FLIEGENFISCHEN – Geschichten aus 2000 Jahren Flugangeln

Buchvorstellung von Werner Berens

„Das Auge isst mit“. So beschreibt ein bekanntes Bonmot die Erfahrung, dass ein gekonnt ins Bild gesetztes Gericht die Vorfreude auf das zu erwartende Geschmackserlebnis nicht unerheblich beeinflusst…….Wer „Fliegenfischen“ in die Hand nimmt und anschaut, kann- um im Bild zu bleiben- ein opulentes Mahl erwarten. Auf der Frontseite des Buches stimmt ein wunderbares Titelfoto auf Anschauungs- und Lesegenuss ein, denn der Leser hält 367 Seiten Text und Bilder, in einen hochqualitativen Einband verpackt, in der Hand. Auf den ersten Seiten und an vielen Stellen im Buch geht es weiter so wie auf der Frontseite : teils ganzseitige Bilder, die das Herz eines jeden Fliegenfischers höher schlagen lassen und die einem Nichtfliegenfischer das Wesen des Fliegenfischens fast so zu zeigen vermögen wie die traumhaft schönen Bilder im Film Aus der Mitte entspringt ein Fluss. Der erste Eindruck ist eine Anmutung von Wertigkeit, ästhetischer Schönheit und außergewöhnlicher Qualität, der dann die Rezensentin oder den Rezensenten neugierig macht, nämlich darauf, ob der Inhalt das hält, was das Aussehen verspricht.

Um es vorweg zu erwähnen: Beide Autoren haben sich eine Heidenarbeit und ausuferndes Quellenstudium aufgeladen, um all das zu eruieren, was im Buch oft im Detail erörtert und erzählt wird. Peter Schmidt und Gerd-Peter Wieditz gehen in 17 Kapiteln der Frage nach, wie sich das Fliegenfischen von den Griechen und Römern bis heute entwickelt hat: von der an der »Pferdehaarleine« präsentierten Fliege am italienischen Voralpenfluss bis zum mit dem Schusskopf hinausgeschossenen Hechtstreamer. Gerd Peter Wieditz bindet die in historischen Dokumenten beschriebenen Fliegen mit sehr viel binderischem Feingefühl nach und verschafft so dem Leser eine realistische Anschauung der historischen Exponate, die ja in Ermangelung moderner Bindematerialien aus wenigen Federn und Haaren Verführerisches machen mussten. Peter Schmidt- vor allem- erforscht –unterstützt durch andere Autoren- Gewesenes in der Historie des Fliegenfischens und fügt es zu einem schlüssigen Bild zusammen. In der »Zeitreise« kommen zahlreiche Persönlichkeiten der Fliegenfischerszene, teils »posthum«, zu Wort, berichten und erzählen von ihren Erfahrungen und Erlebnissen, beziehen Stellung, sprechen über ihre Motivationen.

Bildquelle: Buch fotografiert von Werner Berens

Wie fischten die »Altvorderen« und mit welchen Fliegen fischten sie? Wer erfand wo und warum neue Fliegenmuster? Wie entwickelte sich das Fliegenfischen in Mitteleuropa und wie in den USA und in GB? Welcher Autor schrieb Entscheidendes zum Fliegenfischen und sorgte so für Fortschritt? Wer hielt und hält die Welt des Fliegenfischens in Bild und Skulptur fest? Alle diese Fragen werden beantwortet. Das Gleiche gilt- weniger ausführlich- für die Entwicklung der »Wurfgeräte/Angelgeräte« vom Haselnussstecken bis zur modernen Kohlefaserrute und für die Fortschritte im Fliegenwerfen. Für den an der Historie des Fliegenfischens interessierten Leser bietet das Buch eine Fundgrube- mit später noch zu erwähnenden und hier angedeuteten Einschränkungen. Das opulent bebilderte Buch findet in dieser Ausführlichkeit und Liebe zum Detail nirgendwo seinesgleichen.

Bevor ich darauf zu sprechen komme, was das Buch nicht hat, aber m.E. haben sollte, um inhaltlich so rund und perfekt zu sein, wie es haptisch und optisch daherkommt, mache ich auf einen besonderen Umstand aufmerksam:

Mir sind- aus eigener Erfahrung- durchaus die Zeitgenossen/Leser bekannt, die viel besser als der Autor wissen, was in ein Buch alles hinein- und hinaus gehört hätte. Und ebenso weiß ich, dass jeder Autor vom Verlag gern die doppelte Anzahl an Seiten zugestanden bekäme, um alles das zu schreiben, was er eigentlich schreiben will. Kurz: Mir ist bekannt, dass Autoren – oft schweren Herzens – sich entscheiden müssen, an welcher Stelle sie zugunsten anderer Teilthemen kürzen müssen.

Dennoch- ist es u.a. Aufgabe einer Buchbesprechung dem erwartungsvollen Leser mitzuteilen, was er neben dem schon erwähnten Wunderbaren im Buch nicht oder nicht ausreichend expliziert vorfindet, obwohl er es als passionierter Fliegenfischer möglicherweise erwartet. Für mich ist Fliegenfischen – und ich vermute für die meisten Fliegenfischer – wesentlich damit verbunden, dass man mit Hilfe einer Rute und Leine eine Fliege in einem nach Möglichkeit ästhetischen Bewegungsablauf dorthin befördert, wo sie hin soll (Damit möchte ich Tenkara oder Czech-Nymphing nicht die Existenzberechtigung absprechen).

Um Missverständnissen vorzubeugen: Peter Schmidt geht durchaus kurz auf Persönlichkeiten des Fliegenwerfens ein, erwähnt ihre »Philosophie«:
»Wenn dich dein Wurf Mühe kostet, machst du etwas falsch«….Lefty Kreh…..
»Einige Fliegenfischer sind Techniker, andere Poeten« ….Mel Krieger.
Auch Hebeisen und H. Gebetsroither kommen zu Wort. Aber der Umstand, dass nach meinem Empfinden die historische Entwicklung des Fliegenwerfens zwar kurz beschrieben wird, (dezidiert gegen Ende des Buches von Seite 342- 348 ) aber gegenüber den anderen Aspekten zu kurz kommt, ist ein wenig bedauerlich. Diskussionen und Videos über Fliegenwerfen, seine Entwicklung, seine Stile, seine Verästelungen und Widersprüchlichkeiten füllen Foren und Internetseiten – und werden m.E. im Buch im Verhältnis zur Akribie, mit der v. allem Peter Schmidt sich in die Persönlichkeiten des Fliegenfischens hineinkniet ein wenig stiefmütterlich behandelt. Durch mein Leseerlebnis geisterte stets die Frage: Kommt da noch Substantielles zur Entwicklung des Fliegenwerfens und der Leinen?  Ich schließe nicht aus, dass dieser Eindruck lediglich einer Marotte meinerseits entspringt und wage dennoch die Behauptung, dass das Buch unter dem Titel Fliegenfischen runder wäre, hätte man z.B. der betriebswirtschaftlichen und familiären Entwicklung der ein oder anderen Fliegenmanufaktur etwas weniger und dem Werfen etwas mehr Text gewidmet. Ähnliches gilt für die Entwicklungen im Rutenbau, auch diese hätten mehr Aufmerksamkeit verdient.

Quintessenz

Im Vorwort von Claudia Dietrich steht: »Geschichten aus 2000 Jahren Fliegenfischen, die in diesem Buch zu lesen sind, beschreiben eine lange Ära mit vielen spannenden und interessanten Fliegen und Persönlichkeiten, die auch mich neugierig gemacht haben.« Möglicherweise gibt das die Richtung vor: Fliegen und Persönlichkeiten. Aber das Buch heißt Fliegenfischen. Unter dieser Überschrift erwartet der geneigte Leser möglicherweise weniger Fliegen und mehr fischen. Und um da nicht in die Irre zu gehen, empfiehlt es sich, den Klappentext auf der Rückseite zu lesen. Das Buch/ der Hauptautor Peter Schmidt legt seinen Fokus für mein Empfinden einen Tick zu sehr auf Fliegen und auf die Personen, die das Fliegenfischen als Fliegenerfinder, Geschäftsleute und Autoren weiter brachten und einen Tick zu wenig auf die, die sich um den anstrengungslosen und effektiven Wurf, um die Entwicklung im Rutenbau verdient machten – und um das, was dabei herauskam. Aber Fliegenfischer unterscheiden sich ebenso wie ihre Spezialinteressen innerhalb der Passion. Und vielleicht ist es tatsächlich mein Spezialinteresse, dessen nur teilweise Befriedigung ich hier bebeckmessere. Dennoch schulde ich der umfangreichen und akribischen Arbeit der Autoren höchsten Respekt. Und meine Mäkeleien haben mich nicht davon abgehalten, das Buch vom Anfang bis zum Ende in der Haltung eines Gourmets lesend zu genießen, dem hier und da ein wenig zu viel Salz im Spiel war und an anderer Stelle ein bisschen zu wenig. Deshalb komme ich zu der abschließenden Einschätzung, dass, wenn man mit den oben erwähnten Einschränkungen leben kann, man eine Augenweide und ein meisterlich verfasstes, fotografiertes und gestaltetes Werk in der Hand hält, welches in den ausführlichen Teilthemen in bislang unerreichter Tiefe die Historie des Fliegenfischens in solch opulenter Weise serviert, dass es auf einen der vorderen Plätze ins Regal gehört, wo es auch bei mir steht.

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Werner Berens

Werner Berens ist Fliegenfischer, Jäger, Autor und Genussmensch, der den erwähnten Tätigkeiten soweit als möglich die lustvollen Momente abzugewinnen versucht, ohne aufgrund kulinarisch attraktiver Beute übermäßig in die falsche Richtung zu wachsen. Als Leser und Schreiber ist er ein Freund fein ziselierter Wortarbeit mit Identifikationssmöglichkeit und Feind von Ingenieurstexten, die sich lesen wie Beipackzettel für Kopfschmerztabletten. Altermäßig reitet er dem Sonnenuntergang am Horizont entgegen und schreibt nur noch gelegentlich Beiträge für das Magazin Fliegenfischen.

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Hier findet Ihr ihn auf Facebook!

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: FLIEGENFISCHEN – Geschichten aus 2000 Jahren Flugangeln

Autoren: Peter Schmidt / Gerd-Peter Wieditz

Verlag: Müller Rüschlikon

Verlagslink: https://www.motorbuch.de/index.php?FLIEGENFISCHEN%20-%20Geschichten%20aus%202000%20Jahren%20Flugangeln&aktion=ausgabe&saktion=detail&darst=d&az=&mp=&ump=&sa=SSA&saktion_begin=&lk=&bestnr=0&autornr=&sustr=Fliegenfischen&grp=&datsatz=0&detail=42247&sort=&saktion1=&id=xw99900Z0j3xhhhJ473vDUhCBD20220516162007&navid=

ISBN: 978-3-275-02247-2

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