Mondnacht-Locksauen!

von Siegfried Erker

Zwei Tage vor Vollmond machte ich mich auf den Weg in mein ungarisches Revier. Pünktlich wie vereinbart erwartete mich mein Jäger László beim Jagdhaus. Nach einem kleinen Tratscherl ging es auch schon ab ins Revier. Da sein Geländefahrzeug in der Reparatur war, fuhren wir mit meinem. Nach gut 20 Minuten stellten wir das Fahrzeug ab und pirschten bei bestem Wind zu einem niedrigen Hochstand. Vor uns befand sich auf 120 Meter in einer Schneise eine Saukirrung, und nach unten abfallend war eine ca. 100 Meter lange Schneise, die am Ende von einer Dickung kurz unterbrochen war. Auch eine weitere gut 250 Meter lange aufsteigende Schneise konnte ich einsehen. Die Schneisen hatten jeweils eine Breite von ca. acht bis zehn Metern. Rings um diese Schneisen war dichteste Buchenmast, soweit das Auge reichte. Da der Hochstand nicht allzu hoch war und das Gelände herum abfallend bzw. aufsteigend, war dies ein idealer Platz zum Grunzen. Auf der einen Seite ging die Sonne unter und auf der anderen Seite schob sich schon der Mond über den Horizont. Noch bevor der Mond die Schneise ausleuchten konnte, hatten wir Anblick auf einen Hirsch, ein Tier und zwei Rehe. Am Ende der Schneise, auf 250 Meter erblickten wir plötzlich einen richtigen „Koffer von einer Sau“, die dort nach Nahrung brach. Den Konturen zufolge handelte es sich für mich eindeutig um einen Keiler. Ich entschloss mich, diesen Keiler grunzend anzugehen. Die ersten 100 Meter bis zur Dickung am Graben waren ja einfach zu bewältigen, danach mussten wir allerdings diesen extrem steilen, kurzen Graben in der Buchenmast durchsteigen, was uns auch mit viel Anstrengung gelang.

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Langsam und vorsichtig schoben wir uns aus dem Unterwuchs des Grabens. Am unteren Schneisenrand blieben wir stehen und beobachteten die Schneise vor uns. Ich vernahm auch ganz in der Nähe rechts oberhalb grunzende, brechende Sauen, die in der Mast steckten. Ich nahm mein Instrument, grunzte und stellte dabei auch ein Brechen mit meinem Fuß nach, indem ich im Laub wühlte.

Das Grunzen kam immer näher in unsere Richtung, bis auf 15 Meter vor uns eine Bache mit sechs Frischlingen auftauchte, in der Schneise genüsslich zu brechen begann und dabei immer wieder vertraut grunzte.

Es gelang mir nicht, einen Frischling auf kurze Entfernung zu erlegen. Ich war allerdings bestrebt, einen Keiler zu ergattern. Da die Rauschzeit schon im Anfangsstadium war, hoffte ich doch, dass sich ein Keiler zu der Rotte gesellen würde. Meine Gedanken noch nicht zu Ende gesponnen, erschien schon ein junger Keiler, der seinen rechten Vorderhammer schonte, in der Schneise und gesellte sich zur Rotte. Jetzt wurde es unruhig, denn der Keiler trieb immer wieder die Frischlinge weg.

Auf diesen laufkranken Keiler hatte ich es nun abgesehen. Wie es der Zufall wollte, kam ich nicht zu Schuss, denn seitlich kam aus der Mast unüberhörbar ein Spießerhirsch bis auf fünf Meter an László heran, schreckte und flüchtete Richtung Sauen. Danach war die Bühne leer. Wir pirschten weiter, gut 150 Meter die Schneise hinauf, und horchten immer wieder in die Dickungen. Zwischendurch vernahmen wir – zwar etwas weiter weg – brechende Sauen. Ich grunzte abermals und stellte mir dabei vor, ich wäre eine glückliche, brechende Sau. Kaum hatte ich zu grunzen aufgehört, bekam ich auch schon Antwort. Ich schaute meinen Jäger, der einige Meter hinter mir stand, an. Er schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger in Richtung grunzender Sauen in die

Dickung. Keine zwei Minuten dauerte es und zwei Überläufer schoben sich auf 20 Meter vor uns aus der Dickung und brachen in unsere Richtung. Auf gut zehn Meter erlegte ich eine davon mit einem gezielten Küchenschuss. László war erstaunt und begeistert von dieser Art zu jagen, die er vorher noch nicht gekannt hatte. Bevor ich die Sau aufbrach, streifte ich meinen bereits saugetränkten Wetterfleck mehrmals über die Bauchdecke, natürlich nur dort, wo kein Schweiß war, damit wieder frische Geruchsstoffe dazukamen. Nach dem Aufbrechen holten wir meinen Geländewagen und versorgten kurz darauf die Überläuferbache, die 45 Kilo auf die Waage brachte. Ein ideales Stück für die Küche.

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Nachdem es erst 20.00 Uhr war, wagten wir einen weiteren Versuch. Nach einer kurzen Fahrt von zehn Minuten stellten wir das Fahrzeug wieder ab und prüften den Wind, der kaum wahrzunehmen war. Ich nahm auch noch meinen alten bzw. frisch saugetränkten Wetterfleck aus dem Geländefahrzeug mit, denn wenn der Wind dreht, hat er mir schon oft gute Dienste erwiesen. Mit meinem kurzen Sauer 202 im Kaliber 9,3×62, dem Wetterfleck und den zwei Lockern pirschten wir wieder weiter, entlang eines alten Forstweges im Eichen-Altholzbestand. Der Mond hatte seinen Spaß mit Licht- und Schattenspielen im Wald. Bei einem Eichenbaum lehnte ich mich an und der Jäger László positionierte sich drei Bäume hinter mir. Ich horchte, um brechende bzw. grunzende Sauen auszumachen. Es war irgendwie unheimlich still, nur ab und zu hörte ich Blätter rauschen, die sich im leichten Wind bewegten. Nach gut zehn Minuten begann ich mit dem ersten vertrauten Grunzen. Keine Antwort war zu vernehmen und auch nach dem zweiten Versuch rührte sich noch nichts. Nach einer starken halben Stunde pirschten wir gut 300 Meter den Forstweg entlang weiter bis zu einer Eiche, die mir als Deckung geeignet erschien.

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Wieder das gleiche Prozedere wie beim ersten Versuch, aber auch diesmal brach ich nach einer halben Stunde erfolglos ab und wir folgten dem Forstweg weitere 300 Meter. Ich hielt  Ausschau nach einem geeigneten Baum, den ich auch wieder fand. László wählte eine dicke Eiche als Deckung. Auch auf diesem Platz horchte ich einige Zeit in den monderleuchteten Wald. Außer einem Waldkauz in der Ferne war nichts zu vernehmen. Von Anfang an setzte ich meinen selbstgebauten Locker – S.E. Keiler-Grunz mit der tiefsten Stimmung – ein und stellte ein vertrautes Grunzen nach, wobei ich gleichzeitig mit meinem rechten Fuß im Eichenlaub wühlte. Nachdem ich den Locker wieder in meiner Seitentasche verstaut hatte, vernahm ich vor mir – nach meinen Schätzungen auf ca. 100 Meter – doch noch ein vertrautes Grunzen. Ich bekam Antwort von einer Sau, und der Stimmlage zufolge von keiner jungen.

Gespannt wartete ich, was da wohl auf mich zukommen würde.

Das Grunzen kam immer näher und verstummte zwischendurch auch wieder. Jetzt war wieder ich am Zug und stellte abermals ein vertrautes Grunzen mit Brechen im Waldboden nach. Nachdem ich mein Grunzen wieder abgesetzt hatte, rührte sich fast fünf Minuten nichts, aber plötzlich bewegte sich die grunzende Sau weiter in meine Richtung. Auf gut 30 Meter erblickte ich sie dann. Die Sau steuerte punktgenau, jedoch immer wieder von Baumstämmen gedeckt, in meine Richtung. Auf ca. zehn Meter an mich herangekommen, verschwand die Sau hinter einer starken Eiche. Nur das Gebrech mit den Gewehren und Haderern war zu sehen, die Lichter der Sau wurden jedoch vom Baumstamm verdeckt.

Aus dem Gebrech des Keilers sah ich deutlich den ausgeatmeten Hauch, der wie kleine Nebelschwaden aufstieg. Es verging Sekunde um Sekunde, ja, es waren bald wieder fünf Minuten vergangen! Eine lange Zeit, wenn man sein Gewehr im Anschlag hat! Aber in solchen Situation muss man Ruhe bewahren und darf keine unüberlegte Handlung setzen. Ich wusste, wie ich mich zu verhalten hatte, jedoch konnte ich mich nicht umdrehen, um zu schauen, was mein Begleiter machte. Endlich schob sich der Keiler zwei Schritte weiter und verhoffte abermals. Dies war meine Chance und schon lag der Keiler mit einem perfekten Schuss im Feuer. Mir kam dieser Keiler beim Zustehen schon mächtig vor, nur als er vor mir lag, war er noch größer als angenommen. Er brachte aufgebrochen 162 Kilo auf die Waage, war ca. fünfjährig und seine teilweise abgebrochenen Waffen erreichten immerhin noch eine Länge von nahezu 20 cm. Für mich stellt es die Königsklasse aller Jagdarten dar, wenn man eine schlaue Sau so täuschen kann, dass sie zusteht.

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*

KRAUTJUNKER-Kommentar: Hier noch einige von mir recherchierte Weblinks, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte auch unten in den Anmerkungen die Informationen zum Buch beachten. Dort findet sich auch der Link zu einem Fachbeitrag über die Lockjagd auf Schwarzwild.

Hubertus/Keiler-Grunz-Hubertus-NEU::2288.html

https://www.youtube.com/watch?v=bqglrHnJ1Mg

https://www.jagderleben.de/video/schwarzwild-lockjagd-siegfried-erker

http://www.sauer.de/

 

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Locken

Titel: Locken!

Autor: Siegfried Erker

Verlag: Neumann Neudamm

ISBN: 978-3-7888-1880-6

Verlagslink zum Buch: https://www.jana-jagd.de/buecherfilme/jagdbuecher/jagdpraxis/lock-und-fangjagd/9280/siegfried-erker-locken

Verlagslink zum Autor: https://www.neumann-neudamm.com/erker/

Fotos: Siegfried Erker

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Erste Veröffentlichung aus dem Buch:

https://krautjunker.com/2017/11/18/grunzjagd-ausserhalb-der-rauschzeit/

3 Kommentare Gib deinen ab

  1. Fritz Krombholz sagt:

    Hallo,
    ist es möglich mit Herrn Erker persönlich in Kontakt zu treten?
    Ich hätte ein paar Fragen an ihn!
    MfG
    Vielen Dank im Voraus

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    1. KRAUTJUNKER sagt:

      Bitte eine Mail an mich. Meine Kontaktdaten sind im Impressum. Ich setze mich mit dem Verlag in Verbindung.

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