von Dr. Hans-Dieter Willkomm
Es ist unbestritten, Damwild bereichert einerseits die Wildbahn, schafft andererseits aber auch Probleme, wenn die Bewirtschaftung – Hege und Bejagung – nicht seiner großräumigen Lebensweise angepasst wird. Es dauert sonst nur wenige Jahre, bis dadurch der Bestand aus dem Ruder läuft und sich zu einer Größe entwickelt, die das einzelne Revier nicht mehr beherrschen kann.
Mit einer auf Hegegemeinschaftsebene durchdachten Jagdstrategie ist man deshalb am ehesten in der Lage, einen hohen Damwildbestand in den Griff zu bekommen und ihn auf angemessener Höhe zu halten. Eine Methode dabei ist der Gruppenansitz zu Aufgang der Jagdzeit im gesamten Einstandsgebiet. Wie effektiv ist nun der Gruppenansitz hinsichtlich Quantität und Qualität des Abschusses? Und wie ist der Gruppenansitz zu organisieren?
Ausgangspunkt ist die Rudelbildung des Damwildes. Damwild besitzt ein ausgeprägtes Rudelverhalten. Auf Feldäsung, die es besonders liebt (Erbsen stehen an erster Stelle), reagiert es bei straffer Bejagung mit Großrudelbildung. Im Sommer sind die Tiere gegen Störungen relativ unempfindlich. Das ändert sich mit beginnender Bejagung. Das Rudel kann dann 100 und mehr Stücke zählen. Es wechselt auf die großen Freiflächen und verbleibt dort den ganzen Tag. Die so genannten »Aufpasser« – alte erfahrene Tiere – schützen das Rudel, und das erschwert die Bejagung. Die Rudel werden unstet, die Standorttreue ist dahin. Keine Spur mehr von festen Wechselgewohnheiten, was die Jagd immens erschwert. Nimmt die Äsung im Feld ab, zieht das Damwild in unterschiedlicher Rudelgröße im Wald umher – was die Jagd zunächst wieder erleichtert. Bei scharfer Bejagung hält jedoch die Tagaktivität nicht lange an. Auf der Äsung im Wald und in den Randbereichen erscheint dann das Wild sehr spät – oft auch erst nach den Sauen.
Gruppenansitz ergänzt Einzeljagd
Damit liegt klar auf der Hand, dass bei ständiger Einzeljagd Aufwand und Erfolg in keinem Verhältnis stehen, und der notwendige Abschuss kann auf diese Weise nicht erfüllt werden. Mit Gruppenansitz lässt sich deshalb die pirschbezirkbezogene Einzeljagd ergänzen und damit gleich zu Aufgang der Jagdzeit am 1. September Strecke machen, und auf diese Weise ist Wahlabschuss mit Zahlabschuss ideal zu verbinden.
Es gilt der Grundsatz: Den gemeinschaftlichen Gruppenansitz über mehrere Tage auf Hegegemeinschaftsebene in den Haupteinstandsgebieten des Damwildes zu organisieren. Alle Reviere – Landesjagdbezirke, gemeinschaftliche und Eigenjagdbezirke nutzen das erste Septemberwochenende für vier Ansitze, von Freitagabend bis Sonntag früh. Obwohl das meiste Wild zu dieser Zeit bereits im Wald steht, haben alle Reviere die gleichen Chancen, da das Wild – angerührt durch die fallenden Schüsse – die »große Runde« durch das Einstandsgebiet macht und Wald und Feld durchwechselt. Dabei gilt es, einen Vorteil zu nutzen: Zu Aufgang der Schusszeit hat sich das Wild noch nicht auf Jagd eingestellt, es wechselt noch vertraut, was das Ansprechen erleichtert.
Beim Gruppenansitz, wenn viele Jäger in den Revieren ansitzen, müssen genügend Schweißhunde für Nachsuchen bereitgehalten werden.
Wie läuft der Gruppenansitz organisatorisch ab
Abgesprochen wird die gesamte Organisation in der Versammlung der Hegegemeinschaft. Die Jagd wird auf Revierbasis durchgeführt:
- Alle Damwild-Hochsitze werden besetzt, morgens noch im Dunkeln, abends noch bei hoher Sonne.
- Tagsüber erfolgt kein Ansitz, um dem Wild Ruhe zu gewähren.
- Gezielte Vergabe der Hochsitze, erfahrene Jäger erhalten die aussichtsreichsten, die sichersten Plätze, da es ums Streckemachen geht, nicht um Ansprech und Schießübungen.
- Zugewiesene Hochsitze gelten für alle vier Ansitze, die Jäger können sich mit dem Umfeld vertraut machen.
- Zwang zum Schießen besteht nicht, denn der Jäger bezieht seinen Sitz mehrmals, kann dadurch auf günstigere Schussmöglichkeit hoffen.
- Keine Stückbegrenzung vorgeben, den es geht ja um Streckemachen bei hohen bzw. überhöhten Beständen.
Bei der Einweisung durch den Revierinhaber bzw. seinen Beauftragten erhalten die Jäger eine detaillierte Aufstellung, was erlegt werden darf:
- Tiere und Kälber (Kalb vor Tier). Da im Großrudel kaum auszumachen ist, welches Tier zu welchem Kalb gehört, werden mehr Kälber als Tiere auf der Strecke liegen.
- Da bestätigter Kälberabschuss Mindestplan ist, kann er überschossen werden.
- Im Kleinrudel nach Möglichkeit Kalb und Tier zur Strecke bringen.
- Spießer bis Lauscherhöhe; da viele Spießer vorkommen, solche mit stark verdickten Rosen schonen!
- Knieper unter sechs Zentimeter angedeuteter Schaufelbreite.
- Nicht zu beschießen sind markante Stücke (weiß, schwarz), um zu verfolgen, wie das Rudel zieht.
- Rehe und Sauen werden mitbejagt.
- Bei rasch ins Feld wechselnden Großrudeln, die sich nicht auseinanderziehen, gelingt es oft erst dem weiter im Feld ansitzenden Jäger, ein anschusswürdiges Stück am Schluss des Rudels auszuwählen.
Abb.: Bei Gruppenansitz müssen alle gedeckten Damwild-Hochsitze besetzt werden, vor allem an Hecken, die ins Feld oder zu anderen Einständen übergehen.
Nach jedem Ansitz wird Strecke gelegt und vor allem die Stücke begutachtet. Bei der kritischen Bewertung der Spießer und Knieper kann großzügig verfahren werden. Die Auswertung mit allen Beteiligten gibt Aufschluss über den Wildbestand und zu den Wechselgewohnheiten, was Schlussfolgerungen für weitere Jagden erlaubt.
Die Vorteile des Gruppenansitzes
Der Gruppenansitz ist eine zeitlich begrenzt anwendbare Jagdmethode, die Schule machen sollte. Da alle »Damwild-Hochsitze« besetzt werden, erhalten erfahrene Jäger die sichersten Plätze, da es hier nicht um »Ansprech- und Schießübungen«, sondern ums Streckemachen geht.
Die Jäger schießen nicht unter Zeitdruck, deshalb zumeist gute Schüsse und das bedeutet: gute Wildbretqualität (nicht zu vergleichen mit den herbstlichen Ansitzdrückjagden!). Es wird erfolgreich Strecke gemacht, was mit der üblichen Ansitzjagd nicht bzw. nur mit großem Aufwand zu erreichen ist. Von der geplanten Gesamtstrecke der Hegegemeinschaft kann ein gut vorbereiteter Gruppenansitz ein Drittel bringen.
Empfehlenswert ist die Wiederholung einer solchen groß angelegten Gruppenansitzjagd nach vier Wochen. Die Strecke wird allerdings geringer ausfallen, denn das Wild hat sich darauf eingestellt.
Die Jagdmethode ist auch für Gebiete mit normalem Damwildbestand geeignet. Der Gemeinschaftssinn, die Verbundenheit der Jäger die durch das Revierjagdsystem verloren zu gehen droht, wird durch den Gruppenansitz mit einheimischen Jägern und Gästen gefördert.
Der auf Hegegemeinschaftsbasis organisierte Gruppenansitz zu Aufgang der Jagdzeit auf Damwild ist bestens geeignet, ohne Jagddruck hervorzurufen, innerhalb weniger Tage eine Damwildstrecke zu erreichen, die bezüglich Wahl- und Zahlabschuss kaum besser sein kann.
Verlagsinformation zum Autor:
Dr. Hans-Dieter Willkomm ist Naturwissenschaftler, Jagdjournalist und Jagdbuch-Autor. 15 Jahre lang war er Chefredakteur der Zeitschrift unsere Jagd (siehe: https://www.jagderleben.de/unsere-jagd).
Deutsches Jagd Lexikon zum Autor: http://deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Willkomm,_Hans-Dieter
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.
Titel: Schalenwild artgerecht bejagen – Zum Schutz von Wald & Flur
Autor: Hans-Dieter Willkomm
Verlag: BLV Buchverlag
ISBN: 978-3-8354-1579-9
Verlagslink: https://www.blvverlag.de/hans-dieter-willkomm/schalenwild-artgerecht-bejagen.html
Bildnachweise: © Hans-Dieter Willkomm/BLV Buchverlag
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Erste Leseproben aus dem Buch:
https://krautjunker.com/2017/08/07/sauen-auf-der-stoppel-bejagen/