Wild – Wald – Genuss. Rezepte, Geschichten, Wissen. Vom Kochen und Jagen

Buchvorstellung von Daniel Schoch

Vor knapp 20 Jahren arbeitete ich als Kamera-Assistent für eine kleine Produktionsfirma im Auftrag des SWR. An einem kalten Wintertag drehten wir mehrere Beiträge für die Reihe Im Grünen in und um Trier herum. Da die Anreise für uns über zwei Stunden gedauert hatte, und am nächsten Tag weiter gedreht werden sollte, hatten wir beschlossen, in der Gegend zu übernachten.
Das Hotel Rüssels Landhaus St. Urban hatte mein damaliger Kameramann ausgesucht, dem, wie auch mir, gutes Essen und angenehmes Ambiente wichtig war. Und so kam es, dass wir nach einem anstrengenden Arbeitstag im Schnee durchgefroren und mit klammen Fingern vom verschneiten Parkplatz ins wunderbare, warme und freundliche Landhaus eintraten.
Im Gourmet-Restaurant von Rüssels Landhaus haute ich bei einem Sieben-Gänge-Menü mit den passenden Weinen meinen Verdienst der beiden Drehtage auf den Kopf, um anschließend glücklich und entspannt im Themenzimmer Provence in einen erholsamen Schlaf zu versinken.
Der Beginn einer großen Liebe. In Zukunft buchten wir uns bei jeder Gelegenheit dort ein, und die Liebe zur Sterneküche war in mir entbrannt. Auch meine Frau entführte ich dorthin zu einem kleinen Hochzeitsauflug übers Wochenende. Und Jahre später, nach der Scheidung auch meine heutige Partnerin…
Auch wenn ich in den letzten Jahren kaum noch dort zu Gast war, zugunsten anderer Gourmetrestaurants, die es zu entdecken galt, hat Rüssels Landhaus mitsamt seiner Belegschaft, der wunderbaren Stimmung, dem fantastischen Essen und der schönen Landschaft, die es umgibt, für immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen.

Und so freute ich mich außerordentlich, als KRAUTJUNKER mir erzählte, es gäbe da ein Kochbuch, das neu erschienen ist, und ihn durch die Themen, die schon der Titel verrät Wald – Wild – Genuss sofort hat an mich denken lassen.
Das Buch entstammt der Feder von niemand geringerem als Harald Rüssel, dem Hausherrn und Sternekoch des geliebten Landhauses, das seinen ersten Michelin-Stern bereits 1993, kurz nach der Eröffnung erhielt, und seit dem ununterbrochen führt.

Wild – Wald – Genuss. Rezepte, Geschichten, Wissen. Vom Kochen und Jagen lautet der komplette Titel von Harald Rüssels 256-seitigem Buch, das 2021 beim Dorling Kindersley Verlag in München erschien.

Im selben Jahr wurde es Preisträger des Deutschen Kochbuchpreises in Gold in der Kategorie Wild.

Das Buch ist mehr, als ein schnödes Wildkochbuch. Der passionierte Jäger und Spitzenkoch unterhält und informiert, er gibt Anregungen und Gedanken-Anstöße zu den Themen die den Titel des Buches ausmachen. Nicht zuletzt stellt er seine Nähe zur Region dar, in der er lebt, jagt , kocht und wirkt.
Auf vielen, teils seitenfüllenden Fotos sieht man die Familie Rüssel und deren Freunde beim Jagen, auf Ansitz und Pirsch, beim Zerwirken und im Gespräch miteinander. Auf Impressionen von Wald und Region kann das Auge zwischendurch ruhen.

Abb.: Väter und Söhne auf Gamsjagd am Achensee; Bildquelle: Buch abfotografiert

»Dieses Buch ist eine Hommage an den Wald und die Natur. Und an den Hunsrück – die Region, in der Rüssels Landhaus beheimatet ist. Und am Anfang steht: Mein Weg zur Jagd und Regionalität – über einen hohen Anspruch an Frische, Saisonalität und Tierwohl«, schreibt Rüssel zu Beginn der Einleitung, und auf den nächsten drei Seiten berichtet er von seinem Werdegang und dem seines Hauses, von seiner Liebe zur Regionalität und Qualität der Produkte, die auf seiner Speisekarte landen und seinem recht spät begonnenen Weg zur Jagd, die inzwischen – man merkt es in jeder Zeile des Buches – seine große Leidenschaft geworden ist.

Abb.: Rüssels Junior; Bildquelle: Buch abfotografiert

Es folgen gut durchdachte und ausformulierte Texte, in denen sich der Autor zu Wildbret, zu Jagdhunden und zur gegenwärtigen Situation des Waldes äußert. Hier wird erklärt, warum Wildbret ein so wertvolles Lebensmittel ist , so viel wertvoller als Fleisch aus der Massentierhaltung, gegen die er sich deutlich ausspricht.

Kleines Hundewesen überschreibt er die nächsten vier Seiten, auf denen er von Arco, seinem Kleinen Münsterländer berichtet, von dessen Aufgaben und Ausbildung.

Abb.: Kleines Hundwesen; Bildquelle: Buch abfotografiert

In Gedanken zum Wald unterhält sich Herr Rüssel mit seinem Freund Rudolf Kesselstatt über die Folgen der Klima-Erwärmung, der Zukunft desWaldes, und die Beziehung zwischen Wald und Wild.

Ab Seite 27 tritt der Kochbuch-Charakter etwas deutlicher zutage. Wildbretschule – Teilstücke und ihre Verwendung heißt das Kapitel das nach Wildarten sortiert, auf jeweils einer Doppelseite über die Verwertbarkeit der Teilstücke von Rothirsch, Wildschwein, Kaninchen und Hase, sowie Wildgeflügel informiert.

Abb.: Wildbretschule; Bildquelle: Buch abfotografiert

Nach einem Wort zur Artenvielfalt folgt die Wildpflanzenschule. Verschieden Wildkräuter Werden hier mit Ihrer Ernte- und Blütenzeit, ihren jeweiligen Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten vorgestellt.

Abb.: Wildpflanzenschule; Bildquelle: Buch abfotografiert

Im Jahr 2015 entstand Harry´s Waldgin, den Rüssel zusammen mit dem Brenner Hubertus Vallendar entwickelt hatte und dem er nun auf zwei Seiten ein eigenes kleines Kapitel spendiert.

Abb.: Harry’s Waldgin; Bildquelle: Buch abfotografiert

Auf den Seiten 55 bis 243 schließt sich nun der Rezept-Teil des Buches an.

Es beginnt mit einem kleinen Vorwort, in dem der Sternekoch dazu auffordert, die Rezepte gern etwas zu variieren, mit Kreativität und Lust zu kochen. Dem Thema Salz gesteht er eine halbe Seite zu.

Der Teil Rezepte ist in Unterkapitel geteilt, die sich zunächst an den behandelten Wildarten ausrichten, und dann von Kapiteln zu speziellen Zubereitungsarten gefolgt werden. So gibt es eigene Kapitel für Reh, Hirsch, Wildgeflügel, Wildschwein, Wildkaninchen & Wildhase, worauf die  Kapitel Wild grillen, Selber wursten, Suppen & Eintöpfe, Desserts & Getränke, Grundrezepte & Beilagen folgen.
Die Rezept-Seiten sind übersichtlich gestaltet. Unter der Überschrift findet Angaben über Zubereitungs-, Gar-, oder Gefrierzeit, darunter eine übersichtliche Zutatenliste, sortiert nach den einzelnen Teller-Komponenten, und einen Text, der die Zubereitung beschreibt. Viele Rezepte werden noch durch einen in grüner Schrift gedruckten Tipp ergänzt.
Oft begleitet ein ganzseitiges Foto das jeweilge Rezept.

Rezepte wie die Rehschulter mit Wurzelgemüse und Kastanien-Gnocchi (Seiten 68 & 69) scheinen sehr einfach nach zu kochen zu sein, andere, wie der Mont Blanc mit Cassis-Kern und Grantapfelgel (Seiten 216 & 217) wirken wesentlich aufwendiger, sind allerdings noch in einem Rahmen, den man durchaus sehr gut bewältigen kann.

Abb.: Die Nähe und Liebe zum Wein; Bildquelle: Buch abfotografiert

Als Jäger und begeisterter Hobby-Koch schreckte mich beides nicht ab, über die Ergebnisse werde ich weiter unten berichten.

Herr Rüssel verwendet nicht nur Keulen und Rücken (wenngleich das schon auch hier die am häufigsten verwendeten Teilstücke sind), auch Leber, Haxen oder Schultern werden verwendet. Das  er den nose-to-tail-Trend begrüßt, erwähnt er schon auf den ersten Seiten des Buches.
Zwischen den genannten Unterkapiteln finden sich Doppelseiten mit Geschichten und Informationen, z.B. zum Wein oder zur gemeinsamen Jagd mit der Familie. Und immer wieder schöne Bilder.

Das Buch endet mit einem Glossar, der einige Fachausdrücke der Küche erklärt, einem recht übersichtlichen alphabetisch geordneten Register und schließlich mit einem Dank und Horrido.

Nun will ich doch kurz von meinen eigenen Versuchen berichten, aus dem Buch zu kochen.
Als erstes versuchte ich mich an besagter Rehschulter. Da das Rezept sich nicht stark von meiner üblichen Zubereitungsweise unterschied, hielt ich mich hier exakt an die Mengenangaben und Arbeitsschritte im Buch. Das Ergebnis war recht gelungen, jedoch alles in allem etwas fad gewürzt. Ich bin sicher, dass es uns der große Meister wesentlich runder und feiner abgeschmeckt serviert hätte. Das Verfeinern der Sauce mit Zitronenschale war allerdings eine hervorragende Idee.
Die Kastanien-Gnocchi misslangen mir zu meinem Entsetzen gründlich. Der Teig war viel zu weich, um daraus irgend etwas formen zu können. Kartoffelmehl, mit dem ich gerne versucht hätte anzudicken, war nicht zur Hand, und so landete der Teig letztendlich bei unseren Hühnern. Die waren jedoch begeistert!

Abb.: Rehschulter mit Wurzelgemüse und Kastanien-Gnocchi; Bildquelle: Buch abfotografiert

Nichtsdestotrotz aßen wir dann die Schulter mit Genuss und hausgemachten Spätzle.

Den Sauerbraten von der Hirschkeule mit Rotkraut (Seite 84 & 85) musste ich, mangels Rotwild im Revier, in einen Sauerbraten vom Wildschwein variieren, was auch hervorragend gelang. Die Gäste waren so begeistert, wie ich selbst.

Abb.: Sauerbraten von der Hirschschulter mit Rotkraut; Bildquelle: Buch abfotografiert

Bei dem Rotkraut überraschte mich schon im Vorfeld die kurze Kochzeit, die mit nur 15 Minuten angegeben ist. Ich hoffte, dass das Marinieren über Nacht zu einem schnellen Durchgaren beitragen würde, brachte es aber vorsichtshalber schon zwei Stunden vor dem Abendessen auf den Herd. Das war auch gut so, denn meine Partnerin stimmte mit mir überein, dass das Kraut nach der kurzen Garzeit noch viel zu hart war. Fast roh schwamm es in einer dünnen Brühe. Nach einer weiteren Stunde war es allerdings so weich, wie ich es gerne hatte, und die Marinade und der zugefügte Wildfond hatten etwas gebunden und waren ein wenig eingekocht. So ergab es dann doch die gewünschte Beilage, die den Sauerbraten perfekt ergänzte.

Nach dem Sauerbraten gab es dann den  Mont Blanc mit Cassis-Kern und Grantapfelgel. Die Mont-Blanc-Form musste einer vorhandenen Silikonform weichen, ansonsten befolgte ich brav die Anweisungen des Autors. Ein wunderbares Dessert, ein herrlicher Abschluss eines guten Mahls! Die Zubereitung war nicht so aufwendig, wie sie sich im Voraus gelesen hatte, sondern durchaus überschaubar und problemlos umzusetzen. So schön anrichten wie auf dem Foto des Buches konnte ich leider nicht…

Abb.: Mont Blanc mit Cassis-Kern und Granatapfelgel; Bildquelle: Buch abfotografiert

Ein schönes Buch ist Harald Rüssel da gelungen, ein sehr schönes. Eines, mit dem er erreicht hat, was er in der Einleitung des Rezept-Teils erwähnt: »Mir ist wichtig, die Leser nicht nur geschmacklich auf einen Streifzug durch die Natur  der Region zu nehmen, sondern sie auch emotional ein Stück weit in unsere Welt zu holen. In Geschichten und Anekdoten zu erzählen, auf was wir Wert legen, beim Jagen, beim Kochen, in der Natur und im Umgang miteinander, schreibt er.« Das hat geklappt, Herr Rüssel! Chapeau!

Abb.: Harald Rüssel und Söhne im Revier; Bildquelle: Buch abfotografiert

Vielen Dank dafür und für dieses wunderschöne Buch. Ich hoffe, bald mal wieder Gast In Ihrem Landhaus sein zu dürfen. Bei der Vorstellung läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen. Und vielleicht erklären Sie mir dann sogar, wie mir die Gnocchis in Zukunft gelingen.

Bildquelle: KRAUTJUNKER

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Harald Rüssel

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Abb.: Sternekoch und Jäger Harald Rüssel mit Familienmitgliedern beim Besorgen der Zutaten. Bildquelle: *neon Studio für Produkt- und Werbefotografie

Rüssels Landhaus: Boutique-Hotel & Gourmet-Küche: https://www.ruessels-landhaus.de/

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Daniel Schoch

Daniel Schoch ist Jäger, Angler, Imker, Geflügelhalter, Selbstversorger, Schreiner und Spinner. Seine Wurzeln liegen in der sonnigen Pfalz, zwischen Rhein und Reben. Nach einem mehrjährigen Ausflug ins schöne Portugal, zog er vor neun Jahren wieder in die alte Heimat. Seitdem isst er die Wälder und Flüsse des Mittelrheingrabens etwas leerer.
Er liebt und lebt für gutes Essen, gute Getränke, für die Jagd und für den Punkrock.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Wild – Wald – Genuss. Rezepte, Geschichten, Wissen. Vom Kochen und Jagen

Autor: Harald Rüssel

FotografieAnna Schneider neon* fotografie Studio

Verlag: DK Verlag Deutschland

Verlagslink: https://www.dorlingkindersley.de/buch/harald-ruessel-wild-wald-genuss-9783831041992

ISBN: 978-3-8310-4199-2

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Erstes Rezept aus dem Buch: https://krautjunker.com/2021/11/12/wildschinken-mit-pochiertem-onsen-ei-roter-bete-und-spinatpuree/

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