Die Flinte: Wissen, warum man trifft

von Jan von Rossem

Die entscheidenden Millimeter: Rolf Schönlein war jahrelang Deutscher Meister im jagdlichen Schießen. Wer in seinem Geschäft im westfälischen Ibbenbüren eine Waffe kauft, bekommt meist eine Flinte. Mit maßgeschneidertem Schaft. Und mit ein paar Trainingseinheiten. Damit die Kunden mal ähnlich treffsicher werden wie er selbst.

Die entscheidenden Millimeter geben den Ausschlag für Treffer oder Fahrkarte! Aus diesem Grund muss der Anschlag des Schaftes genau passen. An ein Leben ohne Jagd kann er sich beim besten Willen nicht erinnern. »Es gibt ein Foto von mir im Schlafanzug, da war ich vielleicht zwei Jahre alt«, schmunzelt Rolf Schönlein, »und ich halte einen toten Fasan in der Hand.« Mit sechs ist er schon eifrig beim Tontaubenschießen. Und nach der Schule stundenlang beim Angeln am See neben dem Elternhaus

Der Jagdinstinkt liegt im Blut. Erblich bedingt. Seit vier Generationen sind die Schönleins Jäger und Büchsenmacher. Der Onkel, der Cousin – Büchsenmacher. Der Vater – Büchsenmacher. Der hat seine Frau, Rolf Schönleins Mutter, während seiner Lehre kennengelernt. Gelernt hat er bei ihrem Vater – Büchsenmacher. »Für mich war schon früh klar, ich werde auch einer.« Der Vater meldet ihn mit zehn Jahren für eine Lehrstelle an, davon gab und gibt es nicht so viele. »Das war überhaupt keine Frage«, erinnert sich Rolf Schönlein lapidar. »Jedenfalls wurde die Frage nie formuliert.« Mit fünf hat er seinen eigenen kleinen Tisch in der Werkstatt des Waffengeschäfts seines Vaters in Ibbenbüren. Dort verbringt er die Nachmittage – wenn er nicht angelt.

Alles ist vorbestimmt. Seine Jugend ist klar strukturiert. Schule. Angeln. Werkstatt. Schießen. Mit 14 Angelprüfung. Mit 16 Jagdschein. Danach immer öfter morgens auf die Jagd. »Mit Kumpels um die Häuser ziehen, gab’s eigentlich nicht. Oder höchstens kurz. Ich musste ja immer früh raus.« Für ihn fand Hasenjagd jedenfalls nicht in Bars und Discotheken statt. Danach Lehre, zuerst im Familienbetrieb der Mutter, dann zieht er weiter. Während der Lehre entdeckt er sein Interesse für Schäfte. »Den Schäfter als eigenen Beruf gibt es ja gar nicht mehr. Ist auch ein Knochenjob. Das will kaum einer machen.« Also gibt es heute vor allem Industrieware. Einen Standardschaft. Der muss für alle passen. Schönlein rümpft die Nase. »Das ist, als würde es Hemden auch nur in einer Größe geben.«

Er spezialisiert sich aufs Schäften. Die dreieinhalb Jahre Lehre verbringt er mit Jagen, Angeln und »an Knarren rumschrauben«. Und er beginnt das Training in der Disziplin des jagdlichen Schießens, womit er es schnell in die Auswahl von Nordrhein-Westfalen bringt. Die Lehre schließt er ab als Jahrgangsbester. Das bringt ihn nach Berlin und zu Richard von Weizsäcker. Der damalige Bundespräsident ehrt die besten Gesellen aller Gewerke. Ein beeindruckendes Erlebnis für den jungen Rolf Schönlein.

1999 macht er seine Meisterprüfung, ebenfalls mit Prädikat. Sein Leben besteht auch weiterhin ausschließlich aus Jagen, Angeln, Waffen und seinem Schießsport. Darin bringt er es zu deutschen Meistertiteln. Es grenzt geradezu an ein Wunder, dabei auch noch die Frau fürs Leben kennenzulernen. Das Wunder ereignete sich in dem einigermaßen unbekannten Ort Neunkirchen-Vlyn, wo seine Daniela und er vom Schicksal zusammengeführt wurden. Der Ort hatte den Vorteil über einen Schießstand zu verfügen und mangels günstig erscheinender Alternativen hatte das Schicksal keine andere Möglichkeit, als das Wunder genau dort geschehen zu lassen. »Dani« stammt selbst aus einer Jägerfamilie, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Jagdschein und war zudem die Schwester eines Mannschaftkollegen. Was sich aber erst später herausstellte. Klein ist die Jägerwelt. Ihr Jura- Studium verlegt sie nach Osnabrück, um ihm nahe zu sein. Im Jahr 2000 übernehmen sie den elterlichen Betrieb. »Jetzt haben wir sogar unsere eigene Rechtsabteilung«, freut sich der Meisterschütze.

Im Laden beginnt er bald eine Umstrukturierung. »Insgesamt ist der Verkauf schwieriger geworden«, gesteht Schönlein ein, »seit alles im Internet angeboten wird. Und manche fast ohne Gewinnspanne Gewehre anbieten.« Er spezialisiert sich auf Flinten. Und noch mehr: auf Schäfte. Genauer gesagt: auf maßgeschneiderte Schäfte für Flinten. Flintenschießen ist technisch anspruchsvoll. Rolf Schönlein steht auf und schnappt sich eine Flinte aus dem Regal. Stellt sich in Position, Knie leicht federnd, den Schaft unterhalb der Achsel. »Wenn ich schieße, verbinde ich mich mit dem Gewehr an vier Punkten«, erklärt er. »Mit den beiden Händen, an der Schulter und im Gesicht, am Jochbein. Dann ist es eingeklemmt wie in einem Schraubstock.« Das allerdings ist nur die Grundstellung. Der große Nachteil beim Flintenschießen: Anders als bei der Büchse zielt man nicht durchs Zielfernrohr. »Wenn ich damit das Ziel erfasst habe und es im Fadenkreuz ist, muss ich nur abdrücken. Dann treffe ich auch.« Das soll jetzt nicht abfällig klingen, aber der Flinten-Spezialist kann nicht verhehlen, welche Waffe ihn mehr reizt. »Bei der Flinte muss man hinschießen, wo man hinguckt. Es ist ein instinktives Schießen.« Vor allem aber kommt es dabei viel mehr auf die richtige Technik an. Und auf das perfekte Material.

… (Ende der Leseprobe, aber nicht des Buchtextes)…

jagdgefahrten

 

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KRAUTJUNKERAnmerkungen

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jagdgefahrten

Titel: Jagdgefährten: Was uns auf der Pirsch begleitet – Menschen und ihre Passion

Herausgeber: Thomas Ernst und Jan Hüffmeier

Text: Jan von Rossem

Fotos: Holger Heuber

Verlag: Delius Klasing (12. September 2016)

ISBN: 978-3667106711

Verlagslink: http://www.delius-klasing.de/buecher/Jagdgef%C3%A4hrten.226204.html

Fotografenlink: http://www.holger-heuber.de/

Weiterer Beitrag aus diesem Buch: https://krautjunker.com/2016/12/03/auf-den-hund-gekommen/

Der Link des Flinten-Künstlers: http://www.waffen-schoenlein.de/

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