Passend zu den Festtagen ein Textauszug aus der grandiosen Fantasy-Romanreihe Das Lied von Eis und Feuer (bekannt durch die Verfilmung A Game of Thrones) ergänzt durch ein nachempfundenes mittelalterliches Rezept aus A Game of Thrones: Das offizielle Kochbuch.
von George R.R. Martin
Die niedrigen Steinstufen hielten Tänzerin nur für einen Moment auf. Als Bran das Pferd vorandrängte, stieg es leichtfüßig hinauf. Hinter der breiten zweiflügeligen Tür aus Eiche und Eisen füllten acht lange Reihen aufgebockter Tische die große Halle von Winterfell, vier auf jeder Seite des Gangs in der Mitte. Auf den Bänken drängten sich Männer Schulter an Schulter. „Stark!“, riefen sie, während Bran vorbeitrabte und erhoben sich. „Winterfell! Winterfell!“
Er war inzwischen alt genug, um zu begreifen, dass ihr Geschrei nicht wirklich ihm galt – sie jubelten wegen der Ernte, wegen Robb und seinen Siegen, sie jubelten seinem hohen Vater und seinem Großvater und allen anderen Starks zu, deren Geschlecht achttausend Jahre in die Vergangenheit reichte. Dennoch schwoll ihm die Brust vor Stolz. Denn so lange, wie er brauchte, um durch die Halle zu reiten, vergaß er sein Krüppeldasein. Dann jedoch erreichte er unter den Blicken aller Anwesenden das Podest, und Osha und Hodor lösten die Haltegurte, zogen ihn von Tänzerins Rücken und trugen ihn zum hohen Sitz seines Vaters.
Ser Rodrik hatte an Brans linker Seite Platz genommen, seine Tochter Beth daneben. Rickon saß zu seiner Rechten, sein rötlich brauner Lockenschopf war so lang geworden, dass die Locken bis zum Kragen seines Hermelinmantels reichten. Seit der Abreise seiner Mutter hatte er sich geweigert, sie schneiden zu lassen. Dem letzten Mädchen, dass es versucht hatte, waren zum Dank für die Bemühungen nur Bisse zuteilgeworden. „Ich wollte auch reiten“, sagte der Kleine, während Hodor Tänzerin hinausführte. „Ich kann besser reiten als du“.
„Kannst du nicht, und jetzt sei still“, herrschte Bran seinen Bruder an. Ser Rodrick rief die Anwesenden zur Ruhe. Bran hob die Stimme. Er hieß die Gäste im Namen seines Bruders, des Königs im Norden, willkommen und bat sie, den alten und neuen Göttern für Robs Siege und die ertragreiche Ernte zu danken. „Möge es noch hundert weitere geben“, endete er und hielt seines Vaters silbernen Kelch in die Höhe.
„Auf hundert weitere!“ Zinnkrüge, Tonbecher und mit Eisenbändern eingefasste Trinkhörner wurden aneinandergestossen. Brans Wein war mit Honig gesüßt und duftete nach Zimt und Nelken, war jedoch stärker, als er es gewöhnt war. Er spürte, wie sich die heißen Finger des Weins schlangenartig durch seine Brust wanden, als er schluckte. Schließlich setzte er den Kelch ab. Ihm war ganz benommen zu Mute.
„Das habt ihr gut gemacht, Bran“, lobte Ser Rodrick ihn. „Lord Eddard wäre stolz auf Euch gewesen.“ Am Ende des Tisches nickte Maester Luvin zustimmend, und nun begann man, die Speisen aufzutragen.
Ein solches Festmahl hatte Bran noch nie erlebt; Gang um Gang um Gang, so viele, dass er nur ein oder zwei Bissen von jedem probieren konnte. Riesige Auerochsenbraten mit Lauch, Hirschpasteten mit Karotten, Speck und Pilzen, Hammelkottelets in Soße aus Honig und Nelken, pikante Ente, gepfeffertes Wildschwein, Gans, Spiesse mit Tauben und Kapaun, Rindfleischtopf mit Gerste, kalte Fruchtschale. Lord Wyman hatte zwanzig Fässer Fisch in Salz und Tang aus Weißwasserhafen mitgebracht; Weißfisch und Strandschnecken, Krabben und Miesmuscheln, Klaffmuscheln, Hering, Kabeljau, Lachs, Hummer und Neunaugen. Dazu gab es Schwarzbrot und Honigkuchen und Haferkekse; Kohlrüben und Erbsen und rote Beete, Bohnen und Kürbis und riesige rote Zwiebeln; gebackene Äpfel und Beerentörtchen und Birnen in Starkwein. Große Käseräder wurden auf jeden Tisch gestellt, dazu Kannen mit heißem, gewürzten Wein und kaltem Herbstbier.
Lord Wymans Musikanten spielten tapfer auf, doch gingen Harfe und Fiedel und Horn bald im Lärm von Gesprächen und Gelächter unter, im Klappern von Bechern und Tellern, im Knurren der Hunde, die sich um das stritten, was von der Tafel abfiel. Der Sänger trug wunderschöne Lieder vor, „Eisenlanzen“ und den „Brand der Schiffe“ und „Der Bär und die holde Jungfrau“, aber nur Hodor schien ihm zu lauschen. Er stand neben dem Flötenspieler und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
Der Krach schwoll zu einem stetigen Grollen an, einem großen berauschenden Wirrwar von Klängen. Ser Rodrik unterhielt sich über Beths Lockenkopf hinweg mit Maester Luvin, derweil Rickon fröhlich den Walders etwas zuschrie. Bran hatte die Freys nicht am hohen Tisch haben wollen, der Maester dagegen hatte ihn daran erinnert, dass sie schon bald zur Verwandtschaft gehören würden. Robb sollte eine ihrer Tanten heiraten, und And Arya einen ihrer Onkel.“Das tut sie nie“, sagte Bran, „nicht Arya“, aber Maester Luvin ließ sich nicht erweichen, und so saßen sie neben Rickon.
Die Diener brachten jede Speise zuerst zu Bran, damit er sich zuerst bedienen konnte, wenn er wollte. Als sie bei den Enten angelangt waren, konnte er nichts mehr herunterbekommen. Daraufhin nickte er nur noch zustimmend, wenn ihm ein weiterer Gang angeboten wurde, und winkte ab. Duftete die Speise besonders gut, ließ er sie an einen der Lords auf dem Podest weiterreichen, eine Geste der Freundschaft und der Gunst, auf der Maester Luvin bestanden hatte. Der traurigen Lady Hornwald schickte er Lachs, das Wildschwein an die rauhen Umbers, die Gans-in-Beeren an Cley Cerwyn, und einen der großen Hummer an Joseth, den Pferdemeister, der zwar weder Gast noch Lord war, sich jedoch um Tänzerins Ausbildung gekümmert und es Bran damit möglich gemacht hatte, wieder zu reiten. Hodor und die alte Nan bekamen Zuckerwerk, aus keinem bestimmten Grund, sondern einfach nur, weil er sie gern hatte. Ser Rodrik erinnerte ihn daran, auch seine Ziehbrüder zu bedenken, und so wurde dem Kleinen Walder gekochte Beete und dem Großen Kohlrüben in Butter serviert.
Auf den Bänken unten vermischten sich die Männer von Winterfell mit den gemeinen Leuten aus dem Winterdorf, Freunden aus nahe gelegenen Burgen und den Eskorten der hohen Gäste. Manche Gesichter hatte Bran noch nie zuvor gesehen, andere kannte er so gut wie seine eigenes, dennoch erschienen Sie ihm jetzt alle gleich fremd. Er beobachtete sie aus der Ferne, als säße er auf seiner Fensterbank im Schlafzimmer, von wo aus er immer in den Hof hinunterschaute und alles betrachtete, jedoch nicht daran teilnehmen konnte.
Osha ging zwischen den Tischen herum und schenkte Bier aus. Einer von Leobald Tallharts Männern schob ihr die Hand unter den Rock, und sie zerschlug zum größten Vergnügen der Anwesenden die Kanne auf seinem Kopf. Mikken hingegen griff einer anderen Frau ins Mieder, und dieser schien es nichts auszumachen. Bran beobachtete Farlen, der seine rote Hündin um Knochen betteln ließ, und lächelte der Alten Nan zu, die mit runzeligen Fingern die heiße Kruste von einem Kuchen brach. Auf dem Podest ging Lord Wyman einen dampfenden Teller Neunaugen an, als sähe er sich einem feindlichen Heer gegenüber. Er war so fett, dass Ser Rodrik einen besonders breiten Stuhl für ihn hatte bauen lassen, aber lachte viel und laut, und Bran mochte ihn. Die bleiche Lady Hornwald saß mit versteinerter Miene neben ihm, während sie lustlos im Essen herumstocherte. Am andere Ende des Tisches spielten Hother und Mors ein Trinkspiel und stießen die Trinkhörner so hart gegeneinander wie Ritter beim Tjost die Lanzen.
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von Chelsea Monroe-Cassel & Sariann Lehrer
Gebratener Auerochse mit Lauch
Ein sehr schmackhaftes Hauptgericht, passend für jedes Festmahl. Das gebratene Gemüse ist köstlich und bildet einen schönen Kontrast zu dem zarten Fleisch. Es stiehlt dem gebratenen Rind fast die Schau, aber die Pfeffersoße verhindert das gekonnt.
Rezept für 4 bis 6 Personen
Vorbereitung: 15 Minuten
Soße: 15 Minuten
Garzeit: 60–90 Minuten
Passt gut zu Bratäpfeln (Seite 88), Zwiebeln in Bratensoße (Seite 72) und Gewürztem Wein (Seite 59)
Zutaten:
Oberschale vom Bison oder vom Rind (Krautjunker Anmerkung: Heckrind bzw. Aueroxe), ungefähr 1,4 kg 6 Stangen Lauch (nur die weißen und hellgrünen Teile verwenden), gründlich geputzt und in ½ cm dicke Ringe geschnitten
4 Karotten, in 0,5 cm dicke Scheiben geschnitten
1 Knoblauchknolle, die Zehen geschält
1 kleines Bund frischer Thymian,
Rosmarin, Lorbeer, Salbei oder eine Mischung
Olivenöl
grobkörniges Salz, gemahlener
schwarzer Pfeffer
Brühe oder Wasser zum Begießen
Mittelalterliche Soße mit schwarzem Pfeffer (Seite 14) zum Servieren (siehe unten)
Den Ofen auf 200 °C vorheizen und das Fleisch 30 Minuten vor dem Verarbeiten aus dem Kühlschrank nehmen.
Gemüse, Knoblauch und Kräuter in einen Bräter legen und mit Olivenöl beträufeln. Mischen, damit alles vollständig mit Öl bedeckt ist. Auch über das Fleisch Öl geben und großzügig salzen und pfeffern. Das Fleisch direkt auf das Gemüse legen.
Den Bräter in den Ofen stellen und alles 1 Stunde braten. Den Garzustand des Fleischs kurz vor Ablauf der Zeit mit einem Fleischthermometer prüfen. Bei 60 °C ist das Fleisch medium gebraten.
Das Gemüse während des Garens im Auge behalten. Sollte es trocken werden, Gemüse und Fleisch mit dem Bratensaft, der sich im Bräter sammelt, übergießen. Bei Bedarf kann man auch etwas Brühe oder Wasser zugeben, damit Fleisch und Gemüse nicht austrocknen.
Wenn das Fleisch nach Belieben gebraten ist, aus dem Ofen holen, auf ein Schneidebrett legen und 15 Minuten ruhen lassen. Den Braten in dünne Scheiben schneiden und mit Soße und Gemüse servieren.
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Mittelalterliche Soße mit schwarzem Pfeffer
Mit diesem Rezept bekommt man eine reichhaltige Soße, die wunderbar zu festem, rotem Fleisch passt, etwa zu Reh, Wildschwein oder auch zum alltäglicheren Rind. Die Menge der Zutaten kann abgewandelt werden, um die Soße dicker oder dünner zu machen, und natürlich kann man ganz nach eigenem Geschmack mehr oder weniger Pfeffer hinzufügen. Die Säure des Essigs ist am Anfang etwas überraschend, aber wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, ist man ganz verrückt danach. Wir waren es jedenfalls. Der rußige Geschmack des brotes im Zusammenspiel mit der Schärfe des Pfeffers runden diese Soße ab.
Poivre noir: Soße mit schwarzem Pfeffer. Geriebener Ingwer, runder Pfeffer und verbranntes Brot, man übergieße alles mit Essig und koche es.
Le Viander de Taillevent, 14. Jahrhhundert
Zutaten:
1 Schreibe Brot, so lange geröstet, bis sie schwarz ist.
100 ml Verjus oder zu gleichen Teilen Apfelessig und Wasser
1 EL Rotweinessig
1 EL gemahlener schwarzer Pfeffer
¼ TL gemahlener Ingwer
Das verbrannte Brot in einen kleinen Topf geben und mit Verjus und Rotweinessig übergießen. Im Topf lassen, bis es sich richtig vollgesogen hat und auseinanderfällt. Dann alles mit einer Gabel vermengen, die Gewürze einstreuen und die Mischung langsam erwärmen, bis sie zu kochen beginnt. Wenn die Soße dünner werden soll, fügt man noch etwas Wasser hinzu. Zum Schluss kann man alles durch ein Sieb streichen, um eine glatte, klümpchenfreie Konsistenz zu erhalten.
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.
Die Leseprobe des Romans wurde aus dem E-Book „Der Thron der sieben Königreiche“ von meinem unermüdlichen Brüderlein abgetippt (Herzlichen Dank an dieser Stelle) und von der Verlagsgruppe Random House freigegeben. Mittlerweile gibt es die Taschenbücher bzw. E-Books mit veränderten Titeln auch mit festem Einband. Ich zeige hier zuerst den ersten Band dieser neuen Reihe, eigentlich stammt die Leseprobe aus dem zweiten mit dem Titel Game of Thrones 2: Unser ist der Zorn.
Titel: Game of Thrones 1: Der Winter naht
Autor: George R.R. Martin
Verlag: Penhaligon Verlag (14. März 2016)
ISBN: 978-3764531522
Verlagslink: https://www.randomhouse.de/Buch/Game-of-Thrones-1/George-R.R.-Martin/Penhaligon/e486976.rhd
Alternativ die alte Taschenbuch-Ausgabe
Titel: Das Lied von Eis und Feuer 03: Der Thron der sieben Königreiche
Autor: George R.R. Martin
Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag (21. Juni 2011)
ISBN: 978-3442268221
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Titel: A Game of Thrones: Das offizielle Kochbuch
Autorinnen: Chelsea Monroe-Cassel & Sariann Lehrer
Verlag: Zauberfeder
ISBN: 978-3-938922-43-0
Verlagslink: http://www.zauberfeder-verlag.de/zf_KO3.html
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Titelbild des Weblog-Beitrages: Winter is coming © Joschkit. Weitere Arbeiten siehe:
http://www.redbubble.com/de/people/joschkit
http://joschkit.deviantart.com/
https://joschkit.wordpress.com/
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Fotocredit des Buches im Pelz: © Radbag.de
Link: https://www.radbag.de/game-of-thrones-das-offizielle-kochbuch
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Mehr über Auerochsen: https://krautjunker.com/2016/10/27/der-auerochs-seine-faehrte-in-unserer-kultur/
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