Auf den Hund gekommen

von Jan von Rossem

Die Nase auf dem Boden verfolgen sie noch die kleinste Spur und führen den Jäger zum angeschossenen Wild. Der Jagdhund ist der klassische Begleiter des Jägers. Thore Thiesen aus Immenstedt bei Husum hat sich der Zucht und Ausbildung der treuen Jagdgefährten verschrieben.

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Hätte es diesen schrecklichen Unfall nicht gegeben, Thore Thiesen würde jetzt wahrscheinlich immer noch mit 21 anderen jungen Männern hinter einem Ball herrennen und versuchen, ihn ins Tor zu bugsieren … und nicht in Gesellschaft seiner drei im Moment tendenziell schläfrigen Labradore einen gemütlichen Vormittags-Kaffee genießen. Aber eines Tages erwischte es ihn: erst beim Fußballspiel. Da brachen Schienen- und Wadenbein, und im Laufe der nächsten Monate stellte sich diese Verletzung als so kompliziert heraus, dass er nicht nur um seine sportliche Laufbahn, sondern sogar um sein Bein fürchten musste. Fünf Jahre ist das her. 16 Operationen später muss er noch immer regelmäßig zum Physiotherapeuten.

Während dieser Leidenszeit reife ein Gedanke in ihm, der zügig Gestalt annahm. Er wollte mit seiner Hündin Alida, einem Labrador, den er drei Jahre zuvor als Welpen bekommen und zum Jagdhund ausgebildet hat, seinen heimlichen Traum verwirklichen und eine Zucht aufbauen. Er wollte aus ihm einen 1A Jagdhund machen. Und aus Generationen von Labradoren auch. Ohne diese Verletzung beim Fußball wäre er vor lauter Training bestimmt gar nicht auf die Idee gekommen. Jetzt sammelt er gelehrige Schüler um sich, die er trainiert. Zur Super-Spürnase, zum perfekten Jagdgefährten.

Natürlich hielten ihn erst mal alle in Nordfriesland für verrückt. Nicht nur im hohen windigen Norden ist das so: Wer an einen agilen Jagdhund denkt, hat höchstwahrscheinlich eine Rasse nicht unbedingt vor Augen: den Labrador. Außerhalb des Wassers schleppen sich die gemütlichen, eher kompakt gebauten Hunde meist nur schwerfällig zwischen Futternapf und Körbchen hin und her. Nicht so Alida (8), Anni (4) und Chili (1), Mutter und zwei Töchter aus der jungen Zucht von Thore Thiesen.

Der 30-jährige ist Vermessungstechniker im Wasser- und Schifffahrtsamt. Früher war er die ganze Woche auf See. Seit dem Unfall arbeitet er nur noch im Büro. Auf hoher See kann man nicht Hunde züchten. Nachmittags nach der Bürozeit schon.

Alida, Anni und Chili wissen natürlich auch, was Hunde tun, wenn nichts zu tun ist. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen: Nicht von diesem entspannten Räkeln auf dem Kissen und auch nicht von dem sich träge in die nächste Ecke Schleppen zwecks unmittelbarer Fortsetzung des Mittagsschlafs – oder ist schon die Nachmittagsruhe angesagt? Ein Hund ist immer bereit. Zum Schlafen sowieso. Aber auch sonst. Auch ein Labrador. Gerade die von Thore Thiessen.

Die junge Zucht besteht aus drei Würfen. Fünf, sieben und sechs Welpen hat Mutter Alida bekommen, vom A- und vom C-Wurf hat Thore Thiesen jeweils ein Mädchen behalten: Anni und Chili. Mutter Alida und Tochter Anni sind schon prima Jagdhunde. Chili will noch einer werden. Aber nicht gerade jetzt. Sie hat sich das Kissen erobert, auf dem die drei Hunde abwechselnd Platz nehmen. Da will sie natürlich nicht so schnell wieder runter. So gemütlich!

Die Ausbildung beginnt, wenn Geschwister vermittelt und aus dem Haus sind. Die Hunde sind sehr gelehrig, sie wollen lernen. „Der Welpe in der Ausbildung ist wie ein roher Diamant, der geschliffen werden muss“, erklärt der Trainer. „Dazu braucht es Geduld.“ Bis die Hunde zur Jagd tauglich sind, dauert die Ausbildung zwei Jahre. „Und währenddessen geht viel Zeit drauf“, seufzt Thore Thiesen. Es ist ein zufriedenes Seufzen. „Vormittags Fährten legen, nachmittags oder am nächsten Tag mit den Hunden raus und diese Fährten suchen.“ Und immer wieder die Kommandos lernen. Zum Beispiel auf Pfiff mit der Pfeife sofort hinlegen und regungslos liegen bleiben, bis er zur Entwarnung pfeift. „Eine gute Ausbildung ist die Lebensversicherung für die Hunde. Sie dürfen nicht ungebremst hinter dem Hasen her. Die Straßen sind zu gefährlich. Der Hase kommt rüber. Der Hund nicht.“

Labradore gelten zu recht als äußerst verfressen. Das ist noch untertrieben. Sie würden von selbst kein Ende finden. „Aber“, schmunzelt der junge Hundetrainer listig. „das Gute daran ist: Für ein Leckerli machen sie alles. Gut fürs Training. Über Futter kann man ihnen alles beibringen.“ Das Wort „Futter“ klingt sehr verlockend in Annis Ohren. Sie hebt den Kopf, und ihr Blick scheint zu fragen: „Apropos: Wann gibt es eigentlich wieder was? Ich würde auch evtl. etwas dafür tun … aber nicht vom Kissen aufstehen.“

… (Ende der Leseprobe, aber nicht des Buchtextes)…

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KRAUTJUNKER

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

jagdgefahrten

Titel: Jagdgefährten: Was uns auf der Pirsch begleitet – Menschen und ihre Passion

Herausgeber: Thomas Ernst und Jan Hüffmeier

Text: Jan von Rossem

Fotos: Holger Heuber

Verlag: Delius Klasing (12. September 2016)

ISBN: 978-3667106711

Verlagslink: http://www.delius-klasing.de/buecher/Jagdgef%C3%A4hrten.226204.html

Fotografenlink: http://www.holger-heuber.de/

 

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