Buchvorstellung von Christoph Stumpf
Italienische Küche erfreut sich in Deutschland bereits seit Jahrzehnten weitreichender Beliebtheit über alle Schichten und Bedürfnisse hinweg: Sei es die Pizzeria, die einem die vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit gibt, sich auch in der Heimat ein wenig näher am Mittelmeer zu fühlen, sei es der „Edelitaliener“, der als Ort mit gediegenem, aber doch nur mittelspießigem Ambiente für Geschäftsessen dient. Mit dem Risotto bietet die italienische Küche Möglichkeiten für ein risikoarmes Bewerbervorstellungsessen, Spaghetti mit Tomatensauce hält aber auch Optionen für erlebnisorientiertere Menschen bereit.
Auch wenn man in Deutschland bisweilen den Eindruck gewinnen könnte, dass die italienische Küche bereits seit Jahren hier vollständig eingebürgert und integriert ist, haben doch die meisten Menschen nur eine begrenzte Vorstellung von ihren antiken Wurzeln, ihrer Vielfalt und ihrer globalen Bedeutung. Diese Vorstellung zu erweitern, ist das Ziel des hier vorzustellenden Buches von Peter Peter, Cucina & Cultara: Kulturgeschichte der italienischen Küche, erschienen im Jahr 2011 bei C. H. Beck in München.
Was zum Namen des Autors und dessen hierfür verantwortliche Eltern zu sagen ist, wurde bereits an anderer Stelle gesagt. Peter Peter ist studierter Kulturwissenschaftler, promovierter Altphilologie – was er seine Leser auch immer wieder spüren lässt –, beruflich seit Jahrzehnten Schriftsteller, Reisejournalist, Restaurantkritiker und Dozent der wunderbaren Wissenschaft mit dem Namen „Gastrosophie“. Ihm sind preisgekrönte Reiseführer, unter anderem zu Italien, zu verdanken, aber auch eine Reihe von kulturgeschichtlichen Abhandlungen zu verschiedenen Länderküchen. An dieser Stelle wurde bereits seine Kulturgeschichte der deutschen Küche aus dem Jahre 2008 rezensiert; das erste einschlägige Werk des Autors zu diesem Thema war aber die hier zu behandelnde Kulturgeschichte der italienischen Küche.

Die insgesamt 183 reich (freilich in schwarz-weiß) illustrierten Seiten einschließlich Prolog und einem Anhang (bestehend aus einer Karte der italienischen Regionen sowie Verzeichnissen der Zitate und Anmerkungen, Literatur, Abbildungen und Rezepte) verteilen sich im Wesentlichen über zwei Arten von Texten: Darstellungen einzelner Epochen der kulinarischen Kulturgeschichte Italiens, die einen Bogen von der Antike bis hin zur Gegenwart schlagen und jeweils mit einem oder mehreren Rezepten abschließen, wechseln sich mit Abschnitten ab, die bestimmten italienischen Produkten gewidmet sind und zudem oft an den vorangegangenen Text zu einer Epoche anknüpfen.

Die kulturgeschichtliche Betrachtung setzt ein mit einem Kapitel über Sybariten und Sizilianer sowie der großgriechischen Kochkunst, das mit Zubereitungshinweisen für Thunfisch schließt. Hierauf folgt ein Abschnitt zum Ölbaum und dem Olivenöl. Dem nächsten Kapitel zur Römerkost unter dem Titel Pfauenfedern und Papageienzunge – das auch ein Rezept für Hirsch mit Sauce beinhaltet – folgt ein Abschnitt zu Vino und Grappa. In den beiden „antiken Kapiteln“ beweist der Autor nachdrücklich seine altphilologische Vorbildung, was die Hand des Lesers in Richtung der griechisch-lateinischen Wörterbücher zucken lässt. Mit der Zeit kommt aber die Sprache des Buches immer mehr in der Gegenwart an.

Das Kapitel über die Diät der frühen Christen – mit einem Rezept für jüdische Zucchini – wird von einem Abschnitt zu Fisch und Frutti di Mare begleitet. Ein Kapitel zum arabischen Einfluss auf die italienische Küche – mit einem Rezept für eine orientalisch-beeinflusste Weißspeise – findet in einem Abschnitt zu Limonen und Orangen seinen Abschluss. Das unvermeidliche Kapitel über die Bedeutung Marco Polos für die Pasta im Mittelalter – mit einem Vermicelli-Rezept – mündet in einem Abschnitt über die Geschichte der Pizza ein. Hieran anschließend findet sich ein Kapitel zu den Aromen des Mittelalters an – mit einem Rezept für gefüllte Kalbsbrust –, das von Ausführungen zu Reis und Risotto beschlossen wird. In der Renaissance angekommen wendet sich der Blick den Tischsitten der Zeit zu, um auch hier wieder zeitgenössischen Rezepte – wie für eine Pfauenbrustwurst – in Erinnerung zu rufen; das Kapitel wird durch einen kurzen Abschnitt zu Mais und Polenta gekrönt. Die Renaissance führt geradezu zwangsläufig zu einem Kapitel über die päpstliche Küche – samt einem Rezept für Apostelbrühe – und einem Abschnitt zu den neuweltlichen Gemüsen, wie Tomaten, Bohnen und Kartoffeln. Es folgt nun ein Kapitel zum Barock – unter anderem mit einem Rezept für eine Jasminblütensauce – und einem Abschnitt für Schokolade und Gianduja. Nach dem Barock ergibt sich ein jäher Gegensatz in Form eines Kapitels zur heute neu diskutierten Cucina povera, das mit einem Abschnitt zu Pane und Dolce abgeschlossen wird. Nun in der Nähe der Gegenwart angekommen führt der Weg weiter über das Kapitel Der dreschende Duce – Vom Grand Tourisme zur Cucina nazionale – mit modernen Rezepten wie dem Saltimbocca – und einem Abschnitt zu Gelato und Granita. Mit dem Erreichen des Zwanzigsten Jahrhundert wendet sich der Autor Pellegrino Artusi – dem modernen Proponenten der italienischen Küche zu – unter Beifügung eines Abschnitts zu Parmesan und Mozarella, bevor er über das (ihm selbst wohl besonders am Herzen liegende) Thema Slowfood in Italien, begleitet von einem Produktabschnitt zu Prosciutto und Lardo, zu einem abschließenden Kapitel gelangt, in dem er dem modernen weltweiten Erfolg der italienischen Küche nachspürt – unter Beifügung eines Abschnitts zu Caffè und Cappuccino.

Der gesamte Stil des Buches ist von freundlicher Belesenheit gekennzeichnet, Es bietet trotz der verhältnismäßigen Kürze eine beachtliche Stoffvielfalt, die der Autor für seine Leser in anschaulicher Weise aufbereitet. Wenn man nur lange genug sucht, wird man wohl immer ein Haar in der Minestrone finden können. Hinterfragen könnte man den doch recht starken und nahezu exklusiven Fokus des Autors auf die süditalienische Küche Neapels und Siziliens. Da es sich hierbei um die Heimat der Pizza und zahlreicher Nudelarten handelt, ist der Schwerpunkt auf Süditalien zwar verständlich; gleichwohl fällt auf, dass die norditalienische Küche keine auch nur annähernd vergleichbare Berücksichtigung erfährt. So wird zwar beispielsweise beiläufig immer wieder Venedig erwähnt, die Eigenarten der reichen venezianischen Küche bleiben aber fast vollständig ausgeblendet. Dass eine derart umfassende Darstellung auf weniger als zweihundert Seiten Platz findet, bedingt aber natürlich, dass nicht jeder Leser die ihm selbst wichtigen Aspekte in vollem Detailreichtum wiederfinden wird. Dagegen wäre eine umfassende enzyklopädische Darstellung aller italienischen Spezialitäten wohl in einem unverdaulichen Schinken ausgeartet. So ist aus diesem Projekt aber eine sehr lesenswerte und unterhaltsame Lektüre geworden, die jeder Mensch, der an italienischer Küche oder auch nur Geschichte interessiert ist, mit Gewinn lesen wird.
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Christoph Stumpf

Prof. Dr. Dr. Christoph Stumpf ist Jurist und Theologe. Ursprünglich aus Franken stammend, ist er inzwischen mit seiner Familie, Hunden und Pferden nördlich der Elbe ansässig geworden. Beruflich ist er als Anwalt tätig, in seiner Freizeit befasst er sich mit Kirche, Küche und Kindern.
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Anmerkungen

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Titel: Cucina e Cultura: Kulturgeschichte der italienischen Küche
Autor: Peter Peter
Verlag: C. H.Beck
Verlagslink: https://www.chbeck.de/peter-cucina-e-cultura/product/20176
ISBN: 978-3-406-63636-3
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