Die Intelligenz der Tiere – Wie Tiere fühlen und denken

Buchvorstellung von Werner Berens

Dass oben genannte bei C.H. Beck erschienene Buch: Die Intelligenz der Tiere, verspricht die Frage zu beantworten: Was geht im Innern von Tieren vor? Wie Tiere fühlen und denken, so lautet der Untertitel der Übersetzung des Originals, namens Beyond Words.
Carl Safina, in den USA bekannter Meeresbiologe und Naturschriftsteller, unternimmt in 498 eng beschriebenen Seiten- und einem endlosen Literaturverzeichnis- aufgeteilt auf vier Hauptkapitel (1. Das Trompeten der Elefanten, 2.Das Heulen der Wölfe, 3. Jaulen und Ärgernisse, 4.Der Gesang der Wale) den Versuch, das Verhalten der genannten Spezies unter den Aspekten artspezifischer Intelligenz und artspezifischen Sozialverhaltens zu erklären.
Er tut dies in anekdotischen, spannenden und durchaus mitreißenden Geschichten, die manches Aha-Erlebnis bewirken und korrigiert dabei gleichzeitig die Vorstellungen von Tieren als bloß instinktgetriebenen Automaten. Seine Einrede gegen Forscher, die Tieren ein psychisches Innenleben und Selbstbewusstsein absprechen, ist ein empathisches Plädoyer für die Annahme, dass Tiere ähnlich fühlen und denken wie wir Menschen. In seinen Geschichten von Elefanten, Wölfen, Hunden und Walen schließt er das aus dem Problemlösungsverhalten und den sozialen Interaktionen seiner Protagonisten.
Safina greift zu Recht Verhaltensexperimente an, bei denen z.B. Schimpansen in einem ihnen völlig fremden Kontext Intelligenz beweisen sollen. Wer Schimpansenintelligenz feststellen wolle, müsse dies in einem Umfeld tun, welches Schimpansen vertraut ist. Der Autor hat Recht, wenn er solche Verhaltensforschung für wenig hilfreich hält. Und er beweist die mangelhafte Validität solcher Forschung an etlichen Beispielen. Aber durch die einseitige Auswahl von Negativbeispielen der Laborforschung erweckt er den Eindruck, als gäbe es in dieser Forschungsrichtung ausschließlich solch seltsame Blüten pathologischen Menschenverstandes. Das erzeugt beim aufmerksamen Leser womöglich Skepsis und den „Geruch“ der Voreingenommenheit. Ein wenig weniger Schwarz-Weiß wäre überzeugender, zumal die Crux einschlägiger Forschung über die Intelligenz und das Denken (von Tieren und Menschen) die Black Box ist. Heißt: Man kann den Reiz festmachen, der ein Verhalten auslöst und das Verhalten selbst, aber eben nicht das, was im Gehirn dazwischen stattfindet.
Safina schließt seine Ergebnisse zur Intelligenz der Tiere nicht aus Laborexperimenten, sondern aus z.T. alltäglicher Beobachtung und aus den Feldforschungen anderer Forscher, die er entsprechend interpretiert. Er führt seine spielenden Hunde und Erlebnisse mit ihnen als Beispiel an, wenn er die Theory of mind als nur angebliches Alleinstellungsmerkmal des Menschen erwähnt. (»womit …..gemeint ist, zu verstehen, dass ein anderer Gedanken und Motive haben kann, die sich von den eigenen unterscheiden« S.301 ) Aber hat sein Hund den Weg seines Herrn vorausgesehen oder ist es Zufall, wenn der Hund ihn an einer bestimmten Stelle seines Spazierweges zeitlich passend erwartet? Hat der Tümmler im Zoo den Zigarettenrauch des Wärters interpretiert, als er hinter der Scheibe dem Wärter gegenüber eine Milchwolke aufsteigen ließ?
Der offenbar mangelhaften Laborforschung stehen Safinas Geschichten und Berichte entgegen, die aber in erster Linie Anekdoten sind und bleiben und keine Forschung, die die Intelligenz der Tiere im wissenschaftlichen Sinne beweist. Dazu braucht es mehr Distanz, die Safina nicht hat. Er „solidarisiert“ sich mit den von ihm beobachteten Tieren, erwähnt recht häufig positiv besetzte Eigenschaften wie Fürsorglichkeit, Klugheit, Empathie, vermeidet es aber im Gegenzug von Mordlust, Grausamkeit etc. zu schreiben, wenn beispielsweise Wölfe nicht zum Rudel gehörende Außenseiter töten. Und wenn Menschen das Gleiche tun, töten sie nicht die Elefanten oder die Wölfe, sondern ermorden sie. Sprache ist manchmal verräterisch. Und der Verdacht, dass dem Autor nicht in erster Linie die Intelligenz der Tiere wichtig war, sondern die Feststellung, dass Tiere die besseren Menschen seien, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Am Ende ist der Leser bezüglich der Frage, wie intelligent Elefanten, Wölfe, Hunde, Wale denn nun tatsächlich sind- fast- so klug, wie vor der Lektüre des Buches, denn Laborexperimente mit zu wenig Nähe zu den Forschungsobjekten sind ebenso wenig hilfreich wie zu viel Nähe. Um valide Aussagen über die „Intelligenz der Tiere“ zu machen, bedarf es zuerst einmal der Definition dessen, was man unter Intelligenz verstehen möchte. Ist sie das, was der von Menschen für Menschen gemachte Intelligenztest misst? Ist sie das, was dem Elefanten, dem Schimpansen beim Überleben hilft oder ist sie eine Abstraktions- und Empfindungsfähigkeit, die artenübergreifend Denkfähigkeiten abfragt? Der Autor wirft -durchaus verdienstvoll- die Frage auf, ob man Tiere mit dem menschlichen „Zollstock“ überhaupt sinnvoll messen kann.

Fazit: Zum Buch gibt es zahlreiche Rezensionen, die in überschwänglichem Glockengeläut die „Menschwerdung“ der Tiere feiern. Und es ist gut möglich, dass da eine neue Tierrechtsbibel entsteht, wenn die Konklusionen Safinas mit wissenschaftlicher Forschung verwechselt werden. Als anders „interessegeleiteter“ Leser, der sich seit vielen Jahren mit moralphilosophischen Tierschutz- und Tierrechtsfragen beschäftigt, hatte ich vom Buch handfestere Ergebnisse erwartet. Aber dennoch kann ich die Lektüre nahezu uneingeschränkt empfehlen. Nicht deshalb, weil nun schlüssig beantwortet würde, wie intelligent Tiere in einem Raster sind, welches der spezifischen menschlichen Intelligenz gemäß definiert ist, sondern aus anderen Gründen: Der nicht spezialisierte, allgemein gebildete Leser lernt durch Safinas umfangreiche Arbeit eine Menge über Elefanten, Wölfe und Wale und im besten Fall über sich selbst, wenn er seine bisherige Sichtweise der Tierwelt hinterfragt. Man muss Safinas „Intelligenzbeweise“ nicht für solche halten- im wissenschaftlichen Sinne- aber man muss „hellhörig“ werden und darüber nachdenken, ob die Art und Weise, wie wir intellektuelle Leistungen, Empfindungen, Bewusstsein von Tieren messen, die richtige ist. Das Buch weitet in sehr gut erzählten Anekdoten, die auf Beobachtungen basieren, auf bisher noch nicht dagewesene Weise den Blick dafür, dass es neben menschlicher Intelligenz eine Intelligenz anderer Spezies gibt, die in ihrem Lebensumfeld hoch funktional ist, die in mancherlei Hinsicht der menschlichen überlegen ist und unser Verhältnis zu Tieren „nachdenklicher“ macht, wenn wir uns eingestehen: „Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt.“
Empfehlenswert.

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KRAUTJUNKER-Autor Werner Berens

Abb.: Werner Berens beim Fliegenfischen; Bildquelle: Werner Berens

Werner Berens ist Fliegenfischer, Jäger, Autor und Genussmensch, der den erwähnten Tätigkeiten soweit als möglich die lustvollen Momente abzugewinnen versucht, ohne aufgrund kulinarisch attraktiver Beute übermäßig in die falsche Richtung zu wachsen. Als Leser und Schreiber ist er ein Freund fein ziselierter Wortarbeit mit Identifikationssmöglichkeit und Feind von Ingenieurstexten, die sich lesen wie Beipackzettel für Kopfschmerztabletten. Altermäßig reitet er dem Sonnenuntergang am Horizont entgegen und schreibt nur noch gelegentlich Beiträge für das Magazin FliegenFischen.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Die Intelligenz der Tiere – Wie Tiere denken und fühlen

Autor: Carl Safina

Verlag: C.H. Beck

Verlagslink: https://www.chbeck.de/safina-intelligenz-tiere/product/18195228

ISBN: 978-3-406-70790-2

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