Jagdgedanken im Februar: Schluss ist – gut ist

von Bertram Graf v. Quadt

Jagd vorbei – fürs Erste. Die Schonzeit ist endgültig ausgebrochen. Und wenn der geneigte Leser nun erwartet, dass ich wie üblich anfange, diesen Umstand der weitgehenden Jagdruhe zu beweinen, dann sehe er sich bitte enttäuscht.  Denn ich bin im Grunde gar nicht unfroh darüber, dass die Jagdsaison zu Ende ist. Und wenn die Jäger, die dies hier lesen, ernsthafte Gewissenserforschung betreiben, werden sie möglicherweise feststellen, dass es ihnen genauso geht.
Die letzten Jagden waren gut – sehr gut sogar. Es hätten also nur schlechtere folgen können. Sollte man nun noch auf jedes kleine Klepperchen gerannt sein, jedes Spontantdrückerchen mitgemacht haben in der Hoffnung, dass der dicke Keiler kommt (der schon seit Jahren nicht mehr da ist), man wäre nur enttäuscht nach Hause gekommen, und möglicherweise wäre das die letzte Einladung gewesen. Dann hängt man mit schalem Nachgeschmack und unbefriedigter Jagdgier für eine sehr lange Zeit herum. Das ist nicht schön. Die Wahrheit, dass man aufhören solle, wenn es am schönsten ist, ist bekanntlich eine echte solche.
Die Jagdfreunde, die von der Kategorie „sehe ich ja sonst nie!“, hat man in der Saison so oft gesehen, dass aus dem erfreuten „Wie schön!“ beim ersten Treffen mittlerweile ein „Du auch wieder…“ geworden ist. Die gemeinsamen Themen sind erschöpft, und von den vergangenen Jagden braucht man auch nichts zu erzählen, da der Gegenüber höchstwahrscheinlich selbst daran teilgenommen hat. Und wenn nicht – und wenn es eine erzählenswerte Jagd war – hat er längst davon gehört.
Die im November noch „neuesten“ Witze und Geschichten sind sämtliche inzwischen uralt, dreimal erzählt und allenfalls in der Versionshistorie noch milde unterhaltend. Der Must-have-Ausrüstungsgegenstand, der zu Beginn der Saison noch ein Alleinstellungsmerkmal war, ist mittlerweile so allgegenwärtig, dass man ihn eigentlich gar nicht mehr vorzeigen mag. Die Munition ist alle, die Waffe müsste dringend mal wieder geputzt werden, die Schuhe auch – es langt.
Traurig ist womöglich nur der, der zu Beginn der Saison mangels vorheriger Übung kein Scheunentor getroffen hat, auch bei aufgesetztem Nahschuss nicht, und der dann doch nach vielen Ver- und Nachsuchen irgendwann im späten Januar einen Frischling zuwege brachte. Das lag zwar weniger am Schützen als an dem wirklich bedauerlich großen Pech des armen Frischlings, aber der Schütze mag sich denken: „Jetzt, wo ich es endlich kann, ist die Saison rum.“
In all diesen Fällen ist es eigentlich wirklich gut, dass jetzt sozusagen Schicht ist. Man hat die Saison auf einer hohen Note beendet, man kann sich von den Jagdkumpanen erholen, neue Witze lernen, auf den Jagdmessen nach neuen Must-haves suchen, Munition kaufen, Waffe und Schuhe herrichten (oder herrichten lassen) – und das Wild hat auch seine sauer verdiente Ruhe. Aber vor allem: man kann sich wieder auf etwas freuen, nämlich auf (wo erlaubt!) Schnepfe, Birk- und Auerhahn und dann auf den Rehbock im Mai.
Und so stehe ich am Fenster, blicke ins winterliche Land hinaus und freue mich.
Oder rede mir das ein. Zumindest das.

*

Geständnis des Autors:

Man kann sich gegen schwere erbliche Belastungen nicht wirklich zur Wehr setzen. Damit war die Jagd unausweichlich. Beim Blick in die Generationen gibt es auf weite Sicht keinen männlichen Vorfahr – und nur wenige weibliche – die nicht gejagt hätten. Vater, Mutter, beide Großväter und so weiter und so fort – alles Jäger, und zum Teil hochprofilierte Jäger: der Vater meiner Mutter, Herzog Albrecht v. Bayern, hat die bedeutendste Monographie des 20. Jahrhunderts über Rehwild verfasst („Über Rehe in einem steirischen Gebirsgrevier“) und darin mit viel Unsinn über diese Wildart aufgeräumt. Meine Mutter war an den Forschungen dazu intensiv beteiligt, gemeinsam mit meinem Vater hat sie die Erkenntnisse im gemeinsamen Revier im Allgäu umgesetzt. Nun will und muss aber jeder junge Mensch rebellieren. Ich habe mir dafür aber nicht das jagdliche Erbe ausgesucht, sondern die Schullaufbahn, das nie begonnene Studium, das Ergreifen anrüchiger Berufe (Jurnalist, pfui!) und anderes mehr. Und ich kann im Rückblick sagen: das war die richtige Entscheidung.

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.

Titel : Jagdgedanken – Ein Hochstand-Brevier

Autor: Bertram Graf v. Quadt

Zeichnungen: Rudi Kohl

Verlag: Neumann-Neudamm

Verlagslink: https://www.jana-jagd.de/buecher/jagdbelletristik/erzaehlungen/11348/quadt-jagdgedanken-ein-hochstand-brevier

Foto des Autors: © Stephanie Schweigert

ISBN: 978-3788819484

Buchvorstellung: https://krautjunker.com/2019/02/02/jagdgedanken-ein-hochstand-brevier/

5 Kommentare Gib deinen ab

  1. Egbert Urbach sagt:

    Wie immer mit spitzer Feder trefflich auf den Punkt gebracht. Chapeau.

    Gefällt 1 Person

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