Der kleine Jäger-Knigge: Die wichtigsten Grundlagen für die ersten Schritte nach der Jagdausbildung

Buchvorstellung von Beate A. Fischer

Mein lieber Berufskollege Christian Teppe  – Jäger und Jagdrechtler – hat ein Buch herausgegeben, dass mich sehr interessierte und es ist mir eine Freude dieses gelesen zu haben und nun auch für KRAUTJUNKER vorstellen zu können. Der kleine Jägerknigge.  

Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge, der Namensgeber eines Standardwerkes auf das der Titel des vorliegenden Werkes referiert, lebte von 1752 bis 1796 ein recht kurzes doch produktives Leben. Von 1780 bis 1784 war er ein führendes Mitglied des Illuminatenordens. Bekannt wurde er vor allem durch seine Schrift Über den Umgang mit Menschen (1788). Sein Name steht heute stellvertretend, aber irrtümlich, für Benimmratgeber der besseren Gesellschaft, die mit Knigges eher soziologisch ausgerichtetem Werk im Sinne der Aufklärung nichts gemeinsam haben.  Knigge beabsichtigte eine Aufklärungsschrift für Taktgefühl und Höflichkeit im Umgang mit den Generationen, Berufen, Charakteren, die einem auch Enttäuschungen ersparen sollte. Man kann seine durchdachten und weltkundigen Erläuterungen sehr wohl als angewandte Soziologie würdigen, was in den Abschnitten Über den Umgang mit KindernÜber den Umgang mit ÄrztenÜber den Umgang mit JähzornigenÜber den Umgang mit Schurken und nicht zuletzt Über den Umgang mit sich selbst deutlich wird.

Irrtümlicherweise wurde dieses Buch späterhin als Benimmbuch missverstanden, oft nur nach Hörensagen. Dieses Missverständnis verstärkte bereits der Verlag, indem er nach dem Tode von Knigge das Werk um Benimmregeln erweiterte. Außerdem ist bekannt, dass etwa alle zehn Jahre eine neue Ausgabe herausgegeben wurde – hauptsächlich mit Kleiderregeln. Heute erwartet man von einem „Knigge“ meist Hinweise, wie man Rot- zu Weißweingläsern beim gedeckten Tisch zueinander gruppiert; derlei überging Knigge selbst jedoch völlig.

Der Anspruch des Werkes dort anzufangen, wo die Jungjägerausbildung aufhört, in der praktischen Jagdausübung. Um es voranzustellen, das gelingt nur teilweise. Es gab Zeiten, da war es üblich dem Jungjäger einen Lehrprinzen zur Seite zu stellen. Dessen Aufgabe war es, den mehr oder weniger jungen Jäger in die jagdliche Praxis einzuführen. Dessen Aufgabe war es, den Jungjäger bei den ersten Schritten zu begleiten und aus seiner ureigenen persönlichen Erfahrung, Hinweise zu günstigem und ungünstigem Verhalten auf der Jagd zu geben, Fehler zu korrigieren und ihm das Gefühl der Einsamkeit auf weiter Flur zu nehmen. Und ja es gibt sie, in jedem Jägerleben, richtige und falsche Entscheidungen, Jagdglück und Jagdpech, glückliche und unglückliche Schüsse, Situationen auf einer Gesellschaftsjagd oder im gemeinsamen Revierbetrieb, die den unerfahrenen Jäger überfordern. Christian Teppe ist ein erfahrener Jäger und ich hätte mir von diesem Buch gewünscht, dass Teppe den Jungjäger an die Hand nimmt wie ein Lehrprinz.

Bildquelle: Der kleine Jäger-Knigge; BLV/ Marcus Alexander Inzinger

Leider bleibt der Autor die ganzen 146 Seiten lang unnahbar. Es ist sind keine persönlichen Erfahrungen die hier geteilt werden, es sind Allgemeinplätze des Umgangs und des Anstandes. Beispiel gefällig:
»Der Jagdpächter darf sich auf fremden Flächen aufhalten und jagen. Die Belange der Eigentümer, die in ihrer Gesamtheit als Jagdgenossenschaft auch Inhaber des in der Regel verpachteten Jagdrechts sind, sind dabei selbstverständlich ebenso zu berücksichtigen wie die Interessen anderer Menschen in der Natur, die die Jäger eben nicht aussperren dürfen. Jägerinnen und Jäger müssen aber auch gemeinsam zum Wohle der Natur, der Verantwortung dem Wild gegenüber und dem Erhalt der Jagd als solche agieren. Dieses Arrangement schließt den despektierlichen Umgang mit den anderen aus; auch wenn der Landwirt wegen der vielen Sauen um sein Getreide bangt, der Jagdnachbar den kapitalen Zukunftsbock an der Grenze erlegt, die Joggerin noch in der Dämmerung am Einstand vorbeiläuft oder der Hund auch zur Brut- und Setzzeit nicht an der Leine geführt wird.«

Kein Wort davon falsch, kein Wort davon neu. Leider steht da nicht:  
»Ich fuhr neulich in einer von mir wenig bejagten Ecke des Reviers. Von weiten hatte ich Rehwild gesehen, der Wind stand günstig, eine Hecke als Deckung nutzend pirschte ich mich an. Ein kräftiges Rehkitz stand mit der Ricke im Reet. Ich kam auf ca. 80 Meter heran, dass Kitz stand hinter der Ricke und ich wartete darauf, dass es freistand. Plötzlich nähern sich von hinten zwei Personen. Das Rehwild springt ab. Ich ärgere mich, entlade die Waffe und nehme sie vom Zielstock, hänge sie mir über die Schulter und drehe mich um …..«  

Noch ein Beispiel:
»Dieses Jagdfieber gehört wohl mit Abstand zu den stärksten Gefühlsausbrüchen, die ein Mensch erleben kann. Um dabei jedoch einen sicheren Schuss abgeben zu können, bedarf es der Sicherheit, die nur durch ungezählte Wiederholungen erlangt werden kann. Schließlich wird durch das Jagdfieber der Schuss längst nicht so präzise ausgeführt werden können wie auf dem Schießstand. Sind die Ergebnisse auf diesem bereits grenzwertig, können sie unter den besonderen jagdlichen Bedingungen nie so gut sein, wie es die Weidgerechtigkeit erfordert.«

Lebendiger wäre:
»Ich pirsche einen Bock an, einen schmalen Reetstreifen als Deckung nutzend. Der Bock spielt sich auf mich zu, gefolgt von einem Schmalreh. Es sieht aus, als ob die beiden auf der Wiese fangen spielen. Mal nach rechts, mal nach links. Auf den Knien arbeite ich mich näher, das Gewehr auf dem Rücken, den Zielstock in der Hand. Immer wieder sichernd, schauend. Das Wild ist noch vertraut. Der Schweiß läuft mir über die Stirn an diesem lauen Sommerabend, die Anspannung tut ihr Übriges. Der Bock läuft zu mir, das Schussfeld ist nicht frei, ein landwirtschaftlicher Hof ist kein sicherer Kugelfang. Ich krieche weiter, noch besteht die Chance. Jetzt steht er breit neben einem Graben, keine Gefahr für andere, die Entfernung ist gut. Ich lege die Waffe auf, ziele und drücke ab. Ich sehe – nichts. Ich laufe zu der Stelle, wo ich eben noch den Bock stehen sah. Das Schmalrehe springt ab, allein. Mein Herz schlägt noch höher, mein Atem geht schnell. Ich suche, suche – nichts! Ich renne zum Auto, hole den Hund. Der nimmt den Kopf hoch, dann die Nase tief, springt in den Graben und zieht an einem Lauf meines Böckchens. Uff bee, das Reet war so dicht, dass ich ihn übersehen hatte….«

Das Buch hat da seine Stärken, wenn der Autor wichtige Themen kenntnisreich erklärt: 

Bildquelle: Der kleine Jäger-Knigge; BLV/ Marcus Alexander Inzinger

»Richtig ansprechen

Eine essenzielle Anforderung an jeden Jäger und jede Jägerin ist das gekonnte Ansprechen von Schalenwild vor dem Schuss. Wild ansprechen bedeutet, ganz genau zu wissen, worauf man zielt und was man erlegt. Das unterscheidet die Jagd diametral vom Angeln, mit dem einige Jungjäger schon vor der Jägerprüfung reichlich Erfahrung sammeln. Richtiges Ansprechen ist die Grundlage korrekter Selektion, welche wiederum zur Schaffung oder dem Erhalt einer gesunden Altersstruktur der Wildpopulation unentbehrlich ist.

Beim Schalenwild muss besonders gut angesprochen werden, weil es hier eine genaue Abschussplanung in den Revieren gibt, außerdem teilweise unterschiedliche Schonzeiten für verschiedene Alters-, Geschlechts- und Güteklassen der Trophäenträger (z. B. bei Rotwild).«

Im Kapitel »Zu glattes Parkett« erzählte der Autor kleine, sehr klischeeartig, überzeichnete Sittenportraits, wohl mit dem Ziel auf jagdliches Fehlverhalten aufmerksam zu machen:

»Im Wald angekommen staunte der Jagdherr nicht schlecht: Die junge Tierärztin war gerade dabei, einen gut veranlagten Hirsch im Bast, einen sogenannten Kolbenhirsch, dessen Jagdzeit noch einige Monate auf sich warten lassen sollte, nicht nur aufzubrechen, sondern gleich aus der Decke zu schlagen und zu zerlegen.

Kerstin war da von anderem Schlag. Sie war überzeugt, dass doch genügend Wild im Revier und in dem angrenzenden Staatsforst beheimatet sei, sodass man großzügig abschöpfen könne. Und das tat sie dann auch. Nach wenigen Ansitzen lag der zehnjährige Hirsch, der fast zehn Kilo Geweihgewicht mit sich herumtrug. Die Abwägung war klar: „Ärger vergeht, Trophäe besteht!“

So war es denn auch bei Uli, der mit großem Hurra verkündete, ein Spitzenrevier gepachtet zu haben, das allerdings 250 Kilometer vom Wohnort entfernt lag. Neben den üblichen Fahrkosten schlugen dadurch nun auch die Übernachtungskosten zu Buche und das Geld reichte im zweiten Jahr nicht einmal mehr, um die Pachtzahlung pünktlich leisten zu können. So wurde dann ein Jagdfreund aus dem weiteren Verwandtenkreis gebeten, diese Zahlung auszulegen. Dies tat er selbstverständlich aus langer Verbundenheit, musste jedoch viele Monate warten, um das geliehene Geld in Raten zurückzuerlangen. Danach war es irgendwie vorbei mit dem Ernstnehmen als Jäger, denn trotz seiner wuchtigen Füße waren Uli die Schuhe eines Revierpächters offenbar zu groß gewesen.

Doch Mark war als Jungjäger einer von der geschäftstüchtigen  Sorte: Er bedankte sich brav für das Geschenk, ließ über hundert Mettwürste davon machen und verkaufte sie an Hans und Franz oder wen er gerade traf für »’nen Zehner«. Die Kunden waren begeistert, vielleicht auch weil sie nicht wussten, dass das Wildbret keine Untersuchung auf Hepatitis E und Dunker’sche Muskelegel erfahren hatte.«

Ja wie schreibt man über die menschlichen Schwächen, wenn einen das Jagdfieber packt. Die Darstellungen in diesem Kapitel sind bewusst überzeichnet und die meisten Menschen werden sich sofort distanzieren – „So bin ich nicht!“ Alle gezeigten Eigenschaften wie Neid, Gier, Jagdfieber, der Blick nach dem eigenen Vorteil etc., liegen in jedem Menschen. Wie sehr wir sie zeigen, hängt von vielen Faktoren ab. Ein wesentlicher Faktor ist unser Blick auf den Mitmenschen – Jäger oder Nichtjäger. So ist der Umgang mit anderen immer auch der Umgang der anderen mit uns und unser Umgang mit uns selbst und jedem anderen. Alles in dieser Welt ist miteinander verbunden und so ist ein Knigge für den Jäger, ein Knigge über das Verhalten auf der Jagd,  das Verhalten unter Jägern und das Verhalten den anderen Menschen gegenüber. Und da sind wir wieder beim „Ur-Knigge“. Es geht nicht um die Frage, aus welchem Glas Rotwein und aus welchem Weißwein getrunken wird. Dem Wild ist es egal, ob ein Rüppel oder ein Feingeist es erlegt. Es ist die jagdliche Gemeinschaft die darüber befindet, wer in welchen Kreisen reüssiert oder nicht.

In den weiteren Kapiteln beschreibt der Autor Über das Knüpfen jagdlicher Kontakte, Dem Netzwerken, Der Organisation der Jäger und der Revierpraxis außerhalb der Jagd unter dem Motto Tue Gutes und rede darüber!, den Wert der Hundeausbildung, der Arbeit nach dem Schuss, der Auslandsjagd und dem Verhalten auf der Gesellschaftsjagd etc. kenntnisreich wichtige Themenfelder.

Zusammenfassend ist es ein kleines Büchlein, welches ich einem Jungjäger – eingeschränkt – empfehlen kann. Es werden viele wichtige Themen behandelt, jedoch wünschte ich mir mehr Tiefe und Herzblut – der Text lässt die jagdliche Passion des Autors nicht spüren.   

*

Beate A. Fischer:

Beate A. Fischer, geboren 1973, Jägerin seit 6 Jahren, Hundeführerin – verliebt in einem Vizsla sowie Co- und Stiefmutter eines Fox, schießt leidenschaftlich gern Jagdparcour und Flugwild, außerdem hat sich die afrikanische Sonne in ihr Herz gebrannt. Sie lebt im kühlen Nordfriesland auf einem Resthof, arbeitet als Rechtsanwältin und schreibt manchmal auch mal andere schöne Texte. 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Der kleine Jäger-Knigge: Die wichtigsten Grundlagen für die ersten Schritte nach der Jagdausbildung

Autor: Christian Teppe

Illustrationen: BLV/ Marcus Alexander Inzinger

Verlag: BLV, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH

Verlagslink: https://blv.de/products/57344-der-kleine-jaegerknigge

ISBN: 978-3967470727

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