Der Fährtenleser

von Jan von Rossem

Tier, Trophäe, Fleisch – in Afrika ist die Jagd ein Wettkampf in seiner ursprünglichen Form. Und ein Duell auf Augenhöhe. Aber ohne einen professionellen Begleiter geht hier gar nichts. »Tracker« und vor allem »Professional Hunter« wie Basie bringen die eingereisten Jäger auf die richtige Fährte.

 Basie nimmt eine Handvoll Sand vom Boden auf und lässt die Körner bedächtig auf den Boden rieseln. Sie wehen in eine andere Richtung als noch vor ein paar Minuten. Der Wind hat sich gedreht. Der geplante Ausgangspunkt für ein erfolgreiches Anpirschen ist nicht mehr günstig. Basie dirigiert die Jagdgesellschaft zurück auf den Landrover und umkreist das Gebiet, in dem er Oryx-Antilopen vermutet. Die Annäherung muss genau von der entgegengesetzten Seite beginnen. Nur gegen den Wind haben die Jäger eine Chance, nicht zu früh gewittert zu werden und so dem Oryx auf Schussweite nah zu kommen.

Mitte Oktober klettern die Temperaturen am frühen Mittag Richtung 40 Grad. Die kleinen Ortschaften in der näheren Umgegend heißen Klein und Groß Barmen, Straßen mitunter »Schanzenweg« und »Kiekebuschstrasse «. Verkehrsschilder warnen vor kreuzenden Warzenschweinen. Am Straßenrand lungert eine Horde »Baboons« rum und laust sich. Das scheint nicht zusammenzupassen, tut es aber. Der Windrichtungstest findet in Namibia statt. Basie ist PH, professional hunter, angestellt in der Lodge »Sney Rivier«, zwei Autostunden nordwestlich von Windhoek. Die Orts- und Straßennamen sind Relikte der unrühmlichen deutschen Kolonialzeit im damaligen »Deutsch-Südwest-Afrika«, Später wurde das Gebiet Anhängsel von Südafrika mit allen bitteren Folgen wie der strikten Apartheit. Erst 1990 hat das Land seine Unabhängigkeit erkämpft und seither eine stabile Vorbildfunktion im afrikanischen Kontinent übernommen.

Basie ist vor 25 Jahren geboren worden, bereits zu Zeiten der Unabhängigkeit. »I am born as a free man«, sagt er und lacht dazu sein breites Lachen, ein lässiges, ein bisschen schelmisches und vor allem ansteckendes Lachen. Das Lachen eines Menschen, der sein Leben und seinen Beruf genießt, dankbar, demütig, entspannt. Afrikanisch. Er lebt in innerer Einheit mit seinem Land. Namibia ist ein ruhiges und sicheres Stück Afrika mit allem, was dieser wunderbare Kontinent zu bieten hat: eine unvergleichliche Landschaft. Ein schier unerschöpfliches Wildlife, und beneidenswert unbeschwerte Menschen, die im Einklang mit der Natur sind.

Basie hat eine frische Spur entdeckt. Im Gänsemarsch bewegt sich die fünfköpfige Jagdgruppe durch den Busch. Es erfordert höchste Konzentration, gleichzeitig darauf zu achten, nicht in einem der allgegenwärtigen Dornenbüsche hängen zu bleiben und mit Blick auf den Boden geräuschlos an verdorrten und deshalb laut knackenden Ästen vorbei zu navigieren. Auch Basie hat die Blicke auf den Boden gerichtet. Manchmal. Fast scheint es so, als brauche er den Spuren gar nicht zu folgen, sondern ahne er, wie und wohin die Oryx-Antilope gelaufen sei. Die Schritte werden immer kürzer, immer vorsichtiger. Der Atem flacher. Weit kann es nicht mehr sein bis zum Showdown. Basie hält plötzlich inne, richtet sich auf, schaut in die Ferne. Sein Körper entspannt sich. Was in diesem Fall eine schlechte Nachricht ist für die Gruppe. Die nah gewähnte Antilope ist verschwunden.

Basie heißt eigentlich Metarere Hitjii. Metarere heißt so viel wie: Ich werde sehen. Hitjii bedeutet: Ich weiß nicht. Basie muss auch lachen über diese eigenwillige Namenskombination. Sein Vorname ist der deutlich passendere für seine Tätigkeit. Vor allem für die Spurensuche. Für denLaien ist es nur einer von vielen Abdrücken im Sand. Für Basie ist es eine ganze Geschichte. Ein Abdruck erzählt ihm: »Die Spur ist frisch, sie ist noch klar konturiert, sie gehört einer weiblichen Oryx-Antilope, deren Vorderhufe sind größer. Sie kam hierher zum Fressen, hier die Blätter von diesem kleinen Busch, dann drehte sie wieder um und trabte zurück zu ihrer Herde.« Spuren lesen hat Basie von klein auf gelernt. Sein älterer Freund Adam war sein Lehrer. Der brachte ihm bei zu erkennen, was sich im Busch bewegt.

Aufgewachsen ist Basie mit vier Brüdern und einer Schwester. Die Mutter war Köchin in einem Restaurant, zwei ältere Brüder sind Guides bei Safari-Touren. Aber Basie wollte nicht in die gleichen Fußstapfen treten. »Ich wollte eigentlich immer Jäger werden, so lange ich denken kann«, schwärmt Basie von seinem Beruf. »Gerade weil ich Tiere liebe. Ich habe ein weiches Herz.« Der Manager der Lodge unterstützte Basie in seinem Fortkommen, riet ihm ab, nur Tierpräparator zu lernen, sondern schickte ihn gleich auf die Schule für Berufsjäger. Die Lizenz bekam Basie 2014 vom »Ministry of Tourism«.

Basie selbst jagt nur, wenn er sich und seiner Familie Fleisch beschaffen will. Er unterstützt aber auch die Trophäenjagd, denn das Fleisch dieser Tiere wird verwertet, und die Arbeiter der Farmen bekommen ihren Anteil. Sogar dem Artenschutz dient das System. Die Gebühren, die für die Jagdtiere bezahlt werden, kommen den Farmern und auch dem Staat zugute. Also kümmern sich die Einheimischen auch um die Wildtiere. Und sehen sie nicht nur als Erntevernichter oder Gefahr für Ihre Nutztiere. Sondern als Einnahmequelle.

… (Ende der Leseprobe, aber nicht des Buchtextes)…

p1120107

 

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KRAUTJUNKERAnmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

jagdgefahrten

Titel: Jagdgefährten: Was uns auf der Pirsch begleitet – Menschen und ihre Passion

Herausgeber: Thomas Ernst und Jan Hüffmeier

Text: Jan von Rossem

Fotos: Holger Heuber

Verlag: Delius Klasing (12. September 2016)

ISBN: 978-3667106711

Verlagslink: http://www.delius-klasing.de/buecher/Jagdgef%C3%A4hrten.226204.html

Fotografenlink: http://www.holger-heuber.de/

Weitere Beiträge aus diesem Buch:

https://krautjunker.com/2017/01/28/die-flinte-wissen-warum-man-trifft/

https://krautjunker.com/2016/12/03/auf-den-hund-gekommen/

Die Sney Rivier Lodge in Namibia, für die Basie der Fährtenleser ist:

http://blaser-safaris.com/tour/namibia/

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