Rezeptvorstellung von Gerd Kettlitz
Fast jedes Wochenende habe ich meinen ft6 von Petromax in Betrieb. Ich möchte nicht sagen, dass ich süchtig nach dem Teil bin. Es macht nur einfach einen Riesenspass, mit dem Ding zu handwerken. Meine Frau freut sich da natürlich doppelt drüber. Erstmal braucht sie sich keinen Kopf machen, was am Wochenende gekocht wird. Ich finde bisher immer was in der Truhe. Und die Küche ist pünktlich mit dem Servieren des Essens wieder sauber, weil man ja nach dem Befüllen des Dopfes nichts weiter zu tun hat, als aufzuräumen.
Tom Heinzles WILD GRILLEN aus dem Heel-Verlag hat uns schon zu einigen Geschmackserlebnissen verholfen.

Ich habe hier auch schon davon berichtet. Mir gefällt bei Tom dieses kurze und bündige Erklären seiner Rezepte. Und der Ideenreichtum. Noch nie habe ich Wild mit Oliven kombiniert. Auf Seite 106 seines Werkes empfiehlt er genau das. Dies und der Fund von zwei Rehblättern im Froster haben mich dazu bewogen, diesen Sonntagsschmaus zu machen.

Beim tieferen Graben in der Truhe habe ich festgestellt, dass die zwei Blätter das Letzte waren, was ich noch von der diesjährigen Rehwildstrecke übrig habe. In meinem Revier konnten wir uns jahrelang, mein Pächter schon jahrzehntelang, an einem stabilen, kräftigen Rehwildbestand erfreuen. Nicht nur wir Jäger, auch Spaziergänger, Jogger usw. haben sich immer gefreut, Rehe in Anblick zu haben. Die Bewirtschaftung dieser wunderschönen Wildart hat riesigen Spaß gemacht. Wir sind auf ca. 700 ha, vor allem Feldfläche, drei aktive Jäger und hatten jährlich eine Strecke von 25 bis 30 Stücken. Jeder konnte mit gutem Gewissen zwei Böcke schießen, die bei uns alt wurden und manchmal sogar Medaillen bekamen.

Beim weiblichen Rehwild entnahmen wir vor allem so genannte Geltricken, die also keine Kitze mehr führten. Schwache Schmalrehe und einige Kitze erlegten wir, um den Bestand nicht ausufern zu lassen.
Seit drei Jahren hat sich das alles grundlegend verändert. Das Rehwild ist fast nur noch nachtaktiv, tagsüber muss man Glück haben, um mal ein Stück zu sehen. Auf der Fläche, wo in den Jahren vorher im Winter über 50 Stücken in Sprüngen zusammen standen, stehen jetzt noch acht! Die Spaziergänger fragen uns, wo die Rehe hin sind. Klar, wissen die auch, dass seit drei Jahren ein Wolfsrudel in unmittelbarer Nähe existiert. Aber dass ein Wolf am Tag vier Kilo Fleisch braucht, müssen wir ihnen erklären. Und wenn wir dann weiter vorrechnen, dass zu einem Wolfsrudel sechs bis zehn Tiere gehören, begreifen sie schnell, was passiert ist. Sicherlich ernähren sich die Wölfe nicht nur vom Rehwild. Aber ich habe bei uns die Zahl 60 % gehört. Nehmen wir also nur mal zwei Kilo pro Wolf und Tag. Mal zehn Tiere im Rudel, sind 20 Kilo, sind ein Reh pro Tag, 375 im Jahr. Mir wird schlecht bei dem Gedanken! Nicht unbedingt, weil ich jetzt so wenig in der Truhe habe. Auch! Aber vor allem deshalb, weil der Spitzenprädator Wolf in Deutschland wie eine heilige Kuh behandelt wird. Er kann sich uferlos ausbreiten und es werden andere Wildarten, die seit Urzeiten zur Kulturlandschaft gehören, geopfert. Muffelwild gibt es bei uns überhaupt nicht mehr.

Dementsprechend mussten wir die Bewirtschaftung unserer Rehe ad acta legen. Sie ist schlicht und ergreifend nicht mehr möglich. In diesem Jagdjahr haben wir noch vier Stücken Rehwild erlegen können. Zwei Böcke, eine Geltricke und ein kranker Jährling, der eine Eiweißvergiftung hatte (ich berichtete! https://krautjunker.com/2019/06/30/rehrucken-auf-dem-knochen-gegrillt/). Den Jährling, einen Bock und die Ricke konnte ich strecken. Andreas hat den anderen Bock geschossen, Erich (unser Pächter) geht als Schneider aus diesem Jagdjahr.
Umso wertvoller schätze ich jedes Stück Wildbret, welches bei uns auf den Tisch kommt. Die zwei Blätter stammen von der Ricke, die ich erwähnte. Ende November kam Erich mit der Frage, ob ich noch einen Rehrücken habe. Jedes Jahr zu Weihnachten bekam ein Landwirt zwei dieser Edelteile von uns. Vielleicht deshalb hatten wir ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Und keinen Wildschaden. Ich hatte gerade u.a. meinen letzten Rücken in den Pökelschlaf gelegt, um Schinken davon machen zu können. Damit wir den Bauern aber nicht vergrämen, entschieden wir uns, auf Rehwild anzusitzen. Ich ging in strömendem Regen mit meiner Bockbüchsflinte im Futteral zum Ansitz und war froh, als ich die Tür der Kanzel hinter mir zu machen konnte. In der beginnenden Dämmerung zeigte sich 300 m weiter am Waldrand ein Stück Rehwild. Mal kam es 20 m auf das Feld raus, mal war es wieder im Wald verschwunden. Ich konnte aber bestätigen, dass es alleine war. Also Kapuze über den Kopf, Zielstock unter den Arm, Waffe mit Lauf nach unten über die Schulter und raus in den Regen. Am Waldrand konnte ich mich bis auf 120 m heranpirschen. Da es schon fast dunkel war, musste ich mich beeilen. Hinter einem Strauch stellte ich den Zielstock auf und als das Reh breit stand, ließ ich die 7x57R fliegen. Ein regloser dunkler Fleck auf dem Acker zeigte, dass das Stück im Knall verendet war. Auch wenn ich jetzt schon ziemlich nass war, brach ich einen Zweig und machte mich erst dann auf den Weg zum erlegten Stück. Ich hatte eine richtig alte Ricke gestreckt. Das erkannte ich am Abschliff des Gebisses, als ich ihr den letzten Bissen gab. Der Schuss saß hinter dem Blatt und auch der Ausschuss hatte, dank Deformationsgeschoss, das Blatt auf der anderen Seite nicht kaputt gemacht. So hatte ich zwei vollständige Blätter, was bei Kammerschüssen eher die Ausnahme ist.
Für das Essen löste ich die Knochen aus und schnitt das Fleisch in gulaschähnliche Würfel.

Aus den zwei Teilen bekam ich fast genau ein Kilogramm Fleisch. Das Gemüse und die Zwiebeln waren schnell geschnippelt.

In der Zutatenliste steht irgendwann eine eingelegte Salzzitrone. Deren Herstellung ist ein paar Seiten weiter im Buch erklärt. Mein Stolperstein waren die drei bis vier Wochen, die die Zitrone durchziehen muss. Ich hatte aber nur noch drei Stunden bis Mittag. Also habe ich eine Zitrone ausgepresst und den Saft verwendet. Tom antwortete auf meine Frage, was die Salzzitrone bewirkt, dass sie Frische in das Gericht bringt. Kann ich mir im Nachhinein gut vorstellen. Zusammen mit den säuerlichen Oliven und dem Staudensellerie eine interessante Geschichte. Ich werde es wohl mal ausprobieren. Da es sehr windig war, habe ich abweichend vom Rezept ein paar mehr Grillkohlen auf dem Deckel platziert.

Ansonsten hab ich mich an die angegebenen zwei Stunden Schmorzeit gehalten. Ich habe fast den Eindruck, dass man mit einem Dutch Oven nichts falsch machen kann.

Alles, was ich bisher gemacht habe, hat funktioniert, war oberlecker und wenig aufwendig. Das Reh mit Zitrone und Oliven war butterweich, trotz der vielen Sehnen, die so ein Blatt nun mal aufweist.

Mit Baguette und dem Rest guten Rotwein, der nicht im Dopf gelandet ist, ein superfeines Sonntagsessen.

Noch ein Reh konnten wir bis Weihnachten nicht mehr erlegen. Unser Landwirt musste also erstmalig mit einem Rehrücken über die Feiertage kommen. Er hat uns die Freundschaft nicht gekündigt, hat er doch als Schafhalter das gleiche Problem wie wir.
Ich kann „WILD GRILLEN“ jedem empfehlen, der Neues aus Wildbret probieren möchte. Tom Heinzle ist kreativ und experimentierfreudig. Und ich wünsche mir, dass die Politik endlich aufwacht und der Wolf wie jede andere Wildart auch behandelt wird.
In diesem Sinne guten Appetit und Weidmannsheil!

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Reh mit Zitrone und Oliven aus dem Dutch Oven
von Tom Heinzle
Zutaten
600 g Rehschulter, gewürfelt
1 Karotte, in Stücke geschnitten
1 Stange Staudensellerie,
grob zerkleinert
2 Knobhauchzehen, halbiert
1 Zwiebel, fein gehackt
4 EL grüne Oliven
1 Zweig Rosmarin
2 Lorbeerblätter
½ l guter Rotwein
½ l Fleischbrühe
6 EL Olivenöl
3 EL Tomatenmark
1 Dose passierte Tomaten
1 eingelegte Salzzitrone,
gewürfelt (siehe Seite 174 in Wild Grillen)
Salz
Pfeffer aus der Mühle

Den Dutch Oven auf 15 glühende Kohlebriketts stellen und das Olivenöl darin erhitzen. Die Zwiebel mit etwas Tomatenmark andünsten, das Fleisch, das Gemüse, die Oliven, die Kräuter, den Rotwein, die Brühe und die passierten Tomaten angießen und die Zitronen beimengen.
Den Dutch Oven schließen und nochmals 10 glühende Briketts auf den Deckel geben. Danach das Fleisch etwa 2 Stunden weich schmoren.
Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Kräuter herausnehmen und servieren.
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KRAUTJUNKER-Koch:
Mein Name ist Gerd Kettlitz, ich bin 49 Jahre alt, bin verheiratet und betreibe eine Firma für Hauswirtschaftsdienste. Aktiv zur Jagd gehe ich wieder seit 2009. Meine Jagdprüfung habe ich bereits 1988 gemacht, also noch zu DDR-Zeiten. Damals war es notwendig, ein Jahr nachweislich mit einem Jäger mitgegangen zu sein, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Ich bin schon als Junge mit meinem jagdlichen Ziehvater viel draußen gewesen, er hat mir alles gezeigt, was mit dem Handwerk zu tun hatte. Ich habe dann meinen Jagdschein noch bis 1991 verlängert, danach war erstmal Familie, Arbeit, Hausbau, später Firmengründung usw. wichtiger. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich etwas brauche, wo ich abschalten und regenerieren kann. Und so habe ich 2009 wieder mit der Jagd angefangen. Da musste ich mich natürlich erstmal intensiv mit den ganzen Gesetzmäßigkeiten beschäftigen, ich hatte ja DDR-Jagdrecht gelernt. Nach einer Odyssee durch mehrere Reviere bin ich jetzt das dritte Jagdjahr bei einem Pächter, der großen Wert auf Kameradschaft und jagdliches Brauchtum legt. Dort fühle ich mich angekommen und es macht Spaß, auf freundschaftlicher Basis zusammen zu jagen.

Von vornherein war für mich klar, dass ich das, was ich erlege, auch selbst verarbeite und zubereite. Ich verkaufe auch einiges, bei uns gibt es aber regelmäßig Wild, von dem ich eben weiß, wie es aufgewachsen ist.
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Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Titel: Wild grillen
Autor: Tom Heinzle
Fotos: Michael Gunz
Verlag: Heel Verlag
Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/Wild+grillen.htm
ISBN: 978-3868529326
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Bereits veröffentlichte Rezepte aus dem Buch:
https://krautjunker.com/2019/06/11/mit-zirbenholz-gegrillter-karpfen/
https://krautjunker.com/2019/06/30/rehrucken-auf-dem-knochen-gegrillt/
https://krautjunker.com/2019/08/14/tom-heinzles-wildschweinkeule-mit-krautern-und-nussen/
Ich bin erstaunt – haette ich doch eher erwartet, dass die Rueckkehr des Wolfes bei Jaegern positiv aufgenommen wird, da dadurch der Wildbestand in Deutschland nach rund 150 Jahren Ausrottung des Wolfes wieder natuerlich reguliert wird. Wahrscheinlich folgt zunaechst ein Ueberschwingen, das stimmt schon. Aber der Wolf nicht auch ein wichtiger Baustein des Naturregelkreises?
Mag sein, dass ich mich irre. Aber hier in Nordkanada mit Baeren, Woelfen, Kojoten und Luchsen gibt es immer noch genuegend Wild fuer die Freunde der Jagd.
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Hallo Luisa, die Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland ist eine gute Idee gewesen. Er hat ja immer dazu gehört. Nur kann diese grenzenlose Ausbreitung nicht befürwortet werden. Als er vor 180 Jahren ausgerottet wurde, war Deutschland noch lange nicht so dicht besiedelt wie heute. Wir haben im Umkreis von 50 km offiziell vier Rudel. Das sind auf jeden Fall drei zuviel!
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Hallo Gerd,
na dann druecke ich die Daumen, dass es bald bei euch Wolfsquoten gibt und ihr euch im Winter mit euren dicken Wolfsfellmaenteln waermen koennt! 🙂
In der Jagdzone, in der ich lebe, darf jeder Jaeger pro Jahr sieben Woelfe schiessen. Man sieht nur so gut wie nie einen Wolf, da sie hier keine Zivilisationsfolger sind. Im Gegensatz zu Kojoten und Fuechsen.
Ich kenne auch nur einen Jaeger, der einen Wolf geschossen hat. Und das war, als der Wolf gerade einen angeketteten Schlittenhund im Busch angenagt hat. Doch ich kann mir vorstellen, dass die Jagd auf Woelfe in Deutschland einfacher ist, da die Wildnis fehlt und die Rueckzugsmoeglichkeiten begrenzt sind.
Auf jeden Fall spannend! 🙂
Und das Rezept ist uebrigens sehr verlockend. Gibt es ein Rezept in dem Buch, das sich besonders gut fuer Grizzly eignen wuerde? Der Baer, den wir derzeit verzehren, hat einen ausgepraegten Wildgeschmack.
Viele Gruesse,
Luisa
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In den USA ist es meines Wissens so, dass Wölfe in „Wildnisgebieten“ akzeptiert werden, aber nicht in „besiedelten Gebieten“, um Konflikte mit Menschen zu verringern. Ganz genau weiß ich das aber nicht. In Deutschland ist in den letzten Jahren die Alltags-Erfahrung verschwunden, wie man sich mit großen Raubtieren arrangiert, was man ihnen zugestehen kann und wo Grenzen gezogen werden müssen.
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Die anderen europäischen Länder zeigen ja auch, dass ein Miteinander funktionieren kann. Es müssen nur Grenzen gesetzt werden. Bei uns hier in Nordsachsen hat der Wolf keine Scheu mehr vor den Menschen. Und das ist das Gefahrliche an der Entwicklung. Zu einigen Drückjagden ist er nicht aus dem Treiben gegangen. Ich habe einen wunderbaren Stöberhund, aber ich habe eine Riesenangst, dass er mal einem Wolf begegnet. Da hilft keine Schutzweste und auch kein GPS-Gerät. Im Moment läuft gerade ein Prozess gegen einen Jäger, der einen Wolf erschossen hat, der während einer Jagd zwei Hunde attackierte. Wenn dieser Prozess verloren wird, lasse ich meinen Hund nie wieder stöbern. Aber dann hat er umsonst gelebt! Das wäre furchtbar.
Luisa, mit Grizzly kennen wir uns hier leider überhaupt nicht aus. Aber interessant ist das bestimmt mal.
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