Das Dandy Kochbuch: Originalrezepte für Männer mit Stil

Keine Rezeptsammlung, sondern eine Hommage an die Dandys und ihre kulinarische Kultur. Diese elitären Schnösel scheuten sich jedwede Verantwortung für ihre Familien, den Staat oder die Gesellschaft zu übernehmen, denn sie verwandten bereits alle ihre Energie und finanziellen Mittel darauf, ein Leben im Luxus zu führen. Ihre Garderobe, Vergnügungen und Liebschaften, alles musste kompromisslos von höchster Extravaganz sein. Männer also, die man lieben muss, denn wie einer ihrer Unsterblichen, das britische Genie und Gesamtkunstwerk Oscar Wilde sagte: „Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert.“

Zu Anfang dieser Rezension drei frappierende Fakten zu diesem Kochbuch:

  1. Obwohl es sich bei Dandys ausschließlich um Herren handelte und Damen keinen wirklichen Zugang zu ihren Kreisen fanden, stammt das Buch aus der Feder einer Dame. Mittlerweile ist es Usus, dass derartige Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu Betroffenheit, Verbitterung oder politischem Aktivismus führt. Bei dieser Autorin ist dies nicht der Fall. Zudem schreibt sie in einer upperclass-elegance über die dekadente Dandy-Kultur, dass ich zu dem Schluss gekommen bin, Damen sind eigentlich die besseren Dandys. Wahrscheinlich erregt es nur gesellschaftlich so großes Aufsehen, wenn ein Herr es schafft, sich alleine gut anzuziehen und wie ein Kulturmensch zu benehmen, dass man ihn flugs etikettieren muss. Wie viel trostloser sähe dieses Land aus, wenn Frauen nicht Männer anziehen und Wohnungen einrichten würden? Es ist eine unangenehme Wahrheit, dass die meisten von uns (zumindest die Heteros) über das ästhetische Empfinden und die natürliche Eleganz von Weideochsen verfügen.
  1. Die Autorin ist keine Köchin, sondern Doktorin der Kulturwissenschaften und neben ihrem Brotberuf in der Social Media Branche eine Expertin für das Phänomen Dandyismus. Auf ihrem Weblog und mit zwei anderen Büchern widmet sie sich diesem gesellschaftlichen Phänomen. Dies erklärt, warum es sich bei dem Dandy-Kochbuch mehr um eine literarisch geschriebene kunstgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Dandyismus, als um eine praxisnahe Rezeptsammlung handelt.
  1. Interessanterweise ist die Autorin Berlinerin. Einer Stadt, in der wie in kaum einer anderen, das Egalitäre dem Elitären vorgezogen wird. Die Politik bemüht sich, Luxussanierungen zu verhindern, Oberklasseautos werden regelmäßig abgefackelt und modisch ist ein so nachlässiger Unisex-Stil en vogue, dass im vergangenen Sommer die Verkehrsbetriebe auf Hinweisschildern darum baten, Schuhe zu tragen. In diesem Sommer freut man sich wahrscheinlich, wenn die männlichen Fahrgäste zumindest Hosen anhaben. Bei Berliner Freunden von mir kursiert der Witz, sie würden in der einzigen Stadt wohnen, in der man einen CEO nicht von einem Obdachlosen unterscheiden könne. Für Dandys ein herausforderndes Biotop wie Jamaika für Bob-Fahrer oder Riad für Weinliebhaber.

Der erste Eindruck des Buches ist „edel“. Ein geschmackvoller Einband, schönes Papier, klassische Schrift und großartige Fotos. Allerdings reagiert der Einband auf Kücheneinflüsse auch so empfindlich wie die Nase Beau Brummels auf Körpergerüche. Wie so oft im Leben ist der Preis der Schönheit eine geringe Praxistauglichkeit, aber wie kann dies anders sein? Bei einem Werk, welches so bewusst gestaltet wurde, vermute ich keine Nachlässigkeit, sondern Absicht. Dandys wollen eben mit Samthandschuhen berührt werden und sind nicht zur Arbeit geboren.

Die „Prolegomena“ genannte Einleitung erklärt in einer gewählten literarischen Sprache die Kultur des Dandyismus: Junge Männer, welche das Leben der Bourgeoise mit ihren Tugenden wie Fleiß, Pünktlichkeit und Besitzstreben anödete, orientierten sich an der dekadenten Adelskultur, unter die die Französische Revolution einen blutigen Schlussstrich gezogen hatte. Reich musste ein Dandy nicht unbedingt sein, aber auf jeden Fall der Anschein erwecken. Die Verschwendungskultur der Aristokratie durch den Genuss exklusivster Genussmittel nachzuahmen, führte bei vielen ihrer hervorragendsten Vertreter, wie Oscar Wilde, Fürst Pückler, Beau Brummel oder Balzac, zwangsläufig zum finanziellen Ruin.

Anschließend werden die historischen Rezepte in drei klassisch dandyistische Menüfolgen präsentiert, in die jeweils ein spannender Text einführt: „Das Klassische Menü“, „Das Flamboyante Menü“ und „Das Schwarze Menü“. Diese Hauptteile der Rezeptsammlungen werden durch kleinere Abschnitte wie „Ouvertüre“, „Aus dem Tagebuch eines Dandys“, Fotos tatsächlicher zeitgenössischer Dandys, sowie „Getränke“ und „Saucen & Brühen“ aufgelockert. Einen der abgebildeten Herren durfte ich zufälligerweise im öffentlichen Nahverkehr Berlins kennen lernen. Sympathischerweise handelt es sich nicht um die Inszenierungen professioneller Models, die man verkleidete, wenn wohl auch nicht um Angehörige einer dekadenten Avantgarde und Oberschicht.

Die Bandbreite der Rezepte reicht von kapriziös (Hahnenkämme), illegal (Schildkrötensuppe), ruinös (Truthahn à la Périgord mit einer Trüffelfüllung von locker 2.000 €) zu luxuriös (Steinbutt). Gut, das simple Gurkensandwich aus Oscar Wildes Komödie „The Importance of Being Earnest“ und einfache Genüsse wie Spargel an Butter sind auch dabei, aber natürlich kann hier niemand allen Ernstes alltagstaugliches Essen zu normalen Preisen erwarten. Dies wiederspräche auch dem Geist der Dandys in der sich alles um die Inszenierung der eigenen Superiorität dreht. Die literarischen Erklärungen zu den einzelnen Rezepten sind ein Genuss. Die Beschreibungen der Zutaten und einzelnen Arbeitsschritte hingegen leider weniger. Sie erwiesen sich in der Küchenpraxis einige Male als unpräzise und verwirrend. Es empfiehlt sich die Rezepte sehr genau vorher zu prüfen sowie die Arbeitsschritte und Zeiten vorab mit Bleistiftnotizen zu gliedern.

Die „Historie“ der Dandys mit der „Kleinen Stilkunde“ am Schluss des Buches bildet für jeden kulturgeschichtlich interessierten Leser wieder ein reines Lesevergnügen. Bei mir führte sie sogar dazu, dass ich die Romane Théophile Gautier entdeckte und alleine dafür bin ich der Autorin dankbar.

Fazit

Das Dandy Kochbuch kann ich denjenigen empfehlen, die sich für Geschichte, Literatur und blanken Luxus begeistern können. Zudem könnte ich mir fast alle Fotos an die Wand hängen und lasse es bloß bleiben, weil ich Gefahr laufen würde, die Bilder abzulecken. Nicht nur auf mich wirken die Bilder so verführerisch. Das Buch wurde mit dem Gourmand World Cookbook Award in der Sparte Best Photography, Germany“ ausgezeichnet. Wer „nur“ seine Gäste und sich mit einem vernünftigen zeitlichen und finanziellen Aufwand verwöhnen möchte, ist mit anderen Titeln besser bedient. Dafür handelt es sich bei dem eleganten und gut geschriebenen Buch um eine kleine Zeitmaschine und Anstiftung zu kulinarischen Exzessen jenseits jeder Vernunft und das kann man von nur ganz wenigen Kochbüchern behaupten.

 

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KRAUTJUNKERAnmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Das Dandy Kochbuch

Titel: Das Dandy-Kochbuch: Originalrezepte für Männer mit Stil

Autorin: Melanie Grundmann

Verlag: zuerst Rogner & Bernhard (jetzt insolvent), nun KEIN & ABER

Verlagslink: https://keinundaber.ch/de/literary-work/das-dandy-kochbuch/

Link der Autorin: http://dandysme.eu/das-dandy-kochbuch/

Anmerkung: Diese Rezension wurde bereits zuvor auf http://valentinas-kochbuch.de/ veröffentlicht und leicht überarbeitet.

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