von Bertram Graf v. Quadt
… dann ist der Bock auf. Und manch forscher Jägersmann träumt von linden Abenden, schlanken Beinen und erdbeerblonden Haaren!
„Wenn der holde Frühling lenzt, wenn man sich mit Veilchen kränzt, wenn man sich mit frischem Muth Schnittlauch auf das Rührei tut, kreisen durch des Menschen Säfte neue, ungeahnte Kräfte“. So beginnt das Frühlingslied von Friederike Kempner, dem unerreichten Genie der unfreiwilligen Komik. Auch dem herben Waidmanne sind diese Frühlingsgefühle durchaus nicht unbekannt. Vom heißblütigen Jungspund im Flecktarn bis hin zum alten Hagestolz im Brettloden: einem jeden geht es gleich. Man träumt von linden Frühlingsabenden, von stillen Sonnenaufgängen, von romantischen Stunden unter smaragdenem Buchenlaub, von schlanken, grazilen Beinen, von Haar in allen Schattierungen von erdbeerblond bis tizianrot – aber um Gottes Willen nicht von Frauen. Der erste Mai ist eines der Hochfeste im jagdlichen Kalendarium: der Bock geht auf!
Die unendlich langen, in ihrer Eintönigkeit nur dem Fegefeuer (oder einer ganz schlechten Sonntagspredigt) vergleichbaren Monate der Jagdruhe sind rum, wir müssen uns nicht mehr mit sinnlosen Beschäftigungen die Zeit vertreiben, denn – machen wir uns nichts vor – irgendwann sind alle Gewehre das fünfte Mal eingeschossen und geputzt. Also keine missmutigen Stunden mehr in der dumpfen Stube, auch keine trauten Stunden mehr im Kreis der sogenannten Lieben – wir dürfen endlich wieder raus, Gassi gehen, spielen, wir dürfen endlich wieder jagen!
Frauen dieser Welt, hört uns an: denkt Euch bitte jetzt nichts Besonderes und habt keine Angst vor dem ersten Mai und der Tatsache, dass wir ab jetzt einen Großteil der Zeit aushäusig verbringen. Glaubt bitte nicht, dass wir, wenn wir mit verwuscheltem Haar, glücksbeduseltem Grinsen und Grasflecken an Knien und Ellenbogen gegen Mitternacht heimkehren, irgendwo auf der grünen Wiese unkeuschen Dingen gefrönt hätten. Wir haben einfach einen Anschuss gesucht, und unser dämliches Grinsen rührt daher, dass wir diesen nebst dem ihn verursachenden Bock in der schwärzesten Nacht ohne Taschenlampe gefunden haben. Und wenn wir morgens, in gotteslästerlich schlechter Laune, nach billigem Fusel stinkend am verspäteten Frühstückstisch sitzen, dann haben wir uns keine Abfuhr bei irgendeiner Dulcinea geholt und die Schmach mit Schnaps runtergespült, sondern der alte Sechser vom Dingenskirchener Schlag ist uns direkt zwei Meter hinter der Grenze vom feindnachbarlichen Ortsbauern vor der Nase weggepustet worden. Und natürlich: der Schnaps war nur zur Mückenabwehr gedacht.
Macht Euch also keine Sorgen. Es ist nicht irgendein schlampiges Verhältnis, das uns von Euch, dem heimatlichen Herd und dem ehelichen Schlafgemach fernhält. Es ist eine unerschöpflich tiefe Liebe. Nämlich die zur Jagd. Und zu Diana. Aber die ist bekanntlich a) eine Göttin, b) schon ziemlich alt und c) ein absolutes Luder.
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Der passionierte Rehwildjäger Bertram Graf v. Quadt ist nicht nur Jagdautor, sondern veranstaltet auch in diesem Sommer wieder Blattjagdseminare:
Das Erste am 15. Juni 2019 mit der Jagdschule Baron v. Fürstenberg im Sauerland

http://jagdschule-vonfuerstenberg.de/
https://m.facebook.com/events/1137381823108716/
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Das Zweite am 29. Juni 2019 bei Marcus Schuler, Restaurant Wildbretschütz in Hechingen.

http://www.wildbretschuetz.de/seminare/
https://m.facebook.com/events/356680448283017
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Bertram Graf v. Quadt

Man kann sich gegen schwere erbliche Belastungen nicht wirklich zur Wehr setzen. Damit war die Jagd unausweichlich. Beim Blick in die Generationen gibt es auf weite Sicht keinen männlichen Vorfahr – und nur wenige weibliche – die nicht gejagt hätten. Vater, Mutter, beide Großväter und so weiter und so fort – alles Jäger, und zum Teil hochprofilierte Jäger: der Vater meiner Mutter, Herzog Albrecht v. Bayern, hat die bedeutendste Monographie des 20. Jahrhunderts über Rehwild verfasst („Über Rehe in einem steirischen Gebirsgrevier“) und darin mit viel Unsinn über diese Wildart aufgeräumt. Meine Mutter war an den Forschungen dazu intensiv beteiligt, gemeinsam mit meinem Vater hat sie die Erkenntnisse im gemeinsamen Revier im Allgäu umgesetzt. Nun will und muss aber jeder junge Mensch rebellieren. Ich habe mir dafür aber nicht das jagdliche Erbe ausgesucht, sondern die Schullaufbahn, das nie begonnene Studium, das Ergreifen anrüchiger Berufe (Journalist, pfui!) und anderes mehr. Und ich kann im Rückblick sagen: das war die richtige Entscheidung.
https://wykradt.com/

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel : Jagdgedanken – Ein Hochstand-Brevier
Autor: Bertram Graf v. Quadt
Zeichnungen: Rudi Kohl
Verlag: Neumann-Neudamm
Verlagslink: https://www.jana-jagd.de/buecher/jagdbelletristik/erzaehlungen/11348/quadt-jagdgedanken-ein-hochstand-brevier
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Buchvorstellung: https://krautjunker.com/2019/02/02/jagdgedanken-ein-hochstand-brevier/
Bereits veröffentlichte Leseproben:
https://krautjunker.com/2019/02/21/jagdgedanken-im-februar-schluss-ist-gut-ist/
https://krautjunker.com/2019/04/12/jagdgedanken-im-april-von-wegen-mannerdomane/
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Titelfoto des Blogbeitrages:
Titelbild: Photo by Enguerran Urban on Unsplash