Buchvorstellung von Thomas Thelen
Der schmale Taschenbuch-Band Herman Lehmann – Ein deutscher Apache und Comanche des Ethnologen Rainer Kottmann ist das Sachbuch zum autobiografischen Erinnerungsbuch Indianer der Trilogie Indianer, Outlaws, Texas Ranger von eben jenem Herman Lehmann.
Der Band ordnet sachlich qualifiziert die Lebenserinnerungen des deutschstämmigen Jungen Herman ein, der im Jahre 1870 im Alter von elf Jahren in Texas von Apachen entführt wurde und dann mit ihnen und später in einer Gruppe Comanchen mehrere Jahre als Indianer lebte. Dabei ergänzt Kottmann die teils lückenhaften Erinnerungen Lehmanns und liefert wertvolle Hinweise zum Umfeld, denn Herman konnte aufgrund fehlender Schulbildung kaum lesen und schreiben; er erzählte seine Lebenserinnerungen mit großem zeitlichem Abstand zwei unterschiedlichen Herausgebern, die dann den Text jeweils nach persönlichen Vorlieben redigierten.
Bei Kottmann erfahren wir viel über die beiden indigenen Völker, die Apachen und die Apachen; wir lesen von einigen wenigen anderen Lebenserinnerungen von von Indigenen Entführter, die – ähnlich wie Lehmann – als ca. Zehnjährige entführt und dann in das Leben der Stämme integriert wurden. Auch sie wollten – wie Lehmann – lieber bei ihren indigenen Neufamilien leben bleiben als eine Rückkehr in die Welt der Weißen zu wagen, selbst ihre Ursprungsfamilien konnten sie nicht zu einer Heimkehr bewegen…
Kottmann bestätigt die teils drastischen Gewaltbeschreibungen, die alle drei Bände der Trilogie durchziehen, bis hin zu Skalpierungsorgien (auf allen Seiten – bei Indigenen, Mexikanern und weißen Eroberern) und rituellem indianischen Kannibalismus. Wir lernen, dass das Ausstellen eines Skalps an einer langen Stange für die Indigenen ein wesentliches Fruchtbarkeitsritual war, vor allem bei den teils sesshaft gewordenen Stämmen, die auch rudimentär Landwirtschaft betrieben.
Leider geht Kottmann nicht auf den – von mir vermuteten, hypothetischen, mir aber offensichtlich erscheinenden – Widerspruch zwischen den Gewaltorgien, den aus westlicher, heutiger Perspektive Zivilisationsbrüchen einerseits und der auf Respekt, Achtsamkeit und Genügsamkeit basierenden Kultur der Indigenen ein. Wie kann man jede, stets maßvolle Entnahme von Nahrung oder Material aus der Natur mit einem Danksagungsritual begehen, aber dann bei räuberischen oder kriegerischen Auseinandersetzungen alle Feinde und alle Beute, die man selbst nicht gebrauchen oder abtransportieren kann, vernichten, verbrennen, zerstören? – Das passt für mich nicht zusammen.
Bin gespannt, ob sich aus der nächsten Lektüre für den KRAUTJUNKER, dem internationalen Bestseller Geflochtenes Süßgras. Die Weisheit der Pflanzen der indigenen Forscherin Robin Wall Kimmerer Antworten auf diesen Widerspruch ergeben.
Es bleibt also spannend! – Euer TT
Verlagsvorstellung des Autors

Rainer Kottmann beschäftigte sich als Ethnologe vor allem mit Südasien und verfasste zahlreiche Artikel über das europäische Mittelalter und die Germanen. Doch am meisten begeistert er sich für die nordamerikanischen Indianer. Aber auch die gebrochenen Lebensläufe weißer und mexikanischer Menschen, die von Indianern entführt wurden, gehören zu seinem Forschungsfeld.
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Thomas Thelen

Thomas Thelen ist Deutsch-Drahthaar-Bändiger, Leihhund-Bespaßer, Fliegenfischer, Holzwerker und Genießer – und eher nebenher Unternehmensberater und Autor.
Zuhause in den südbadischen Weinbergen, hält er nicht nur nach Schwarz- und Rehwild Ausschau, sondern auch nach empfehlenswerter Lektüre und leckeren Rezepten. Wenn sie seinen Geschmackstest bestehen, werden sie hier umgehend weiterempfohlen – oder kritisch betrachtet.
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Herman Lehmann – Ein deutscher Apache und Comanche
Autor: Rainer Kottmann
Verlag: Vergangenheitsverlag, Berlin
ISBN: 978-3-86408-275-7