Buchvorstellung
Der Titel sagt es bereits – dieses Kochbuch aus den Niederlanden ist keine Rezeptsammlung, sondern eine Collage. Der Autor Ronald Timmermans rührt in vielen Pötten, unter anderem als Ausstellungsdesigner für das Stedelijk Museum Amsterdam und das Centraal Museum Utrecht. Was er mit dem preisgekrönten Fotografen Kraeeijeveld geschaffen hat, ähnelt so dem Gang durch eine Galerie über die Kultur der Wildküche.
Ziel der Ausstellung ist es, einem Missstand abzuhelfen, den Ben Jolink, der Sänger der ältesten Mundart-Rockband der Niederlande so beschrieben hat: „In den urbanisierten und überbevölkerten Regionen der Erde besitzt der allergrößte Teil der Menschen keinen Jagdinstinkt mehr. Daraus folgt, dass sie völlig falsche Vorstellungen von der Jagd haben. Sie wissen nicht, wovon sie sprechen. Doch in einer Demokratie können sie trotzdem mitreden und, was noch schlimmer ist, mitbestimmen. Zum Glück gibt es eine kleine Handvoll Menschen, die noch Jagdinstinkt besitzt. Ich bin einer davon. JAGD ist nützlich, natürlich und notwendig. Und wenn Sie gern ehrliches Fleisch essen wollen, von Tieren, die ein schönes, freies und lebenswertes Leben geführt haben und an denen nicht herumgepfuscht wurde, dann ist Wildbret die richtige Lösung. Waidmannsheil und guten Appetit.“
Um beim Bild der Ausstellung zu bleiben: Das großformatige Buch ist reich bebildert. Um konkret zu werden: 87 Seiten mit Foto-Impressionen und 50 Seiten Text, von der jahrtausendealten Historie, bis hin zur Vorstellung der einzelnen Wildtiere und der Jagdkultur, die um sie entstand. Der Rezeptteil mit weiteren 58 Seiten, von denen ungefähr die Hälfte Bildseiten sind, ist also kein Schwerpunkt. Es ist kein auf das Praktische angelegtes Buch, dass man schnell aus dem Küchenregal zieht, um Alltagsgerichte zu zaubern, sondern eines, in dem man immer wieder blättert, über humorvolle Anekdoten schmunzelt und eine Flasche Wein aufmacht, um genüsslich die nächsten kulinarischen Ausschweifungen und Abenteuer zu planen.
Auf den optischen Stil weist schon das, in Tweed-Optik gehaltene Titelbild hin. Ebenso wie in meiner nordwestdeutschen Heimat, mögen viele Niederländer den klassischen britischen Modestil, den seinerzeit die Sloane Ranger kultivierten. Viele der abgebildeten Waidmänner könnten so einer Neuverfilmung von Der Doktor und das liebe Vieh entsprungen sein. Manch modernen Großstädtern, mit ihren Abneigungen gegen Traditionen, Waffen und wirkliches Landleben, wird dies vielleicht nicht gefallen. Diese Menschen mögen die Texte lesen, denn sie sind nicht dünkelhaft oder gespreizt, sondern flüssig und humorvoll geschrieben. Das Grundthema ist das Interesse an wilden Tieren, wie man Wildfleisch am besten würdigt und das Jägerleben, welches darum kreist. Wenn gelästert wird, gilt dies den Jägern selbst, die sich in den Jagdbeschreibungen regelmäßig selber auf die Schippe nehmen. Eine Ausnahme ist das Staunen anlässlich der abnormen Sexualpraktiken wirklich völlig skrupelloser Stockenenten-Erpel (siehe unten).
Als ich vor ein paar Tagen in der neuesten Ausgabe des Magazins Tweed ein Interview mit Wolfgang Hölker aus Münster las – er ist der etwas exzentrisch-kreative Verleger dieses Buches – hatte ich spontan zwei Gedanken: Als erstes konnte ich mir bildhaft vorstellen, wie er in seinem Büro durch Wild – Rezepte, Geschichten und Impressionen von der Jagd blätterte, als nächstes kam der unbändige Wunsch nach einem ebensolchen Tweed-Anzug und Büro auf… Während mein Blick sinnend über meine Latifundien schweifte, dächte ich in Wirklichkeit nur darüber nach, was wohl Feines aus der Küche kommen würde. Wildschwein mit Muscheln etwa? Rehrückenfilet mit Gratin dauphinois und Morcheln? Oder doch lieber Kaninchen mit Pfifferlingen und Senfsoße? Vermutlich käme ich den ganzen Tag nicht aus der Denkerpose raus. Außer beim Essen natürlich.
Wahrscheinlich hat der Glückspilz in seinem Büro noch einen Kamin, vor dem Irische Wolfshunde auf Bärenfellen leise schnarchen… Um es mit Austin Powers, dem Schärfsten, was Ihre Majestät zu bieten hat, zu sagen: Das wär genau mein Ding, Baby!
Die Rezepte sind typisch für die Fauna und Küchenkultur der Benelux-Länder. So verfüge ich über kein Wild-Buch in dem so viele Rezepte für Gänse sind. Auch das Kaninchen wird nach seiner Vorstellung und Beiträgen über das Frettieren und die Beizjagd, mit reizvollen Rezepten vorgestellt. „Kaninchen auf belgische Art mit Pflaumen und Bier“ ist ein Knüller. Für Dam- und Rothirsche gibt es insgesamt nur drei Rezepte, bei Wildschweinen wird es wieder ausführlicher. Den Schluss bilden mehrere Beiträge über wilde Beeren, Pilze und Textbeiträge über das küchenfertig vorbereiten von Haar- und Federwild, sowie Soßen, Marinaden, Liköre etc. und eine Geschichte der Jagd.
Mein Resümee? In der Reihenfolge: Opulente Bilder, flüssig zu lesende Texte und ein Einblick in die Jagd- und Wildkultur der Benelux-Länder, insbesondere dem des Königreichs der Vereinigten Niederlande. Wildtiere werden aus allen Blickwinkeln vorgestellt, von ihrer Lebensweise, über ihre waidgerechte Bejagung bis hin zu Brat- und Servierhinweisen und Vorschlägen für den optimal korrespondierenden Wein. Dazwischen gibt es immer wieder Anregungen oder Literaturtipps, wie die zu dem Autor Iwan Sergejewitsch Turgenew (* 1818; † 1883). Für mich eine große Entdeckung, über die ich auf KRAUTJUNKER noch schreiben werde. Erfahrenen Jägern werden viele Informationen und Bilder grundsätzlich bekannt sein. Das Buch empfiehlt sich ihnen als ideales Geschenk für diejenigen Freunde und Verwandte, denen man einen schön gestalteten Einblick in die eigene Passion präsentieren möchte – gute Rezepte inklusive. Möge es die Beschenkten dazu inspirieren, den schenkenden Jäger kulinarisch zu verwöhnen.
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.
Titel: Wild – Rezepte, Geschichten und Impressionen von der Jagd
Verlag: Hölker Verlag
Autor: Ronald Timmermans
Fotograf: Remko Kraaijeveld
Übersetzerin: Kordula Witjes
ISBN: 978-3-88117-979-9
Verlagslink: https://www.spiegelburg-shop.de/produkt/333979/wild-rezepte-geschichten-und-impressionen-von-der-jagd/
Fotografenlink: http://www.remkokraaijeveld.nl/blog/2016/06/
Weitere Beiträg aus dem Buch:
https://krautjunker.com/2016/10/08/ente-in-lehm/
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Tweed, Kompendium für den Gentleman: http://www.wieland-verlag.com/tweed
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