Flusskrebse fangen und im Dutch Oven zubereiten

von Oliver Welschar

„Papa, zeigst Du mir das Herz?“ Eine süße Frage, ganz besonders wenn sie von einem fünfjährigen stupsnäsigen Mädchen gestellt wird.  Doch wonach fragt das kleine Ding hier eigentlich genau? Möchte sie wissen, wo im menschlichen Körper das Herz sitzt?

 

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Will sie wissen, was Liebe ist? Fragt sie etwas stokelig, wie Mitgefühl funktioniert? Viele zuckersüße Assoziationen stellen sich ein, aber als meine Freundin Melissa ihrem Vater diese Frage 1972 stellte ging es um etwas ganz anderes. Sie wollte, dass der Papa die gerade gefangene Forelle ausnimmt und ihr das Herz des Fisches zeigt. Diese Anekdote soll erklären, welche prominente Rolle das Angeln und Fischen in dieser Tochter-Vater Beziehung einnimmt.

 

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Und diese Anekdote erklärt auch warum ich 2018 am Ufer der Örtze in der Lüneburger Heide stehe, zwischen umgebiberten Birken, amokfliegenden Bremsen und Otterspuren im Sand. Denn meine Süße und ihr Papa machen seit Jahren endlich mal wieder das, was sie seit Jahrzehnten verbindet. Ich bin zwar Antijäger und Nullfischer, aber chronisch neugierig und am liebsten draußen. Und als mein Schwiegervater, seines Zeichens Oberfischsheriff des örtlichen Fischereivereins , en passant erwähnte, dass er mit der Bekämpfung von Fremden in seinem Revier Probleme hat und er dringend Verstärkung braucht, entschieden wir nicht auf die Kavallerie zu warten, sondern ihm zur Seite zu stehen.

 

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Ganz selbstlos waren wir dabei nicht, denn bei den Fremden im Pachtgewässers des Angelvereins handelt es sich um einen sehr invasiven und  ganz schön leckeren Neozoon, den nordamerikanischen Signalkrebs.

 

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Abb.:  Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus); Bildquelle Wikipedia

 

Der Signalkrebs wurde Ende des 19.Jahrhunderts in Europa eingeführt, da der heimische Edelkrebs durch die eingeschleppte Pest dezimiert wurde. Da hatte man eine ziemlich gute Wahl getroffen, denn der Signalkrebs ist den eingeborenen Flusskrebsarten (Edel, Stein & Dohle) in allen Belangen überlegen. Gäbe es ein Krebsquartett, der Signalkrebs wäre der Supertrumpf. Er vermehrt sich bis zu sechsmal pro Jahr, ist aggressiver als der heimische Edelkrebs, resistent gegen den Erreger der Krebspest und größer als die heimischen Arten. Also aus Sicht der Freunde der Evolution ein Volltreffer, aus Sicht der Freunde der Artenvielfalt ein Arschloch und aus Sicht der Feinschmecker ein ziemlich leckeres Abendessen. Am entspannten Julivormittag machten wir uns also auf: Das Böse in Schalenform jagen, die wunderschöne Landschaft genießen, ein leckeres Essen fangen und unter Menschen zu sein, die wir lieben. Kann es einen besseren Plan geben?

Vor unserer Ankunft, laaange vor unserer Ankunft hat mein Schwiegervater Fischreste in kleine Netzfetzen gepackt und mit Kabelbindern verschlossen, mit denen wir drei verschiedene Reusentypen bestücken.  Da Flusskrebse Allesfresser und Restverwerter sind, bietet sich Aas als Lockmittel an und dieses Aas war so gut vorbereitet, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sich noch Geier und Hyänen in der Lüneburger Heide eingestellt hätten.

Die drei Reusen werfen wir im Abstand von ein paar Metern in den Fluss und befestigen sie mit einem Seil am Ufer. Die Auswahl der Standorte ist einfach. Nämlich die Reusen werden dort gesetzt, wo man gefahrlos ans Wasser kommt. Mal am Prallhang, mal am Gleithang, mal im Treibgut-Algengemisch und mal auf einer freien Sandbank. Dann kommt der schwierigste Teil, das Warten. Das ist nichts für mich und so vertreiben wir uns die Zeit damit, Reusen von illegalen Fischern aufzubringen, das Tagewerk der Biber zu bewundern, das Esszimmer von Ottern anhand der Pfotenabdrücke und geschredderter Krebsschalen ausfindig zu machen und mit einem Landwirt zu schnacken, dessen Deutz wir in der grünen Einöde der Sülzewiesen zugeparkt hatten.

Nach 30 Minuten kontrollieren wir die Körbe und finden pro Korb zwischen 0-20 Signalkrebse. Wir werfen jede Reuse 2 mal aus und nach weniger als einer Stunde tummeln sich fast 60 Krebse in unserem Eimer, von denen manche schon eher einem kleinen Hummer als an einem großen Krebs ähneln.

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Zuhause wird ein Dutch Oven mit Wasser gefüllt, auf das offenen Feuer gestellt und wenn das gesalzene Wasser blubbert, kommt der schrecklichste Teil des Tages. Man schaufelt die Krebse in das Wasser und bildet sich ganz fest ein, dass ihr Tod sicher ganz schnell kommt und nur ein kleines bisschen qualvoll ist. Man ist so mit Verdrängen beschäftigt, dass man schludrig arbeiten und sich prompt den kleinen Finger am heißen Wasser des Dutch Ovens verbrüht, worauf man von der wenig überraschenden Erkenntnis heimgesucht wird, dass die Zubereitung von Schalentieren mit die qualvollste Art ist, ein Tier zuzubereiten.

 

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Aber da müssen wir jetzt durch. Ich ein bisschen, mein Süße schon mehr und am meisten die Krebse. Nur Schwiegervater zuckt mit keiner Wimper und lobt uns, ob unseres Einsatzes zur Rettung der lokalen Fauna. Wenn die schlammfarbene Schale der Krebse sich nach ca. 8 bis 10 Minuten wunderschön rot verfärbt hat, ist das Fleisch gar und es beginnt das große Fressen….schön wäre es.

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Es beginnt erst das noch größere Pulen und Knacken. Hier die 5 Schritte, welche zum Fleisch führen:

  • Den Kopf abdrehen. Von der Neigung mancher Nordmänner diesen danach auszusaugen haben wir abgesehen.
  • Die Schwanzflosse in Verlängerung des Rückens mittig falzen,
  • Rückenpanzer aufbrechen
  • Gedärm herausziehen.
  • Die Scheren aufbrechen.
  • Am besten sieht man es im Film: https://www.youtube.com/watch?v=BqtuqVHp-G8

 

Dazu bereite man folgenden Dip vor:
Joghurt halbfett, Pfeffer, Salz, Zitrone, Prise Zucker, itzelchen Curry, ganzganz viel Dill, Creme fraiche.
Piffpaff, Dip fertig.

 

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Wer noch nie frisches Krebsfleisch gegessen hat, dem kann man es nur schwer beschreiben und der tut uns auch sehr leid. Auch wer Krebse fischen möchte, um davon satt zu werden, der tut uns noch mehr leid. Damit wir am Ende des Tages erschöpft vor einem Teller mit ca. 450 Gramm köstlichen rot-weißen Krebsfleisches sitzen konnten, haben wir drei vermutlich die Energie aufgebracht, die in 10 Kilo Krebsfleisch steckt.  Wer sich also auf köstliche Art und Weise zu Tode fasten möchte, der werde Flusskrebsfischer. Wer aber einen perfekten Tag verleben möchte, der braucht einen Papa , der einem genau zeigen kann, wo die Krebse sind…und wo das Herz ist.

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EdelkrebsAbb.: Edelkrebs oder Europäischer Flusskrebs (Astacus astacus); Bildquelle: Wikipedia

 

Der Edelkrebs oder Europäische Flusskrebs (Astacus astacus) lebt sowohl in Fließgewässern (Bach) als auch in Stillgewässern (Teich, See). In großen Flüssen kommt er sehr selten vor. Voraussetzung ist sauerstoffreiches und klares Wasser, kiesiger aber auch weicher Gewässergrund. Er besiedelt i.d.R. die Uferbereiche.
Der Edelkrebs ist vom 01. November bis 30. Juni geschont.

 

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Abb.: Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus); Bildquelle: Wikipedia

 

Der Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) darf das ganze Jahr über gefangen werden.

Da die meisten Fließ- und Stillgewässer an Fischereivereine verpachtet sind, sind nur Vereinsmitglieder, die eine Angelprüfung abgelegt haben, zum Fang berechtigt. Teilweise ist es möglich, mit einem Angelschein bei Fischereivereinen zeitlich begrenzte Fanglizenzen zu erwerben.

 

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