Das Jagdbuch

Buchvorstellung

Mittlerweile ist jedem, der sich mit aktueller Kochkultur beschäftigt, die Bezeichnung Food Porn für die glamouröse visuelle Präsentation verlockender Speisen geläufig. Man greife nur zu Mamas Dr.-Oetker-Kochbüchern aus den 70ern und heutigen Rezeptdarstellungen in Büchern oder auf Instagram. Dabei wurde damals mehr gekocht und zusammen gegessen als heute. Ursprünglich kommt dieser Trend aus der Werbepsychologie. Wunderbar sinnliche Fotos und Texte verknüpfen in unseren Köpfen Essen mit Lust und Lifestyle, um rationale Gedanken an Preise, Gesundheitsaspekte und Aufwand auszublenden. Und über je weniger Zeit wir verfügen und je mehr uns Vernunft und Lustverzicht gepredigt werden, umso stärker greifen wir zur Ersatzbefriedung des Voyeurismus.

Das Phänomen Porn, welches mit unseren Trieben spielt und unsere Sehnsüchte befriedigt, ist natürlich längst nicht mehr auf Sex und Essen beschränkt. Vernünftige Ehemänner und Familienväter, die Frau und Kinder mit einem untermotorisierten Windelbomber durch den Stadtverkehr chauffieren, träumen bei der Lektüre von Motorsportzeitungen von raubtierartig knurrenden PS-Monstern.
Angler, die es nur alle paar Monate mal an ihren Baggersee schaffen, greifen nach Magazinen mit herrlich unanständigen Titeln wie „Rute und Rolle“. In Beiträgen wie dem von den „Dicken Dingern aus der Donau“ ergötzen sie sich an Fotos von Petribrüdern, die mit nahezu postkoital verzückten Gesichtsausdrücken ihre Eroberungen an die Brust drücken, so als würden sie ihre Fische gleich ins Schlafzimmer tragen und mit Küssen bedecken.

Lesern, die von Aussteiger-Buden, Baumhäusern oder Jagdhütten in der Wildnis träumen, habe ich „Cabin Porn: Inspiration for your quiet place somewhere“ auf KRAUTJUNKER vorgestellt.

Vor mir liegt „DAS JAGDBUCH“ und den Machern ist es gelungen, Hunting-Porn zu schaffen. Schon der erste Eindruck appelliert nicht nur an das Auge, sondern auch den Tastsinn, denn der Einband verfügt über eine Prägung, die an das Fell eines edlen Jagdwildes erinnert und Trophäen-Charakter aufweist.

Für den großformatigen Bildband wurde bei Papier und Druck nicht gespart, um die Bilder und Texte hervorragender Fotografen und Autoren ideal zu präsentieren. Der Eindruck ist opulent. Mehrere illustrierte Beiträge sind auf KRAUTJUNKER als Leseproben veröffentlicht worden.

Das mir vorliegende Rezensionsexemplar ist die englischen Ausgabe. In ihr sortieren sich die einzelnen Beiträge nach folgenden Kapiteln:
HISTORY OF HUNTING
HUNTING INTERNATIONAL
HUNTING DESTINATIONS
FAMOUS BRANDS
GAME RECIPIES
INTERVIEWS

Alle Texte und Bildunterschriften wurden parallel in englischer, deutscher und französischer Sprache abgedruckt. Das spart dem Verlag Druckkosten und der Leser kann auf angenehme Weise seinen eingerosteten Wortschatz aufpolieren.

Die dargestellten Facetten der Jagd haben natürlich wenig mit dem zu tun, was sich die meisten Jäger finanziell leisten können. In „DAS JAGDBUCH“ geht es um die Sehnsüchte des ganz großen Kinos und nicht um Informationen von Praktikern für die Praxis. Gezeigt werden Oberklasse-Jagdurlaube, die schnell mal so viel kosten wie drei, vier Familienurlaube und legendäre Premium-Waffenmarken wie Rigby, wo ein Gewehr ohne Optik leicht bei 10.000 € liegt.

Beim Eintauchen in die Texte fällt dann auf, das nicht zwischen objektiv-redaktionellen Beiträgen und Öffentlichkeitsarbeit unterschieden wird. So wurden beispielsweise die Vorstellungen der HUNTING DESTINATIONS von den Betreibern selbst geschrieben. Bei ausländischen Produkten merkt man das teilweise an holprigen Übersetzungen und Formulierungen wie »Viele unserer Anwesen sind berühmt und ein Muss auf der Löffelliste eines jeden Jagdenthusiasten« (Bettws Hall, England) oder »Und wir sorgen dafür, dass Sie viele Möglichkeiten haben, um in den Besitz einer einmaligen Trophäe zu gelangen« (Cardrona Safaris, Argentinia). Ich gehe davon aus, dass die Anbieter wohl Geld dafür bezahlten, sich hier präsentieren zu dürfen. Das nehme ich dem Herausgeber nicht unbedingt übel, denn der Buchmarkt wird immer härter. Seit der Gründung meines Blogs KRAUTJUNKER im Sommer 2016 sind vier Verlage in die Knie gegangen, deren Bücher ich vorstellte. Das schmerzt und ängstigt jeden Bibliophilen und Kulturmenschen. Die Verlage müssen sehen, wie sie neue Wege finden, um sich zu finanzieren. Trotzdem hätte man die Werbung kenntlich machen müssen.

Gleichwohl ein außergewöhnlich schönes Buch, welches immer wieder dazu einlädt, in wunderbaren Fotos zu schwelgen, in schwungvoll geschriebenen Texte zu schmökern und sich in ein ideales Leben zu träumen, in dem Zeit und Geld nicht so knapp wären, wie im realen Leben normaler Menschen.
Eskapismus eben.

Nachtrag: In einem alten Playboy-Cartoon (ich habe das Magazin nur wegen der Cartoons gekauft), sitzen zwei offensichtlich betrunkene Männer während einer Party auf einer Treppe und einer sagt zum anderen etwas ganz Wichtiges:
„My feeling is that while we should have the deepest respect for reality, we should not let it control our lives.“
AMEN

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Ramelli Paris Cover 3.indd

Titel: © DAS JAGDBUCH von Oliver Dorn http://teneues-buecher.de/das-jagdbuch

Verlag: teNeues www.teneues.com

Text: Deutsch, Englisch und Französisch

ISBN: 978-3-96171-061-4

Preis: € 79,90

*

Aus dem Buch veröffentlichte Leseproben:

https://krautjunker.com/2018/11/01/waldkauz/

https://krautjunker.com/2018/07/18/falknerei/

https://krautjunker.com/2018/03/04/vom-weg-und-von-der-leidenschaft/

https://krautjunker.com/2017/10/29/jagdhunde/

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