Kostbare Knollen, manchmal

von Archi W. Bechlenberg

„Das köstliche Aroma der Trüffel beruhigte ihn. Er schnüffelte, seufzte, atmete und fraß, Rüssel und Zunge halten die letzten Brösel aus den Ecken des Sackes heraus. Und all das Köstliche hatte er alleine gefunden.“

Samson, das Trüffelschwein, nimmt Rache an Emile, seinem Herrn. Immer nur mit alten Käsebrocken abtgespeist zu werden, das ist dem Eber in Patricia Highsmiths Erzählung Mitten in der Trüffelsaison schließlich zu wenig. Und so wirft er bei der Suche im Wald den Geizhals zu Boden und setzt sich mit der ganzen Autorität von zwei erfolgreich gelebten Trüffelwintern auf dessen Brust, bist Ruhe ist.

Ist man kein Trüffelschwein und besitzt auch keinen Trüffelwald, muss man halt in die Tasche greifen. Meinen ersten Trüffel kaufte ich in Paris an der Place de la Madelaine, er kostete soviel wie eine Nacht im Hotel und erinnerte mich in Größe und Textur an einen Gallenstein, den meine Oma in einer Blechdose aufbewahrte und den ich mir gerne zeigen ließ.

Abb.: Blick von der Èglise de la Madeleine, 2014; Bildquelle: Wikipedia

Verpackt war der Trüffel in ein kleines Glas, und – Deckel hin, Deckel her, – nach fünfstündiger Heimfahrt roch der Innenraum des Autos so, dass man gar nicht mehr aussteigen mochte. Ich habe keine Ahnung, wie der Trüffel das gemacht hat. Ich wusste nur, dass er noch am selben Abend verspeist werden wollte. Zum Glück bedarf es keiner kulinarischen Höchstleistungen, um einem Trüffel das geeignete Umfeld zu schaffen, ein Omelette  aus ordentlich, also nur kurz gequirlten Eiern, darüber die möglichst feinen Pilzspäne, und fertig. Ich schlief mich in dieser Nacht durch seltsame Träume.

Bildquelle: Photo by amirali mirhashemian on Unsplash

Am anderen Ende meiner Trüffelkauferlebnisskala steht der Erwerb eines Chinesischen Trüffel, den ich vor Jahren in einem französischen Supermarkt entdeckte. Er war, umgeben von einem martialischen Karton mit Sichtfenster, in eine Art Reagenzglas gepackt und sah so verlockend schwarz und hässlich aus, dass ich ihn kaufen musste, zudem sein Preis sehr chinesisch, also nicht nennenswert war. Dennoch war der bezahlte Betrag nur eine Steuer auf Dummheit. „Wat nix kost’ datt is auch nix!“, wie mein Vater auf rheinisch zu sagen pflegte. Ein fabrikneuer Bierdeckel schmeckt mehr nach Trüffel als dieses Teil. Mögen die Chinesen auch Barbiepuppen und falsche iPods basteln können, bei Trüffeln versagen sie kläglich.

Manches nennt sich Trüffel, das den Hobel nicht wert ist. Vom tuber magnatum, dem Weißen Alba-Trüffel, und tuber melanosporum, dem Périgord-Trüffel, einmal abgesehen sind alle anderen Arte, es gibt hunderte, mit Vorsicht bis Abscheu zu betrachten. Zu den geschmacklich guten bis akzeptablen gehören der im Sommer leicht erhältliche tuber aestivum, äußerlich dem melanosporum ähnlich, im Inneren aber wesentlich heller, dann der tuber uncinatum, den man auch in Deutschland finden kann (um anschließend – man ist ja in Deutschland – wie der Koch Jean-Marie Dumaine aus Sinzig, dessen Hund Max sie 2002 als Erster entdeckte, wegen Waldfrevels bestraft zu werden) und der tuber brumale, auch dieser äußerlich dem melanosporum ähnlich. Üble Gesellen hingegen sind der tuber albidum, eine kleine weiße Knolle aus Italien, der tuber brumale rufum, der tuber mesentericum, der schwer nach Aceton stinkende tuber excavatum und der rote tuber rufum. Da sind die chinesischen tuber himalayensis und tuber indica fast noch okay, denn die schmecken und duften wenigstens nach nichts.

Abb.: Alba white truffles from Chef Mirko Febbrile; Bildquelle: CHUTTERSNAP

Trüffel locken nicht nur Schweine, Hunde und andere Feinschmecker, sondern auch Spitzbuben an, und so wird gemogelt was das Zeug hält. Das Untermischen von wertlosen Trüffeln in wertvolle Ernte ist gang und gäbe. Zur Gewichtssteigerung werden gerne Schrotkugeln oder Nägel in die Knollen gesteckt.

Es geht auch noch dreister. Bei einem großen Trüffelverarbeiter in Umbrien fand man in Konserven 46.000 kg China Trüffel, als tuber melanosporum deklariert. Harmlos ist hingegen der gängige Zukauf von Ware aus anderen Fundgebieten, solange es sich um die gleiche Qualität handelt. Ein nicht geringer Teil der im Périgord gehandelten tuber melanosporum kommt heute aus der nördlichen Provence. Der Grund ist einfach: die Erntemengen im Périgord sind stark rückläufig. Da aber die Trüffel aus der Provence und dem Vaucluse von ebenso hoher Qualität sind ist an diesem Handel nichts Verwerfliches zu finden.

Die unterirdisch, in Symbiose mit bestimmten Baum- und Straucharten wachsenden Trüffel werden seit ewigen Zeiten als Delikatesse geschätzt, Ägypter, Griechen und Römer schätzten sie bereits und lobten ihre der Wollust zuträglichen Eigenschaften. Die sah man zwar später im Hochmittelalter eher negativ und verbannte die Knollen vom korrekten Speiseplan, aber die Renaissance, in der man vor allem die edlen tuber magnatum und tuber melanosporum zu schätzen lernte, gab der Trüffel ihren Platz an den Tafeln zurück. Viele Rezepte und Loblieder stammen aus dieser Zeit und sind gültig bis heute zu. Man denke nur an Francesco Petrarcas Zeilen aus

Die Unsterbliche
In den Wald der Haseln oder Eichen,
In der stummen Heimlichkeit Gebiet,
Das der Kostverächter schauernd flieht,
Such‘ ich oft der Trüffel nachzuschleichen.

Gesucht und gefunden werden Trüffel schon seit langem fast nur noch von Hunden. Das Bild vom alten Mann mit einem Säckchen in der einen und der Leine fürs Trüffelschwein in der anderen Hand ist heute nur noch eine Erinnerung. Hunde, genauer gesagt Hündinnen – denn nur die entwickeln eine Nase für den Duft -, sind weitaus einfacher zu handhaben, fast jede Rasse eignet sich zur Suche. Hunde haben mehr Kondition als Schweine, sie verursachen keine Bodenschäden und lassen sich leichter in die Autos verfrachten, mit denen der Sammler zu den Fundorten fährt. Und wenn sich Ihnen ein Hund auf die Brust setzt, hauchen Sie nicht gleich Ihr Leben aus.

Bildquelle: Photo by Andrea Cairone on Unsplash

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Archi W. Bechlenberg hat dieses Essay aus HÄUPTLING EIGENER HERD Nr. 32 Pilze in einem Blogbeitrag vom 16. November 2016 noch um lesenswerte Textpassagen ergänzt: https://www.achgut.com/artikel/das_anti_depressivum_zum_sonntag_knall_und_knollen

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Archi. W. Bechlenberg

Archi W. Bechlenberg, geb. 1953, betreibt nach dem Studium der  Kunst- und Baugeschichte an der RWTH Aachen verschiedene kreative Berufe, wie das Schreiben, die Kunstmalerei und die Fotografie. Er schreibt unter wechselnden Namen für zahlreiche nationale und internationale Magazine und gehört zu den Edelfedern der Achse des Guten sowie Publico. Seit 1980 lebt er in Belgien. Unter dem Motto „Mit Geist, Genuss und Gelassenheit betrieb er eine Zeitlang den Blog Herrenzimmer, zu dessen Botschaften Hedonismus und political incorrectness gehörten. Mittlerweile ist der laut Vincent Klink kultivierte Wonneproppen hauptberuflicher Connaisseur und Querulant.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Häuptling Eigener Herd, Heft Nr. 32

Herausgeber: Wiglaf Droste und Vincent Klink

Verlag: © 2007 Edition Vincent Klink

Website: https://vincent-klink.de/

ISBN: 978-3-927350-30-4

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Die Veröffentlichung erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Vincent Klink, Küchengott im Restaurant Wielandshöhe in Stuttgart. Ich empfehle den Besuch seines Gourmet-Tempels.

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