Über Gusseisen auf dem Lagerfeuer

Die Sommertage sind so kostbar, dass man sich am liebsten den ganzen Tag draußen aufhält. Da liegt es nahe, auch zum Kochen, Braten und Essen nicht zurück ins Haus zu gehen, sondern in der freien Natur oder im Garten zu bleiben. Grund genug also, sich mit Das Lagerfeuer Kochbuch – 95 Gerichte für draußen von Niklas Ekstedt zu beschäftigen. Während der Praktiker Marcus Topel aus der Uckermark die Rezepte ausprobiert, versinke ich Theoretiker in den Texten. Anders als in einer Rezeptsammlung geht es erst einmal um Grundsätzliches.

S. 07 Inhaltsverzeichnis

Aus den Elementen der Analogen Küche stelle ich den Beitrag „Über Gusseisen“ vor. Schweres Kochgeschirr aus Gusseisen gehört auch zu den Materialien, mit denen ich gerne in der Küche arbeite und gerade die Produkte der schwedischen Schmiede Skeppshult finde ich ebenfalls so gut, dass sie mich dazu animierten, mehrfach über sie auf KRAUTJUNKER zu schreiben (siehe Anmerkungen).

Das Ekstedt ist das Restaurant des Kochbuchautors. Hier drückt er der Nordischen Küche seinen eigenen Stempel auf, indem er ohne Elektrizität mit Feuer kocht (siehe Anmerkungen).

Weitere Beiträge aus und über Das Lagerfeuer Kochbuch befinden sich in der Vorbereitung. Doch jetzt zu Niklas Ekstedts friedlicher Interpretation von „Blut und Eisen“.

niklas ekstedt

von Niklas Ekstedt

Verlassen wir Schweden das elterliche Haus, bekommen wir traditionell einen Topf aus Gusseisen mit auf den Weg. Das sagt viel aus. Sobald wir auf eigenen Füßen stehen müssen, drückt man uns ein eisernes Küchenutensil in die Hand. Viele verbinden den Geruch von Feuer und Gusseisen mit Kindheit. Als ich klein war, wurde der Gusseisentopf für geschmorten Elch oder Rentierragout hervorgeholt. Wir hatten damals in Järpen einen gusseisernen Holzfeuerofen zu Hause, der jedoch nur zum Heizen diente. Gekocht wurde wie überall auf dem Elektroherd. Der Ofen stand da wie das Monument einer längst vergangenen Esskultur.

Die Schweden sind early adopter, was meistens eine positive Sache ist. Als die Elektrizität ihren Durchbruch feierte, vollzog sich der Wandel in Schweden in Rekordzeit. Juhu, kein lästiges Holzschleppen im eisigen Wind mehr. Unsere in Gusseisen geschmiedete Esskultur wurde quasi zum »Alteisen«. Das ging sehr schnell – zu schnell, denn wir vergaßen unsere Wurzeln.

Als ich die Berufsschule in Åre besuchte, war Gusseisen komplett aus der Mode. Wir arbeiteten mit Edelstahl, garten im Vakuum. Es gab alles. Außer Gusseisen. Der Gusseisentopf galt als bäuerliches Relikt, als Museumsstück, das die Speisen ruinierte. Garte man etwas Säurehaltiges darin, ging so viel Eisen in Lösung, dass es nach Nasenbluten schmeckte. Wir verleugneten unser kulturelles Erbe.

Glücklicherweise sollte ich das gute alte Gusseisen neu entdecken. 2011 kam mir zu Ohren, dass Simon Blomgren, ein angesehener Unternehmer, Skeppshult gekauft hatte, eine alte Fabrik für traditionelles Küchenwerkzeug aus Gusseisen. Ich spürte, dass Gusseisen eine Zukunft hatte. Kurz darauf nahm die Idee für das Ekstedt Gestalt an, ein analoges Restaurant, in dem Gusseisen eine zentrale Rolle spielen sollte.

Beim Garen in Gusseisen wirkt die Hitze nachhaltiger, die Kruste gerät dicker und gleichmäßiger. Es hat jedoch nicht nur Einfluss auf die Konsistenz und Struktur, eine gusseiserne Pfanne speichert die Hitze auch besser. Brät man darin beispielsweise ein Stück Fisch, kann man die Pfanne getrost vom Herd nehmen und den Fisch in der Resthitze durchziehen lassen. Eine herkömmliche Pfanne kühlt zu schnell ab, man müsste sie in den Ofen schieben, um den Fisch fertigzustellen.

Doch das Beste an Gusseisen ist, dass es das Gargut selbst von Grund auf verändert. Eine Zwiebel findet in Gusseisen ihren kongenialen Partner. Nur in Gusseisen lässt sie sich bereitwillig kräftig bräunen. Einfaches Gemüse wie Zwiebeln und Tomaten entwickelt im Kontakt mit dem Metall ein kräftigeres, umami-artiges Aroma.

Ich erinnere mich noch, als mich Gustav Otterberg, einer unserer Köche, einige Tage vor der Eröffnung des Restaurants anrief. Er war komplett aus dem Häuschen: »Du musst unbedingt rüberkommen und diesen Hummer probieren. Jetzt sofort!« Die Kombination aus Rauch, Fett und Säure machte die Sache erst richtig rund. Im Ernst, mir wurde schwindelig. Alle Gerichte im Ekstedt haben Gusseisen berührt, sei es während des mise en place oder während des Services selbst. Ohne Gusseisen könnte das Restaurant nicht existieren. Unsere gusseisernen Öfen, Töpfe und Pfannen sind die alles regulierende Größe, ohne sie hätten wir nur zwei Servieroptionen – roh oder zu Asche verbrannt.

Wenn Sie beginnen, mit Gusseisen zu arbeiten, passen Sie auf, dass Sie vor lauter Begeisterung nicht übertreiben wie ich. Als ich es neu entdeckte, schnappte ich völlig über. Ob indisches Curry, mexikanischer Eintopf oder eine simple Bolo, irgendetwas schmurgelte immer im Gusseisentopf vor sich hin. Die Hebamme lobte die lehrbuchmäßigen Eisenwerte meiner Frau. Wie schön, aber alles hat seine Grenzen. Als unser Sohn John zur Welt kam, brachte ich ihr ein Curry auf die Station, zubereitet in meinem geliebten Gusseisentopf. Entgeistert starrte sie mich an und sagte: »Eigentlich möchte ich lieber das Krankenhausessen.«

 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

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Titel: Das Lagerfeuer Kochbuch – 95 Gerichte für draußen

Autor: Niklas Ekstedt

Verlag: NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCHLAND

ISBN: 978-3-86690-625-9

Verlagslink: http://verlagshaus.de/titel-90625-das_lagerfeuer_kochbuch_0.html

Übersetzung: Helmut Ertl

Fotos: © Pavillon Books Company Ltd.

 

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Utskrift

Die 1906 im schwedischen Skeppshult gegründete gleichnamige Gießerei ist das einzige Unternehmen Skandinaviens, welches noch Haushaltsprodukte aus Gusseisen herstellt. Im Hochlohnland Schweden sogar in vielen Teilen in traditioneller Handarbeit. Für mehr Unternehmen dieser Art war kein Platz in Nordeuropa, denn Skeppshults Küchenprodukte werden uns alle überleben. Ähnlich wie bei japanischer Handwerkskunst ist das Design so klar und zeitlos, dass die schwarzen Töpfen und Pfannen aus einem tausend Jahre alten Wikingergrab oder brandneu sein könnten. Schwer zu empfehlen für alle Köche, die es leid sind, dauernd Dinge zu kaufen, die man optisch bald nicht mehr erträgt oder welche nach drei, vier Jahren ein Fall für den Müll sind. Smaklig måltid!

http://www.skeppshult.com/de/
https://krautjunker.com/2016/09/02/skeppshult-wok-aus-gusseisen/
https://krautjunker.com/2016/07/21/skeppshult-swing-kraeuter-und-pfeffermuehle-aus-gusseisen/

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Restaurant Ekstedt: http://ekstedt.nu/en/

 

3 Kommentare Gib deinen ab

  1. Jetzt wo ich deinen Text lese, muss ich an eine Folge von Kitchen Impossible denken. Da wurde einer der Protagonisten nach Schweden geschickt, um auf offenem Feuer zu kochen. Ich bilde mir ein, dass es sich dabei um das Restaurant Ekstedt handelte.
    Ich mag Gusseisen und Lagerfeuer sowieso. Das Buch macht Lust auf Beides. Danke fürs Vorstellen!

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    1. KRAUTJUNKER sagt:

      Stimmmt! Danke für den Kommentar. Jetzt erinnere ich mich auch an den Beitrag. Mein Gedanke auf dem Sofa vor dem Fernseher war der gleiche wie beim Betrachten gewalttätiger Action-Filme: Schon spannend, aber gut, dass ich das nicht tagtäglich oder unter Leistungsdruck machen muss… Ich schaue mir auch gerne jahrhundertealte Burgen, Bürgerhäuser und Bauernkaten an und bin bei aller Geschichtsliebe dann immer dankbar, über eine moderne Küche zu verfügen. Wobei natürlich ab und zu mal in der Freizeit draußen etwas über offenem Feuer zu brutzeln schon schön ist.

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