Buchvorstellung von Beate A. Fischer
Der KRAUTJUNKER bat mich ein paar Worte zu diesem Buch zu schreiben und da ich einige der Autoren persönlich kenne, wie den Kollege Asche oder Grambower Lösch, der mich auf meine Büffeljagd vorbereitete, habe ich zugesagt. Anfangs hatte ich Probleme meinen Zugang zu bekommen, ich fragte mich, „Wozu braucht es dieses Buch?“, „Wer ist die Zielgruppe?“, „Welchen Nutzen kann es haben?“

Der kleine Band wird eingeleitet von einem Aufsatz des Herausgebers, Volker Pesch, jagender Publizist und Schriftsteller. Er vorführt in die nachfolgenden Beiträge der 12 Autoren und Autorinnen ein, die als unabhängige Beiträge unterschiedliche Meinungen zum Thema „Jagd“ darstellen.

Es werden gängige Themen wie Recht, Hund, Waffe, Jagdehtik und Auslandsjagd behandelt, die in sich abgeschlossene Kapitel des Buches darstellen. Ich möchte drei Beiträge gesondert darstellen, die aus meiner Sicht einen besonderen diskursiven Mehrwert bieten und die Bandbreite des Buches zeigen.

Fabian Grimm – mir eher bekannt als Autor von Rezeptbüchern und kochender Blogger setzt sich mit den Inhalten der Jagdausbildung, ihrem Wert für Jäger in der heutigen Kulturlandschaft auseinander. Diesen Beitrag habe ich mit wachsendem Interesse und Erkenntnisgewinn gelesen. Jäger bezeichnen sich selbst als Naturschützer – Grimm bezeichnet sie als »Experten für Kulturlandschaft«. Er setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Inhalte der Jagdscheinausbildung geeignet sind, den Jäger zu einem Experten der Kulturlandschaft zu machen. Denn, dass was heute wie Natur aussieht, ist eine Kulturlandschaft, ein von Menschen geschaffene und stets bewirtschaftete Landschaft. Mensch – Jäger wie Spaziergänger und das Wildtier bewegen sich in der wirtschaftlich genutzten Fläche. Grimm vertritt die Ansicht, wichtiger als die Zahnformel des Rothirsches zu pauken, ist es sich als Jäger mit den Belangen der anderen Nutzer dieser Kulturlandschaft auseinanderzusetzen.

»Eine der anspruchsvollsten Aufgaben für die angehenden Jungjäger wird es sein, die Jagd überhaupt zu erhalten. Das klingt dramatisch: Rhetorischer Kniff, viel zu hoch gegriffen, was soll schon passieren? Ganz ohne Jagd wird es kaum gehen! Das ist zwar richtig – aber in welchem Maße sich das, was wir als „Jagd“ kennen, verändern wird, ist offen. Landnutzung ändert sich fortlaufend. Die Förderkulisse für die Landwirtschaft wird regelmäßig angepaßt, die Landesforstbetriebe kommen aus den Reformen kaum heraus und der Klimawandel wirft selbst den sicher geglaubten Wandel der Jahreszeiten über den Haufen.«
Die Jagd muss sich heute Herausforderungen stellen, die sie nie kannte, auf die weder die Jäger noch die Jagdverbände Antworten haben.
In dem einen Revier wird der Mais bis an die Waldkante gedrillt, der Wildschaden wird in Kauf genommen, der Jäger hat jedoch nur wenige Wochen im Jahr noch die Gelegenheit auf Jagderfolg – für den auswärtigen Pächter ein kaum zu bejagendes Revier.
In dem anderen Revier übernimmt ein Naturschutzverein seine Eigenjagd – ein Niederwildrevier – in Bewirtschaftung. Begehungsscheine erhalten auswärtige Jäger. Gejagt werden darf auf Raubwild.
Viele der neuen Jagdscheininhaber wohnen im städtischen Umfeld und sind auf Jagdeinladungen zu Treib- und Drückjagden angewiesen. Andere leben im Jagdbezirk, haben aber durch Beruf und Familie wenig Zeit, für die Jagdausübung.
Grimm stellt in einem Gedankenspiel ein Modell abgestufter Ausbildung und Jagdberechtigung dar, dass einerseits dem Traditionalisten die Haare zu Berge stehen läßt, zum anderen die Frage nach einer Professionalisierung der Jagd stellt. In meinem Umfeld interessieren sich immer mehr Jäger für eine Jagdaufseherausbildung, ein Schritt zu einem „Reviermanagment“? Der Jagdaufseher als Mittler zwischen „Hobby-Gelegenheitsjäger“ und Berufsjäger.
»Blicken wir der Wahrheit ins Auge: Jagd verändert sich, sie wird rationaler und nutzenorientierter. Die Gesellschaft erwartet kein Lebensgefühl, sondern Ergebnisse. Jagd in der Kulturlandschaft ist auch Schalenwildmanagement, Wildschadensverhütung und Bestandskontrolle. Das sind Aufgaben, die außer uns Jägerinnen und Jägern niemand übernehmen kann. Dieser Ball liegt in unserem Feld, egal wie man ihn dreht und wendet – wir sollten aufnehmen und sauber spielen. Wer die gewünschten Ergebnisse liefert und glaubhaft machen kann, dass er seine Aufgaben auch in Zukunft erfolgreich erfüllen wird, genießt im Gegenzug gewisse Freiheiten bei der Ausgestaltung.«
»Statt einem Ziel, einem Gestaltungswillen, bleibt es bei Bemühungen, das Vorhandene um jeden Preis zu bewahren,« schreibt Grimm und plädiert für Diskurs und Einmischung, insbesondere auch dort, wo über Förderkulissen und Bewirtschaftungsvorgaben in Land und Forst bestimmt wird.
Eckhard Fuhr, stellvertretender Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes Berlin-Brandenburg sieht den »Abschied vom Knochenkult« gekommen.
»Wer Tiere nach seinen Vorstellungen formen will, der sollte doch eigentlich als Kaninchen- oder Kanarienvogelzüchter glücklicher werden denn als Jäger. Was Rehböcke zwischen den Ohren tragen, das hängt von vielen Faktoren ab, vor allem vom Nährstoffangebot ihres Lebensraums, von der Zahl ihrer Artgenossen, gegen die sie ihre Territorien behaupten müssen und von vielen Zufällen im Spiel der Evolution, das sich durch ein selektive Jagd nicht beeinflussen lässt.«
Fuhr führt aus: »Es ist leider nicht so, dass man die Frage, wie es der Jäger mit der Trophäe hält, einfach zu Privatsache erklären und die Diskussion darüber beenden könnte. So einfach wird man die jüngere Jagdgeschichte nicht los. Und so stark sind die um die Trophäe kreisenden Vorstellungen von „Hege“ noch in den Köpfen allzu vieler Jäger und Jagdfunktionäre verankert, dass große Teile der Jägerschaft immer noch mit erbitterten Widerstand reagieren, wenn jagdrechtlich und jagdpraktisch tatsächlich die Abkehr von der trophäenorientierten Jagd vollzogen werden soll. Keine der Veränderungen in die Richtung einer an forstlichen, waldökologischen oder auch landwirtschaftlichen Notwendigkeiten orientierten Jagd wurde von den Jagdverbänden selbst vorangetrieben. Sowohl die Reduktion der Bestände wiederkäuenden Schalenwildes auf ein waldverträgliches Niveau als auch der längst fällig Abschied von der konservativen „Bewirtschaftung“ des Schwarzwildes mit Bachenschonung und Gewichtsobergrenzen bei Bewegungsjagden musste und muss ihnen aufgezwungen werden. Jäger, die die Allgemeinverantwortung der Jagd wahrnehmen und sie nicht als repräsentatives Hobby oder Traditionspflege begreifen, werden immer noch als „Schießknechte“, wildfeindliche Waldbesitzer, Ökoförster oder Naturschützer verunglimpft.«
»Der Zug in Richtung Abschied von der Trophäenorientierung der Jagd in Deutschland ist also längst in Bewegung gekommen. Wenn sich die sogenannten „Hegeschauen“, die nur noch in Bayern gesetzlich vorgeschrieben sind, von Knochenparaden zu Veranstaltungen wandeln würden, bei denen Jäger, Förster Landwirte und Naturschützer vor interessiertem Publikum Rechenschaft ablegen über den ökologischen Zustand der heimatlichen Landschaft, dann wäre ein weiterer wichtiger Schritt getan, das Trophäendenken zu überwinden.«
Ich bin keine Freundin des Ökologischen Jagdverbandes und seiner Thesen, aber lassen muss man Fuhr, dass er Aussagen macht, zu denen es aus der Jägerschaft wenig Standpunkt zu hören / zu lesen ist. Die Jagdverbände versuchen zwar ihr Image durch mediale Herausstellung kitzrettender junger Frauen aufzupolieren, im Hintergrund sieht man doch immer noch die älteren Herren mit ihrem Lebenshirsch. Als Akteur auf der politisch-gesellschaftlichen Bühne der Jagd in den Runden Tischen der Landnutzer ist das zu wenig.
Burkhard Stöcker, Forstwirt und Lehrbeauftragter für Ökologie betont den Wert des Naturschutzes für die Jagd und die Entwicklung des Wildes. Sein Beitrag ist inhaltlich vielleicht streitsam, aber doch lesenswert. Sein Erlegerbild würde die Traditionalisten der Jagd auf die nächste Palme treiben.

Gert G. Harling, Autor vielfältiger Jagdbücher, leidenschaftlicher Jäger „all-around-the-world“ kommt mit dem Beitrag Tradition mit Zukunft – Jagd und Brauchtum zu Wort.
»Am Ende einer Jagd es bereits, als Jagen noch ausschließlich der Nahrungsbeschaffung diente Bräuche und Zeremonien beim Zusammentragen und Verteilen der Beute, aber auch um dem Wild die letzte Ehre zu erweisen – das ist der Ursprung des Streckelegens. Alle Teilnehmer der Jagd schmückten sich mit Brüchen, so wie es noch bei Reitjagden Brauch ist, unabhängig davon, ob sie ein Stück erlegt hatten. Dem Leithund, der den Hirsch bestätigt oder besonders gut gearbeitet hatte, wurde an der Halsung ein kleiner Bruch befestigt.«
Wenn ein Forstbetrieb – „aus Gründen der Wildbrethygiene« – mitten im Winter keine Strecke mehr legen lässt, geht ein Teil der Gesellschaftsjagd.
Harling schreibt einen kenntnisreichen und interessanten Beitrag über die Bräuche der Jagd, ohne im Geringsten altmodisch zu wirken.
»Aber Brüche können auch heute durchaus noch ihre Berechtigung haben, auch wenn ungeschulte Jägeraugen ein weißes Papiertaschentuch besser als den traditionellen Anschussbruch sehen oder ein rot-weiß leuchtendes Trassierband im Gezweig besser als einen unscheinbaren Fichtenzweig am Boden. Aber aus den alten Bruchzeichen kann das geübte Jägerauge viele Details lesen, beispielsweise, ob ein Tier oder Hirsch beschossen wurde, in welche Richtung das Stück flüchtete oder wo eine Gefahr droht. Hinweise, die ein Stück Stoff, Papier oder Plastik nicht geben.«
Er führt aus: »Optische Hilfsmittel, mit denen sie auf viele hundert Meter ansprechen, und Waffen, mit denen sie auf ebensolche Entfernungen töten, ersparen den Waidmännern das indianergleiche Ankriechen. Wilduhren und Wildkameras an der Kirrung ermöglichen eine effiziente Liquidation ohne Zeitaufwand. An dieser Stelle soll nur angemerkt werden, dass es vielleicht ein Fortschritt in der Zivilisation bedeutet, aber ganz sicher einen Rückschritt in der Kultur, wenn die Jagd zum technischen Töten verkommt. Viele der scheinbar modernen Errungenschaften schaden außerdem dem Ansehen von Jagd und Jägern in der Öffentlichkeit und haben mit Brauchtum nichts mehr gemeinsam.«

Das Manko dieses Buches liegt meines Erachtens darin, dass die Beiträge nebeneinanderstehen.
Der Herausgeber schreibt dazu: »Es sei an dieser Stelle betont, dass es sich hier nicht um ein Autorenkollektiv handelt, das mit einheitlicher Stimme spräche. Und das Buch ist kein gemeinsames Manifest. Es versammelt vielmehr Einzelbeiträge schreibender Jägerinnen und Jäger, die mit ihrem Namen für ihre Beiträge stehen. Es sieht sich als Ausdruck einer Diskussionskultur, in der verschiedene Meinungen, Auffassungen und Argumente nicht als Angriffe oder Feindschaften verstanden werden, sondern als bedenkenswerte Positionen und willkommene Anregungen. Keineswegs sind wir uns in allem einig! Im Gegenteil, es gehört wenig Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie heftig wir uns bei dem einen oder anderen Thema streiten würden, wenn man uns an einen Tisch holte.«

Ja, wie schade. Ich wünsche mir eine Podiumsdiskussion zwischen Fabian Grimm, Eckhard Fuhr und Gert G. Harling! Jede der vertretenen Ansichten hat in der heutigen Zeit ihre Berechtigung, aber nur im Diskurs kann es eine Entwicklung geben.
Insgesamt, ist mir das Buch über weite Strecken zu nett, zu gefällig und zu zahnlos. Die wunden Punkte des Umgangs der Jäger untereinander werden völlig ausgespart. Warum bekommt ein -nicht mehr ganz- „Jung“-jäger nach 4 Jahren Kitzrettung und Raubwildjagd immer noch keinen Knopfbock frei? Warum ergeht sich Florian Asche in langen Abhandlungen über die Geschichte des Jagdrechts und geht am Ende viel zu kurz auf das »heiße Eisen« sich ständig verschärfender Anforderungen an die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ein. Angelika Glock verliert in ihrem Beitrag über die jagdlichen Hundeprüfungen kein Wort, darüber das »10 = sehr gut« die Standardnote ist. Auch der Diskurs zwischen dem JGHV und anderen Verbänden die rassenübergreifende Hundeprüfungen anbieten wollen, bleibt schwammig.
Zum Schluss stellt sich mir die Frage, warum nicht ein Vertreter des Deutschen Jagdverbandes zu Wort kommt – wollte der DJV nicht oder der Herausgeber?
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Beate A. Fischer:

Beate A. Fischer, geboren 1973, Jägerin seit 6 Jahren, Hundeführerin – verliebt in einem Vizsla sowie Co- und Stiefmutter eines Fox, schießt leidenschaftlich gern Jagdparcour und Flugwild, außerdem hat sich die afrikanische Sonne in ihr Herz gebrannt. Sie lebt im kühlen Nordfriesland auf einem Resthof, arbeitet als Rechtsanwältin und schreibt manchmal auch mal andere schöne Texte.
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Lust auf Jagd: Argumente – Standpunkte – Perspektiven
Herausgeber: Dr. Volker Pesch
Verlag: Müller Rüschlikon; 1. Edition (6. Mai 2022)
Verlagslink: https://www.motorbuch-versand.de/product_info.php/info/12575
ISBN: 978-3275022489