht das Resultat macht glücklich, sondern der steinige Weg dorthin macht die eigentliche Magie aus. »Die Kunst des Lebens besteht darin, möglichst viele wertvolle, schöne Momente zu sammeln. Beim Angeln sammelt man diese Momente.«

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

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Titel: Das Glück am Haken: Der ewige Traum vom dicken Fisch

Autor: Christoph Schwennicke

Verlag: Verlagsgruppe Droemer Knaur

ISBN: 978-3-426-27518-4

Verlagslink: https://www.droemer-knaur.de/buch/2435552/das-glueck-am-haken

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Beiträge aus dem Buch:

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Weitere Veröffentlichungen über Angler und andere bemerkenswerte Wasserwesen auf KRAUTJUNKER:

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. FIBUTAC sagt:

    Hallo Krautjunker,
    als Ergänzung zu dem hier beschriebenen Buch empfehle ich „der unterschätzte Angler“ von Prof. Robert Arlinghaus.
    Das Buch beleuchtet die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung der Angelfischerei – sehr interessant.

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