Buchvorstellung von Christoph Stumpf
Allein schon der Gedanke an die Provence weckt eine Vielfalt wohlgefälliger Assoziationen: der Duft von Thymian und Zitronen, der Anblick blühender Rosmarinfeldern und ein Licht, das Generationen von Malern inspiriert hat, ein Klima, das durchfrorene Engländer ebenso wie exilierte Russen, Filmstars ebenso wie Steuerhinterzieher angelockt hat. Im Prinzip ist die Provence so etwas wie die Toskana, nur ohne urlaubende Sozialdemokraten.

In einer Zeit, in der man nicht oder jedenfalls nicht ganz so unbeschwert wie sonst reisen kann, liegt es nahe, sich zumindest ein wenig Urlaubsgefühl auf den Tisch zu bringen. Nicht nur Liebe, auch Erholung geht bekanntlich durch den Magen. So liegt der Griff nahe nach einem Kochbuch, das einem das Land zwischen Alpen und Côte d’Azur in den Topf und anschließend auf den Teller zu holen.
Diesem Begehren will das vorliegende Werk Rechnung tragen. Es entstand auf Initiative von Marie-Pierre Moine in Zusammenarbeit mit Gui Gedda, der das Restaurant Jardin des Perlefleurs in Bormes-les-Mimosas betreibt und bereits zahlreiche Bücher verfasst hat.

Das Buch beginnt mit einem Kapitel zu den Grundlagen der provenzialischen Küche (34 Seiten): Hier werden einzelne Produkte, wie Oliven, Olivenöl, Tomaten, Kräuter, Knoblauch und Honig, beleuchtet und Hinweise zur Vorratshaltung gegeben – zudem wird vor zu umfangreicher Vorratshaltung gewarnt und die Nutzung frischer Produkte angemahnt. Ebenfalls finden sich hier Hinweise zur Küchenausstattung, etwa zur daubière und zu Mörsern.

Das zweite Kapitel befasst sich mit der „richtigen Technik“ (16 Seiten). Dies umfasst Erläuterungen zum Bouquet garni, zu Knoblauch, Birnen, Auberginen, Artischocken, Sardellen und Miesmuscheln.

Das erste Rezeptkapitel befasst sich mit Vorspeisen und kleinen Gerichte (56 Seiten). Hier finden sich Gerichte wie Gemüse und Ei mit Knoblauchmayonnaise (aïoli complet), Auberginenmousse (papeton d’aubergine), das pan bagna genannte Sandwich sowie das klassische provenzialische Gemüseragout (ratatouille) in verschiedenen Variationen einschließlich Hinweisen zur Resteverwertung. Aus dem Kapitel ausgetestet wurde das Rezept für grünen Spargel mit würziger Sauce (aspergeade) – es führte im Ergebnis zu einer für den mitteleuropäischen Geschmack eher ungewöhnlichen, aber durchaus sehr reizvollen Kombination unterschiedlicher Aromen.

Das Kapitel zu Fischen und Meeresfrüchten (38 Seiten) beginnt mit Grundinformationen zu Fischen und Meeresfrüchten, insbesondere zur richtigen Produktauswahl.

Es enthält Rezepte für Miesmuscheln auf Safranreis (pilaf de moules au safran), für die überregional bekannte Bouillabaisse, gebratene Rotbarben mit Tapendade (rougets à la tapenade) und Klippfischpüree (brandade de morue). Für diese Rezension wurde das Rezept für Kaisergranat aus der Pfanne (langoustines à la poêle) einem praktischen Versuch unterzogen: abgesehen von einem äußerst ansprechenden geschmacklichen Gesamtergebnis finden hier auch pyromanisch veranlagte Menschen ein reizvolles Betätigungsfeld im Flambieren des Kaisergranats.

Das Kapitel zu Fleisch und Geflügel (32 Seiten) wird eingeleitet von einem Rezept für Rosmarinsud, bevor sich eine Vielfalt von Rezepten für unterschiedliche Fleischsorten anschließen – von gegrillten Schweinekoteletts mit Salbei (côtes de porc grillées à la sauge) über Kalbskoteletts mit Pinienkernen (côtes de veau aux pignons) und gefüllter Ente auf provenzialische Art (canard farci à la mode de provence) bis hin zur daube de bœuf à la provençale als provenzialischem „Parade-Rinderschmortopf“.

Hier wurde zunächst das Rezept für die Lammkeule mit Kräutern (gigot d’agneau aux aromates) erprobt: die empfohlene Garzeit von fünf Stunden (in Etappen) führte zu einem eher enttäuschend trockenen Ergebnis, wenngleich der Duft von Kräutern das Potenzial des Rezepts durchaus andeutete. Auch die gefüllten Hähnchenkeulen mit Bohnenkraut (gigotines de poulet farcies à la sarriette) blieben hinter den Erwartungen, die die Rezeptbeschreibung geweckt hatten, zurück; der geschmackliche Eindruck blieb eher blass.


Es folgt ein Kapitel zu Beilagen und Saucen (32 Seiten) mit Rezepten beispielsweise für Couscous mit Sultaninen (couscous aux raisins), Gemüse mit heißer Sardellen-Knoblauch-Sauce (bagna cauda), einer pikanten Knoblauchmayonaisse (rouille), provenzialischem Ketchup (ketchup à la provençale) und provenzialischer Kräuterbutter (beurre aux herbes de provence).
Hieran schließt sich ein Kapitel für Gebäck (30 Seiten) an. Dieses enthält zunächst allgemeine Hinweise für den Umgang mit provenzialischem Backwerk, bevor dann süße und herzhafte Rezepte folgen, beispielsweise für Fougasse-Teig (pâte à fougasse), Blätterteigtarte mit Tomaten und Majoran (tarte feuilletèe à la tomate et à la marjolaine) und Kichererbsenschnitten (panisse)
An vorletzter Stelle des Rezeptteils findet man ein Kapitel zu Desserts (34 Seiten). Die Einleitung befasst sich mit Früchten, bevor dann etwa Rezepte für gestürzten Birnenkuchen (tatin de poires), Apfelauflauf (tian de pommes), Erdbeereis (glace à la fraise) und Himbeercoulis (coulis de framboises) in den Blick geraten. Das Rezept für Orangen-Tartelettes (tartes à l’orange) wurde einem Feldversuch unterzogen – das Ergebnis bildete sowohl optisch als auch geschmacklich einen Höhepunkt der für diese Rezension durchgeführten Versuchsreihe.

Das Buch wird abgeschlossen mit einem Kapitel zu Käse (14 Seiten), das viele allgemeine Hinweise, aber auch ein Rezept für Brousse mit Rosmarinhonig (brousse au miel de romarin) aufweist.
Auf den Rezeptteil folgen noch ein Glossar (4 Seiten) und ein Register (4 Seiten). Das Werk ist großzügig farbig bebildert, wobei in einigen Kapiteln die Bilder einen größeren Umfang als der Text einnehmen.
Die Küche der Provence ist im Ergebnis ein durchaus gelungenes Buch. Die Rezepte sind zwar nicht durchweg „Selbstläufer“; es versteht sich aber von selbst, dass die buchstabengetreue Befolgung von Kochanweisungen kaum jemals einen durchschlagenden Erfolg garantieren kann, zumal die verwendeten Kochgerätschaften bereits einen entsprechenden Anpassungsbedarf erfordern und es natürlich weder normierte Lammkeulen noch Standardauberginen gibt. Das Werk bietet jedenfalls umfangreiche und praxistaugliche Hilfestellungen im Umgang mit der provenzialischen Küche. Es weist eine Reihe von Rezepten auf, die begeistern können. Dementsprechend kann das Buch nicht nur Liebhabern der Provence, der Landschaft und ihrer kulinarischen Traditionen empfohlen werden, sondern auch denjenigen Menschen, die vor allem gerne mit Lamm, Fisch, Kräutern und Früchten kochen.
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Christoph Stumpf

Prof. Dr. Dr. Christoph Stumpf ist Jurist und Theologe. Ursprünglich aus Franken stammend, ist er inzwischen mit seiner Familie, Hunden und Pferden nördlich der Elbe ansässig geworden. Beruflich ist er als Anwalt tätig, in seiner Freizeit befasst er sich mit Kirche, Küche und Kindern.
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Emaille und Porzellan. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Die Küche der Provence: Geniessen wie in Südfrankreich
Autoren: Marie-Pierre Moine, Gui Gedda
Fotos: Jason Lowe
Verlag: Dorling Kindersley Verlag GmbH, München
Verlagslink: https://www.dorlingkindersley.de/buch/gui-gedda-marie-pierre-moine-die-kueche-der-provence-9783831041978
ISBN: 978-3-8310-4197-8
Lieber Herr Prof. Stumpf, ich gehöre keinem politischen Lager an – und als solches bezeichne ich mittlerweile diese Gebilde – meine aber, dass der Hinweis auf urlaubende Sozialdemokraten sehr seltsam ist angesichts der vielen Politiker, Banker, Vorstände, Aufsichtsräte, etc., die in der Provence und an der Côte d’Azur „zuhause“ sind.
Ich finde Ihre Aussage zu populistisch, so gerne ich Ihre Buchbesprechung lese.
Beste Grüße
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Die Formulierung ist nicht so bierernst gemeint. Die „Toskana-Sozialisten“ sind ebenso eine lustige Wahrheit wie die „norddeutsche Barbour-Gesellschaft“ oder das „Münchener Schickimicki“. Ernst wird es erst, wenn wir nicht mehr über uns freundlich lachen können.
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Liebe Frau Fohrer,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Der Hinweis auf die urlaubenden Sozialdemokraten war hier als augenzwinkernder Hinweis auf die „Toskana-Fraktion“ als stehender Begriff gedacht, ist aber nicht wertend und erst recht nicht populistisch gemeint. Urheber des Begriffs „Toskana-Fraktion“ soll übrigens Klaus von Dohnanyi sein, der selbst Sozialdemokrat und sicher kein Populist ist (siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Toskana-Fraktion ). Mit politischen Wertungen bin ich grundsätzlich zurückhaltend, erst recht bei der Besprechung von Kochbüchern.
Herzliche Grüße
Christoph Stumpf
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