Ein kleines Museum für eine große Legende

am


von Florian Asche

Im Park von Newstead Abbey, dem Landgut des großen Dichters der englischen Romantik, Lord Byron, liegt ein Hundegrab.

Abb.: Blick über den Adlerteich zur Gartenseite des Herrenhauses; Bildquelle: Wikipedia

Nicht weit davon hat sein Herr auf einem Stein folgende Zeilen eingravieren lassen:

Nahe dieser Stelle
sind die Gebeine beigesetzt von einem
der Schönheit ohne Eitelkeit besaß,
Stärke ohne Anmaßung,
Mut ohne Grausamkeit,
und alle Tugenden des Menschen ohne seine Laster.

Schon an dem hohen Ideal, das aus diesen Zeilen spricht, wird deutlich, welche Hunderasse mit Sicherheit NICHT in dem benachbarten Grab liegt: Der Dackel. Schon das Wort „Schön“ als eine Beschreibung ästhetischer Perfektion will einem angesichts der seltsamen Proportionen nicht so recht über die Lippen. Auch die Treue ist nicht gerade die Domäne dieser Hunde. Unser Teckel zeichnet sich (wie seine Vorgänger) jedenfalls nicht durch hingebungsvolle Dienerschaft aus, z. B. wenn er sich als Solojäger auf leisen Stummelpfoten von den Socken macht. Allein die Tapferkeit und die Passion würden Byrons Begeisterung rechtfertigen, wenn der Hund unter seiner Grabplatte ein Teckel wäre. Diese Rasse hat ein derart gestörtes Verhältnis zu Größen- und Kräfteverhältnissen, dass ihr Schneid durchaus mit ihrem Unwissen zusammenhängt.

Wahrscheinlich ist es gerade diese seltsame Mischung aus unfreiwilliger Komik, Passion und Eigensinn, die dem Dackel jetzt sogar ein eigenes Denkmal beschert hat. Auf einer Fahrt in die Alpen machen meine Frau und ich Station in Passau, um das „Weltweit erste Dackelmuseum“ zu besuchen. Mitten in der Stadt ist es in einigen kleinen Räumen untergebracht, ebenso klein wie der Gegenstand seiner Ausstellung, dackelig eben. Der dagegen stolze Eintrittspreis von 5,00 EUR zeigt sofort, dass die Museumsdirektoren sich offenbar vor allem an Dackelaner wenden. Deren Anzahl wird freilich immer kleiner. Während die deutschen Züchter nämlich noch Anfang der 70iger Jahre 28.000 Welpen pro Jahr hervorbrachten, hat sich diese Zahl heute auf ein knappes Viertel reduziert. Stattdessen kläffen uns halb verblödete Chihuahuas aus Designertaschen an, die busenoptimierte Solariumkundinnen vor sich hertragen. Doch gerade aufgrund der sinkenden Zahl steigt die Attraktivität dieser Rasse.

Abb. und Bildquelle: Dackelmuseum

Ein Dackelliebhaber muss deshalb einfach, wie von einer unsichtbaren Hand gezogen, in dieses Museum hinein. Nun gut, die Ausstellung selbst ist nicht gerade ein kynologisches Schwergewicht. Die meisten Dackelfreunde interessieren sich einfach mehr für lustige Kitschpostkarten und die vielfältigen Fotografien von Weltstars mit ihren eigenen kurzläufigen Begleitern. Da findet man Romy Schneider, John F. Kennedy und Al Pacino, alle Dackelaner aus Leidenschaft. Auch die weltberühmte Dackelzeichnung in einem Strich, die wir Pablo Picasso verdanken, kann man in Passau besichtigen (leider nur in Kopie). Dass der Wegbegleiter der letzten Jahre des Künstlergenies auch noch „Lump“ hieß und nicht Roberto oder Ernesto, macht die Sache umso schöner. Ein Dackel ist eben nur ein Dackel, wenn er keinen lächerlich vermenschlichten Namen trägt. Hinter „Waldi“, „Zwiebel“ oder „Schnaps“ steckt eben mehr als eine Möglichkeit, den Hund zu rufen, der meist doch nicht kommt.

Das Bemerkenswerteste an diesem Museum ist eigentlich der Umstand, dass es überhaupt existiert. Die Idee der Direktoren zeigt nämlich, dass es sich beim Dackel um mehr handelt als um eine Hunderasse, nämlich um eine Legende. Gerade die Bilder der sogenannten Prominenten wirken wie ein Lebensgleichnis, wonach auch die Kleinen und Krummbeinigen das Herz der Großen rühren können. Das faszinierende Ungleichgewicht zwischen mangelnder Körpergröße und Kraft gegenüber der unglaublichen Passion und Schneidigkeit machen mit der komischen Gesamterscheinung aus diesem Hund den klassischen Antihelden, der über sich hinauswächst. Aus solchem Stoff entstehen Hundelegenden, die einzigartig sind.

Lediglich der Hannoveraner hätte das Zeug um sich einen ähnlichen Berühmtheitsstatus zu erobern. Doch er ist (im Gegensatz zum Dackel) ein wirklicher Heldentenor in der großen Oper der Jagd. Und seien wir ehrlich, die echten Helden sind immer etwas langweiliger als die Komiker und die Schurken. Der Dackel hingegen ist eher aus einer Operette entsprungen, ob als lustiger Zwerg, Lebenskünstler oder Zigeunerbaron. Im Theater wäre er ein Shakespeare-Narr, Clown und Philosoph in einer Person. So einem Hund fühlt man sich zwangsläufig näher, gerade seiner Fehler wegen.

In jedem Fall hat dieses seltsame Wesen, mehr als jede andere Hunderasse, ein eigenes Museum verdient.

https://www.dackelmuseum.de/

Dieser Text erschien zuerst am 16. Juli 2018 auf dem Facebookprofil von Florian Asche.

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Florian Asche

Der Rechtsanwalt Dr. Florian Asche ist Vorstandsmitglied der Max Schmeling Stiftung und der Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern.
Einem breiten Publikum wurde er bekannt durch seinen literarischen Überraschungserfolg über den göttlichen Triatlhon: Jagen, Sex und Tiere essen (siehe: https://krautjunker.com/2017/01/04/jagen-sex-und-tiere-essen/https://krautjunker.com/2017/09/19/sind-jagd-und-sex-das-gleiche/)

Website der Kanzlei: https://www.aschestein.de/de/anwaelte-berater/detail/person/dr-florian-asche/

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Mehr von Dr. Florian Asche: https://krautjunker.com/?s=florian+asche

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Anmerkungen

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